Index
13 Staatsvertragsdurchführung, KriegsfolgenNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Entscheidungen des Feststellungssenates der Bundesverteilungskommission beim BMF über das Bestehen angemeldeter Entschädigungsansprüche bzw die Höhe der diese Ansprüche begründenden Verluste aufgrund des VerteilungsG DDR; keine Bedenken gegen die die Ermittlung der Höhe des Verlustes von Grundvermögen regelnde Bestimmung im VerteilungsG DDR; Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung der einen Interventionsverzicht enthaltenden Bestimmung des Vermögensvertrages DDR mangels Eingriff in die Rechtssphäre der AntragstellerSpruch
1. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Der auf Art140 und 140a B-VG gestützte Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Feststellungssenat der Bundesverteilungskommission beim Bundesministerium für Finanzen (im folgenden kurz: Feststellungssenat) stellte mit Bescheid vom 1. Oktober 1991 gemäß §24 des Verteilungsgesetzes DDR, BGBl. 189/1988, fest, daß der von der Einschreiterin nach §20 leg.cit. angemeldete Entschädigungsanspruch (betreffend den Verlust von Grundvermögen in der ehemaligen DDR) zu Recht bestehe und der den Anspruch begründende Verlust nach den §§10 bis 18 leg.cit. S 1,760.246,25 betrage.
2.a) Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Staatsvertrages behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird (B1364/91).
Die Einschreiterin meint, daß der heutige Verkehrswert der seinerzeit enteigneten Liegenschaft in Berlin ein Vielfaches des vom Feststellungssenat angenommenen Vermögensverlustes betrage. Sie befürchtet, der Vermögensvertrag DDR, BGBl. 188/1988, nehme ihr für den österreichischen und deutschen Rechtskreis die Möglichkeit, ihre Ansprüche auf volle Entschädigung oder Naturalrestitution durchzusetzen.
b) Der Feststellungssenat erstattete eine Gegenschrift, in der er begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.a) Mit demselben Schriftsatz beantragt die Einschreiterin, gemäß Art140a iVm Art140 (Abs1 letzter Satz) B-VG kostenpflichtig zu erkennen, daß Art7 des Vermögensvertrages DDR verfassungswidrig ist; dies mit der Rechtsfolge, daß diese Vertragsbestimmung vom Tag der Kundmachung des Erkenntnisses an von den zu ihrer Vollziehung berufenen Organen nicht anzuwenden ist (G336/91).
b) Die Bundesregierung erstattete hiezu eine Äußerung, in der sie begehrt, den Antrag mangels Antragslegitimation zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, daß Art7 des Vermögensvertrages DDR nicht verfassungswidrig ist (Näheres s.u. III.3.).
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.a) Der Hauptvorwurf der Einschreiterin richtet sich gegen Art7 des Vermögensvertrages DDR (dessen Wortlaut s.u. Pkt. III.2.). Diese Staatsvertragsbestimmung sei im gegenständlichen Fall präjudiziell; sie sei verfassungswidrig.
Diese Behauptung ist durch die Begründung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom heutigen Tag, B1395/90 u.a. Zlen. (von dem eine Ausfertigung beiliegt), widerlegt. Diese Entscheidung weist nach, daß der Vermögensvertrag DDR in Beschwerdefällen wie dem vorliegenden nicht präjudiziell ist.
Außerdem ist daraus abzuleiten, daß gegen die den angefochtenen Bescheid tatsächlich tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Der Verfassungsgerichshof hat sich dabei auch auf das (der Beschwerdeführerin bereits bekannte) Erkenntnis vom 5. März 1992, G300-307/91 gestützt.
b) Die Einschreiterin deutet noch ein weiteres Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des VerteilungsG DDR an, das in den soeben zitierten Erkenntnissen nicht behandelt wird. Sie bringt nämlich vor, daß der tatsächliche Verkehrswert der seinerzeit enteigneten Liegenschaft weit über dem nach den Bestimmungen des VerteilungsG DDR maßgebenden Wert liege. Sie bezieht sich damit anscheinend auf §13 Abs1 und 2 VerteilungsG DDR, der (unter anderem) die Ermittlung der Höhe des Verlustes von Grundvermögen regelt.
Diese Bestimmung lautet:
"§13. (1) Für die Ermittlung der Höhe des Verlustes von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und von Grundvermögen ist von den in der Deutschen Demokratischen Republik entweder zum 31. Dezember 1979 oder zum Zeitpunkt einer Maßnahme festgestellten Zeitwerten in Mark auszugehen.
(2) Die Zeitwerte sind mit dem Faktor 3,75 zu vervielfachen. Der so ermittelte, auf Mark lautende Wert ist in der Weise in österreichische Schilling umzurechnen, daß eine Mark sieben Schilling entspricht."
Der Verfassungsgerichtshof hat auch hinsichtlich dieser Bestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken:
Das VerteilungsG DDR dient dazu, den mit der DDR im Vermögensvertrag DDR völkerrechtlich vereinbarten Globalentschädigungsbetrag innerstaatlich zu verteilen. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des VerteilungsG DDR (349 BlgNR 17. GP, S 9 f.) besagen zu §13, daß als Grundlage für die Bewertung des Verlustes von unter staatlicher Verwaltung stehendem Liegenschaftsvermögen bei den Verhandlungen für die Errechnung der Globalentschädigung die von der DDR per 31. Dezember 1979 ermittelten Zeitwerte herangezogen worden seien; diese Zeitwerte würden die Preisbasis zum 8. Mai 1945 widerspiegeln; um für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (21. August 1987) zu einem vertretbaren Entschädigungswert zu gelangen, seien die zum 8. Mai 1945 "eingefrorenen" DDR-Werte mit dem Vervielfacher 3,75 valorisiert worden.
Wenn diese den Verhandlungen zugrundegelegten Berechnungen in das innerstaatliche Verteilungsgesetz einflossen, kann dies nicht als unsachlich bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang ist auf das Erkenntnis VfSlg. 9290/1981, S 383, zu verweisen, wonach den Staat gegenüber seinen Bürgern bei Verträgen über die Entschädigung für Konfiskationsmaßnahmen völkerrechtlich keine Schutzpflicht dermaßen trifft, daß er zur Erreichung eines bestimmten Erfolges verpflichtet wäre.
Im übrigen ist auf das beiliegende Erkenntnis B1395/90 u.a. Zlen., Pkt. III.1.b.bb, zu verweisen, wonach es sich bei dem im Vermögensvertrag DDR vereinbarten Globalbetrag um keine Entschädigung für die erlittenen Vermögensverluste handelt und die Rechtsansprüche der Betroffenen - sofern sie nach deutschem Recht bestehen - aufrecht bleiben.
c) Die Einschreiterin wurde also durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt.
2. Soweit sie die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend macht, führt sie dies weitestgehend auf die - soeben widerlegte - Ansicht zurück, bestimmte Rechtsvorschriften seien verfassungswidrig.
Zur Behauptung, im Eigentumsrecht verletzt worden zu sein, ist die Einschreiterin auf die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 6695/1972, 8786/1980, 9291/1981) hinzuweisen, wonach es sich bei Ansprüchen auf Entschädigung nach den Verteilungsgesetzen (Entschädigungsgesetzen) um solche öffentlich-rechtlicher Natur handelt, sodaß schon deshalb ein Eingriff in das Eigentumsrecht ausgeschlossen ist (siehe hiezu das beiliegende Erkenntnis B1395/90 u.a. Zlen.).
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Einschreiterin sonst in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über den auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Art7 des Vermögensvertrages DDR gerichteten Individualantrag erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art140a Abs1 B-VG über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen. Dabei ist auf jene Staatsverträge, die - wie der gegenständliche - mit Genehmigung des Nationalrates gemäß Art50 B-VG abgeschlossen wurden, der Art140 B-VG mit der Maßgabe anzuwenden, daß Staatsverträge, deren Verfassungswidrigkeit der Verfassungsgerichtshof feststellt, von den zu ihrer Vollziehung berufenen Organen nicht anzuwenden sind. Dem (auf solche Staatsverträge u.a. anzuwendenden) Art140 Abs1 letzter Satz B-VG - betreffend die sogenannten Individualanträge - zufolge ist grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz (hier: der Staatsvertrag) in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift (vgl. zB VfSlg. 8009/1977, 10353/1985).
2. Der angefochtene Art7 des Vermögensvertrages DDR lautet:
"Mit vollständiger Bezahlung des in Artikel 1 festgesetzten Betrages sind alle in den Artikeln 1 und 2 genannten vermögensrechtlichen Ansprüche endgültig erledigt. Keiner der beiden Vertragsstaaten wird nach Inkrafttreten dieses Vertrages Ansprüche, die durch diesen Vertrag geregelt sind, gegenüber dem anderen Vertragsstaat erheben oder in irgendeiner Art unterstützen."
Zum übrigen Inhalt dieses Staatsvertrages wird auf das beiliegende Erkenntnis vom heutigen Tag, B1395/90 u.a. Zlen., Pkt. II.1., hingewiesen.
3. Die Bundesregierung bestreitet die Antragslegitimation der Einschreiterin u.a. mit folgender Argumentation:
" . . .
Der Wortlaut des in Rede stehenden Artikel 7 legt nahe, daß mit der getroffenen Vereinbarung nicht über den Rechtsanspruch Privater verfügt werden sollte, sondern daß lediglich völkerrechtliche Ansprüche auf der Ebene der Vertragsstaaten erfaßt werden sollten. Verzichtet wurde somit auf das Recht des Staates, zum Schutz seiner Staatsangehörigen Ansprüche gegen einen anderen Staat zu erheben (. . .). Daß Art7 leg.cit. lediglich Regelungen von Ansprüchen zwischen den Vertragsstaaten betrifft, ergibt sich vor allem aus dem zweiten Satz dieses Artikels, der ausdrücklich auf Ansprüche des jeweiligen Vertragsstaates abstellt. Mit dem Wort 'erledigt' im ersten Satz dieses Artikels sollte nur das zum Ausdruck gebracht werden, was der zweite Satz in der Folge verdeutlicht."
4. Die Bundesregierung ist mit ihrer Meinung im Recht.
a) Mit dem Vermögensvertrag DDR machte die Republik Österreich - nach Maßgabe der damaligen Verhältnisse - von ihrer völkerrechtlichen Ermächtigung Gebrauch, von einem anderen Staat (hier der DDR) einen Ausgleich jenes Schadens zu erwirken, den österreichische Staatsbürger durch völkerrechtswidriges Verhalten des anderen Staates (etwa durch entschädigungslose Enteignung österreichischer Staatsbürger) erlitten hatten. Durch Abschluß des völkerrechtlichen Vertrages entsteht ein auf Völkerrecht beruhender Anspruch des Staates auf Bezahlung eines globalen Entschädigungsbetrages, aber noch kein Anspruch des einzelnen auf einen Anteil an diesem Betrag. Erst durch die innerstaatliche Umsetzung, die verfassungsrechtlich geboten ist, wird auch dem einzelnen ein Rechtsanspruch eingeräumt (vgl. zB VfSlg. 7659/1975, 8422/1978, 8786/1980, 9290/1981).
Die innerstaatliche Verteilung des vereinbarten Globalbetrages erfolgt durch das VerteilungsG DDR; nur dieses berührt die Rechtssphäre der Entschädigungswerber. Auch der im Art7 des Vermögensvertrages DDR enthaltene Interventionsverzicht verpflichtet lediglich die Republik Österreich dazu, künftig keine Ansprüche, die durch den Vermögensvertrag DDR geregelt sind, mehr zu erheben oder zu unterstützen.
Die Republik Österreich hat damit aber nicht namens ihrer Staatsbürger auf irgendwelche Rechte Verzicht geleistet. Es steht diesen also nach wie vor frei, ihre allfälligen Ansprüche auf volle Entschädigung oder auf Naturalrestitution hinsichtlich der seinerzeit in der damaligen DDR entzogenen Vermögenswerte in Deutschland geltend zu machen, wenn deutsches Recht solches vorsieht.
Der Äußerung der Bundesregierung war die Ablichtung eines Protokolls über Gespräche angeschlossen, die am 26. und 27. Feber 1991 zwischen Delegationen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Behandlung völkerrechtlicher Verträge zwischen der Republik Österreich und der DDR nach Herstellung der Einheit Deutschlands stattfanden. Diese Gespräche bestätigen das obige Ergebnis. So lautet es im Protokoll auszugsweise:
"Hinsichtlich des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener vermögensrechtlicher Fragen geht die deutsche Seite davon aus, dass dieser Vertrag fortbesteht. Auch die österreichische Seite geht von einer Weitergeltung dieses Vertrages aus. In diesem Zusammenhang weist die österreichische Delegation jedoch darauf hin, dass aus dem Umstand, dass Österreich einen Vertrag mit der Deutschen Demokratischen Republik über vermögensrechtliche Fragen abgeschlossen hat, angesichts der grundlegenden Änderung der Umstände nicht geschlossen werden kann, dass Ansprüche österreichischer Staatsbürger in diesem Zusammenhang generell ausgeschlossen werden können. Die österreichische Seite geht vielmehr davon aus, dass die Bundesrepublik Deutschland Massnahmen setzen wird, um eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger gegenüber ihren eigenen Staatsangehörigen und solchen dritter Staaten zu verhindern. Weiters behält sich die österreichische Seite auch vor, für den Fall einer solchen Benachteiligung zu gegebener Zeit in Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland einzutreten.
. . .".
b) Aus all dem ist zu ersehen, daß der Vermögensvertrag DDR, insbesondere dessen Art7, nicht in die Rechtssphäre der Einschreiterin eingreift und es letzterer deshalb an der Antragslegitimation mangelt.
Der Individualantrag war daher zurückzuweisen.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Entschädigung DDR, Staatsverträge, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B1364.1991Dokumentnummer
JFT_10079375_91B01364_2_00