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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ArbVG §160 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des J in N, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 6. August 1993, Zl. 1-281/93/E2, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Warenhandelsgesellschaft m.b.H. in X, welche wiederum persönlich haftende Gesellschafterin einer näher bezeichneten Warenhandelsgesellschaft m.b.H. & CO in Z sei, dafür verantwortlich, daß in dem vom letztgenannten Unternehmen an einem näher bezeichneten Standort in Z betriebenen "f."-Großmarkt die Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) nicht eingehalten worden seien, indem das erwähnte Unternehmen am 2. November 1992 mit einem näher bezeichneten Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis begründet und es bis zum 19. November 1992 unterlassen habe, dem Betriebsrat diese Einstellung eines Arbeitnehmers unter Angabe der vorgesehenen Verwendung und Einstufung des Arbeitnehmers, dessen Lohnes oder Gehaltes sowie einer allfällig vereinbarten Probezeit oder Befristung des Arbeitsverhältnisses mitzuteilen, obwohl jede erfolgte Einstellung eines Arbeitnehmers dem Betriebsrat unverzüglich im erwähnten Umfang mitzuteilen sei. Es wurde über ihn wegen der Verwaltungsübertretung nach § 160 Abs. 1 und 2 Z. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 4 ArbVG eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 168 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 99 Abs. 4 ArbVG ist jede erfolgte Einstellung eines Arbeitnehmers dem Betriebsrat unverzüglich mitzuteilen. Diese Mitteilung hat Angaben über die vorgesehene Verwendung und Einstufung des Arbeitnehmers, den Lohn oder Gehalt sowie eine allfällige vereinbarte Probezeit oder Befristung des Arbeitsverhältnisses zu enthalten.
Nach § 160 Abs. 1 ArbVG sind Zuwiderhandlungen u.a. gegen die Bestimmung des § 99 Abs. 4 und der hiezu erlassenen Durchführungsbestimmungen, sofern die Tat nach anderen Gesetzen nicht einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu ahnden. Verwaltungsübertretungen nach Abs. 1 sind nach § 160 Abs. 2 leg. cit. nur zu verfolgen und zu bestrafen, wenn im Falle des § 99 Abs. 4 der Betriebsrat binnen sechs Wochen ab Kenntnis von der Übertretung und der Person des Täters, bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einen Strafantrag stellt (Privatankläger). Auf das Strafverfahren ist § 56 Abs. 2 bis 4 des Verwaltungsstrafgesetzes anzuwenden (§ 160 Abs. 3 leg. cit.).
Gemäß § 56 Abs. 2 VStG ist der Privatankläger Partei im Sinne des AVG. Er kann jederzeit von der Verfolgung zurücktreten. Leistet er einer Ladung ungerechtfertigt keine Folge oder kommt er einem sonstigen das Verfahren betreffenden Auftrag der Behörde innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so wird angenommen, daß er von der Verfolgung zurückgetreten ist. In diesen Fällen ist das Verfahren einzustellen. Nach § 56 Abs. 3 VStG steht dem Privatankläger gegen die Einstellung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. Widerruft der Privatankläger den Strafantrag nach Fällung des Straferkenntnisses, so kann die Berufungsbehörde die verhängte Strafe in eine mildere Strafe umwandeln oder ganz nachsehen, auch wenn die Berufungsfrist bereits verstrichen ist (Abs. 4 leg. cit.).
Im vorliegenden Fall wurde das Verwaltungsstrafverfahren aufgrund eines an den Magistrat der Stadt Z gerichteten Strafantrages des Angestelltenbetriebsrates vom 19. November 1992 eingeleitet, der "die zuständige Verwaltungsbehörde ersucht, ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten und durchzuführen". Eine natürliche Person, gegen die der Verfolgungsantrag gerichtet wurde enthält das Schreiben nicht. Nach Abtretung des Verfahrens an die Bezirkshauptmannschaft X wurde nach amtswegigen Ermittlungen Manfred M. als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher unter Bekanntgabe des Tatvorwurfs zur Rechtfertigung aufgefordert. Mit Schreiben vom 11. Februar 1993 an die Strafbehörde erster Instanz stellte der Betriebsrat fest, daß es nicht zielführend sein könne, Manfred M. verantwortlich zu machen, weil es der Hausleitung untersagt worden sei, diese Anforderungen, die sich aus dem ArbVG ergäben, zu erfüllen. Der Betriebsrat bitte daher, andere - namentlich genannte - Personen zur Verantwortung zu ziehen, die diese Arbeitsanweisung weitergegeben haben. Ohne auf diesen Antrag einzugehen, wurde das Strafverfahren in der Folge gegen den Beschwerdeführer als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen durchgeführt.
Die Regelung des § 160 Abs. 2 ArbVG normiert für die in Abs. 1 leg. cit. genannten Übertretungen eine Ausnahme vom Grundsatz der Amtswegigkeit der Strafverfolgung (vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. II, Anm. 1 zu § 56 VStG). Demanch sind die Straftaten nur zu verfolgen und zu bestrafen, wenn der PrivatanklageBERECHTIGTE innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis von der Übertretung und der Person des Täters, bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einen Strafantrag stellt (vgl. Floretta-Strasser, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, S. 1013).
Der Beschwerdeführer ist daher damit im Recht, daß dem vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren kein tauglicher, nämlich gegen ihn gerichteter Verfolgungsantrag zugrundeliegt. Daran vermag auch der von der belangten Behörde in der Gegenschrift geäußerte Umstand nichts zu ändern, daß die unklare Abgrenzung des Verantwortungsbereiches und die gesellschaftsrechtliche Konstruktion der genannten juristischen Person für den Betriebsrat nicht ohne weiteres durchschaubar waren, sodaß diese Frage von Amts wegen habe geklärt werden müssen. Dem Verwaltungsstrafakt ist nicht zu entnehmen, daß der Betriebsrat nach Kenntnis der Person des verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen (erst von diesem Zeitpunkt an beginnt die sechswöchige Frist zu laufen - arg. "... und der Person des Täters"), einen gegen den Beschwerdeführer gerichteten Strafantrag gestellt hätte, sodaß der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet ist und gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993020240.X00Im RIS seit
11.07.2001