Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 18. Februar 1994, Zl. Senat-MD-93-617, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache nach der StVO 1960 und dem KFG 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.333,32 und der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 4.166,67 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 18. Mai 1993 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, zwei Übertretungen der StVO 1960 und eine Übertretung des KFG 1967 begangen zu haben. Am 17. Juni 1993 langte bei der Erstbehörde ein mit 14. Juni 1993 datiertes, am 16. Juni 1993 zur Post gegebenes Schreiben ein, in dem der Beschwerdeführer eine Berufung gegen ein Straferkenntnis ohne Angabe des Datums und der Geschäftszahl, aber unter Anführung einer DVR-Nummer und eines KFZ-Kennzeichens erhob. Darin bestritt er die Begehung der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen und beantragte die Aufhebung des Straferkenntnisses sowie die Herabsetzung der Strafe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unzulässig zurückgewiesen, weil sie das mit ihr bekämpfte Straferkenntnis nicht nach Datum und Geschäftszahl im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG bezeichnete. Die Angabe der DVR-Nummer und des Zulassungskennzeichens seien keine ausreichenden Zuordnungskriterien.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung u.a. den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet. Diese Bestimmung ist nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden.
Die mangelhafte Bezeichnung des mit Berufung bekämpften Bescheides stellt jedenfalls dann keinen bloß verbesserbaren Formmangel, sondern einen inhaltlichen Mangel der Berufung dar, wenn der Behörde die Feststellung unmöglich ist, um welchen Bescheid es sich bei den mit Berufung bekämpften handelt. Sie ist in diesem Zusammenhang nicht verpflichtet, weitwendige Ermittlungen zu pflegen und auf Grund gedanklicher Rückschlüsse Versuche anzustellen, den Bescheid zu konkretisieren. Ist es ungeachtet einer mangelhaften Bezeichnung für die Behörde ein leichtes, den bekämpften Bescheid festzustellen, so hat sie derartige geringfügige Ermittlungsschritte zu setzen. Erst dann, wenn solche geringfügigen Ermittlungsschritte erfolglos bleiben, weil die vom Berufungswerber gemachten Angaben allzu mangelhaft sind, wird eine Zurückweisung der Berufung in Betracht gezogen werden können; ein bloß verbesserbarer Formmangel läge diesfalls nicht vor (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 1993, Zl. 92/03/0268, und vom 24. Februar 1993, Zl. 92/02/0255). Bei mit Hilfe der ADV erstellten Bescheidausfertigungen wird dann der Name des Berufungswerbers genügen, wenn in der in Betracht zu ziehenden Zeit vor der Einbringung der Berufung nur ein Bescheid (Straferkenntnis) an die betreffende Person ergangen ist.
Daraus folgt für den vorliegenden Beschwerdefall, daß die Erstbehörde leicht feststellen konnte, daß es sich bei dem mit Berufung bekämpften Straferkenntnis um jenes vom 18. Mai 1993 handeln mußte. Dementsprechend findet sich auch im vorgelegten Verwaltungsstrafakt auf der Berufung ein mit 18. Juni 1993 datierter Vermerk, den Akt mit jener Geschäftszahl anzuschließen, der der des in Rede stehenden Straferkenntnisses entspricht. Auch für die belangte Behörde bestand offenbar kein Zweifel, gegen welchen Bescheid sich die Berufung richtete, gab sie doch im Kopf des angefochtenen Bescheides als Gegenstand des Berufungsverfahrens die vom Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 18. Mai 1993 mit der zutreffenden Geschäftszahl an.
Die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift erwähnten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vermögen ihren Standpunkt nicht zu stützen. Mit dem Erkenntnis vom 16. März 1978, Zl. 926/77 (Slg. Nr. 9506/A) wurde die Zurückweisung einer Berufung wegen Fehlens der Angabe von Datum und Geschäftszahl der belangten Behörde als rechtswidrig aufgehoben, weil nach dem Inhalt der Berufung für die belangte Behörde kein Zweifel über das angefochtene Substrat bestand; dies zu einer Zeit, in der die Anwendung von ADV keineswegs üblich und verbreitet war. Im Erkenntnis vom 12. Dezember 1992, Zlen. 92/03/0237, 0245, ging es hingegen darum, daß in einer bei der Berufungsbehörde eingebrachten Berufung die Erstbehörde nicht bezeichnet war.
Es entsprach daher nicht dem Gesetz, die Berufung wegen Fehlens der Bezeichnung des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 63 Abs. 2 AVG zurückzuweisen. Der angefochtene Bescheid war wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Verbesserungsauftrag Ausschluß BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994020296.X00Im RIS seit
11.07.2001