TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/29 94/05/0100

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Veröffentlicht am 29.11.1994
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §100 Abs2;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §97 Abs1 Z8;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der M und sieben weiterer Beschwerdeführer, alle vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 1. März 1994, Zl. R/1-V-92172/00, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) J in K, 2) Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer gemeinsam haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. August 1991 wurde der erstmitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unter Vorschreibung mehrerer Auflagen die baubehördliche Bewilligung "zum Neubau eines Wirtschaftsgebäudes" auf dem Grundstück Nr. 54 erteilt. Zu den von den Beschwerdeführern im Hinblick auf die beabsichtigte Hühner- und Schweinehaltung erhobenen Einwendungen wurde in der Begründung dieses Bescheides zusammenfassend im wesentlichen darauf hingewiesen, daß die Einwendungen "nicht geeignet" seien, "die auf medizinisches, agrartechnisches und lärmtechnisches Fachwissen gestützten Gutachten zu entkräften".

Dieser erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid wurde auf Grund der dagegen eingebrachten Berufung der Beschwerdeführer mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. August 1982 gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufgehoben und ausgesprochen, daß "keine Bewilligung zum Neubau eines Wirtschaftsgebäudes" auf dem erwähnten Grundstück erteilt wird. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die vom mitbeteiligten Bauwerber vorgelegten Pläne aus den in der Folge noch zu behandelnden Gründen "einer detaillierten Ergänzung bedürfen".

Der gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachten Vorstellung des mitbeteiligten Bauwerbers wurde mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 1. März 1994 Folge gegeben, der erwähnte Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diesen zurückverwiesen.

Die Aufsichtsbehörde ging entsprechend der Begründung ihres Bescheides davon aus, die Berufungsbehörde habe richtig erkannt, daß die vom Bauwerber vorgelegten Austauschpläne nicht ausreichten, um eine Aussage darüber zu treffen, ob die zu erwartenden Geruchsbelästigungen das örtlich zumutbare Maß übersteigen. Im Hinblick auf die Regelung des § 13 Abs. 3 AVG hätte die Berufungsbehörde das Bauansuchen daher nicht abweisen, sondern den Bauwerber mittels eines Verbesserungsauftrages auffordern müssen, die Einreichpläne entsprechend den Forderungen des agrartechnischen Sachverständigen zu ergänzen und zu konkretisieren, um sodann eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Projektes treffen zu können. Dadurch, daß die Berufungsbehörde, ohne eine Konkretisierung des Projektes zu verlangen, mit einer Versagung der Baubewilligung vorgegangen sei, sei das Verfahren mangelhaft geblieben und es könne nicht ausgeschlossen werden, daß bei Vermeidung dieses Mangels - in Anbetracht der Widmung Bauland-Agrargebiet - eine für den Bauwerber günstigere Entscheidung hätte ergehen können.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die erstmitbeteiligte Partei erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1985, Slg. Nr. 11.795/A, ausgesprochen, daß ein Nachbar im Rahmen des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens einen Rechtsanspruch darauf besitzt, daß im Falle einer Verletzung seiner - von der Baubehörde wahrzunehmenden - Rechte eine Bewilligung nicht erteilt wird, und daß auch die Behebung eines das Bauansuchen abweisenden erstinstanzlichen Bescheides eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Nachbarn darstellt. Im Beschwerdefall wurde zwar nicht ein das Bauansuchen abweisender erstinstanzlicher Bescheid durch die Berufungsbehörde aufgehoben, sondern auf Grund der Vorstellung des mitbeteiligten Bauwerbers der die Baubewilligung versagende Bescheid der Berufungsbehörde von der belangten Aufsichtsbehörde behoben, doch hat dies zur Folge, daß auf Grund des angefochtenen Bescheides über die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Baubewilligungsbescheid der Behörde erster Instanz nochmals entschieden werden muß. Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, daß die Rechtsstellung der Beschwerdeführer verschlechtert wäre und sie daher in ihren Rechten verletzt wären, wenn die belangte Behörde den das Bauansuchen des mitbeteiligten Bauwerbers abweisenden Berufungsbescheid zu Unrecht aufgehoben hätte. Die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführer ist daher gegeben und die Beschwerde daher - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht zurückzuweisen.

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Formgebrechen schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen mit der Wirkung aufzutragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Zufolge § 97 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976 haben die Baupläne alle Angaben zu enthalten, die für die baupolizeiliche Beurteilung des Vorhabens notwendig sind. Dazu gehören zufolge Z. 8 dieser Gesetzesstelle insbesondere die Darstellung der Anlagen für die Sammlung, Ableitung und Beseitigung der Abwässer und des Mülls.

Die Berufungsbehörde hat in der Begründung ihres Bescheides die Auffassung vertreten, im agrartechnischen Gutachten zu dem während des Berufungsverfahrens vorgelegten Auswechslungsplan sei festgestellt worden, "daß es sich bezüglich des Stallunterbaues (entscheidend für das Mistsystem) beim neuen Plan schlichtweg um eine Kopie des alten Einreichplanes handelt. Es ist nach wie vor eine Längstrogaufstallung mit Teilspaltenboden und darunterliegendem Kanal dargestellt, wie es für Flüssigentmistungen typisch ist. Auf ein Festmistsystem weist lediglich die Beschriftung "Schrapperkanal" im Einreichplan bzw. in der Baubeschreibung hin. Weiters befinden sich im Schnitt A - A sowie im Grundriß schemenhafte Andeutungen einer sogenannten Druckentmistung. Die wesentlichen Funktionsabläufe dieser Entmistung und die Detaildarstellungen über Lage und Anordnung der Entmistungsaggregate fehlen nahezu zur Gänze. Anhand der im Plan bzw. in der Baubeschreibung enthaltenen bau- u. agrartechnischen Angaben und Darstellungen kann daher nicht eindeutig nachvollziehbar von einem Festmistsystem gesprochen werden, wenngleich ein Festmistbetrieb bei dem eingezeichneten Stallunterbau aus technischer Sicht auch nicht ausgeschlossen werden kann. Mit anderen Worten bedeutet dies, daß beim geplanten Stallaufbau ein Festmistsystem zwar möglich ist, aber nach den vorgelegten Unterlagen hinsichtlich seiner technischen Details nicht zweifelsfrei und nachvollziehbar fixiert ist. Die Pläne bedürfen daher einer detaillierten Ergänzung im aufgezeigten Sinne".

Der Gerichtshof kann der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie unter diesen Umständen der Ansicht war, daß der mitbeteiligte Bauwerber mittels eines Verbesserungsauftrages gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufzufordern gewesen wäre, "die Einreichpläne entsprechend den Forderungen des agrartechnischen Sachverständigen zu ergänzen und zu konkretisieren, um sodann eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Projektes treffen zu können". Daraus folgt aber, daß die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt worden sind, zumal sie in der Beschwerde selbst davon ausgehen, daß die ergänzenden Ausführungen des mitbeteiligten Bauwerbers "samt vorgelegter Beilage zur Baubeschreibung im Zusammenhang mit dem Einreichplan noch immer nicht deutlich erkennen ließen, welches System der Entmistung der Bauwerber tatsächlich beabsichtigte", sodaß auch aus der für die Beschwerdeführer wesentlichen Sicht nicht abschließend beurteilt werden konnte, ob sie durch die Art der Entmistung des geplanten Stallgebäudes voraussichtlich in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt werden. Gerade dann, wenn der mitbeteiligte Bauwerber, wie die Beschwerdeführer meinen, den "mehrmaligen Möglichkeiten zur Verbesserung" des "ursprünglichen Antrages mit Desinteresse begegnet" ist, bietet § 13 Abs. 3 AVG die - auch im Interesse der Beschwerdeführer gelegene - Möglichkeit, ein Verfahren (durch Zurückweisung des Antrages) zu beenden, wenn die Partei Formgebrechen - wozu auch das Fehlen von Plänen als Beleg eines Bauansuchens gehört (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 163) - innerhalb einer bestimmten Frist nicht behebt, wobei darauf hinzuweisen ist, daß nach der Aktenlage während des bisherigen Baubewilligungsverfahrens noch kein förmlicher Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG an den mitbeteiligten Bauwerber ergangen ist. Erst nach der - erfolglosen - Erlassung eines derartigen Verbesserungsauftrages ist aber die Baubehörde zur Zurückweisung des Bauansuchens berechtigt.

Die Beschwerdeführer sind daher durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt worden, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht VorstellungInhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der VorstellungsbehördeVerbesserungsauftrag BejahungInhalt der Berufungsentscheidung KassationVerbesserungsauftrag Nichtentsprechung ZurückweisungMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Auswechslung behördlicher Aufträge und MaßnahmenVorstellung DiversesFormgebrechen behebbare Baurecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994050100.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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