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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. H in M, vertreten durch NN, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. Mai 1994, Zl. BauR-011220/1-1994 Ba/Vi, betreffend einen baubehördlichen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Y, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. März 1994 wurde dem Beschwerdeführer unter Berufung auf § 61 Abs. 1 der OÖ Bauordnung 1976 der Auftrag erteilt, die auf dem Grundstück Nr. 1425/3 des Grundbuches über die Kat. Gem. Y errichtete bauliche Anlage, und zwar einen als "Gucklhupf" bezeichneten Kubus mit den Ausmaßen von ca. 4 m x 7 m, welcher aus lackierten, massiven Fichtenholzrahmen gefertigt und ohne Baubewilligung errichtet worden ist, bis 30. April 1994 zu beseitigen. Nach der Aktenlage befindet sich das erwähnte Grundstück in einem Gebiet mit der Flächenwidmung "Grünland".
Mit Bescheid der OÖ Landesregierung vom 27. Mai 1994 wurde der gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachten Vorstellung des Beschwerdeführers mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß er durch diesen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt werde.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der OÖ Bauordnung 1976 haben nachstehenden Wortlaut:
"§ 41
Bewilligungspflichtige Bauvorhaben
(1) Einer Bewilligung der Baubehörde (Baubewilligung) bedürfen:
a)
der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden;
b)
die Errichtung sonstiger Bauten über oder unter der Erde, die geeignet sind, eine erhebliche Gefahr oder eine wesentliche Belästigung für Menschen herbeizuführen; ...
...
(2) Im Sinne des Abs. 1 ist unter
a)
Bau eine bauliche Anlage, zu deren werkgerechter Herstellung fachtechnische Kenntnisse erforderlich sind,
b)
Gebäude ein überdachter Bau mit einer lichten Raumhöhe von mindestens eineinhalb Meter,
...
zu verstehen.
....
(4) Ausgenommen von der Bewilligungspflicht gemäß Abs. 1 sind:
....
c) Bauten für den vorübergehenden Bedarf von höchstens drei Wochen, soweit sie nicht Wohnzwecken dienen; bewegliche Stände, Schaubuden und ähnliche Einrichtungen auf Märkten, Ausstellungen u.dgl.; Zelte; Ausstellungsgegenstände u.dgl.; ...
...
§ 61
Bewilligungslose bauliche Anlagen
(1) Stellt die Baubehörde fest, daß eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, so hat sie - unbeschadet der Bestimmungen des § 56 - dem Eigentümer mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist um die Baubewilligung anzusuchen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen. Die Möglichkeit, nachträglich um die Baubewilligung anzusuchen, ist dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden kann.
..."
Entsprechend der in einem Schreiben des H. Prof. Helmuth G. an das Amt der OÖ Landesregierung vom 15. November 1993 erfolgten, der gutächtlichen Äußerung des Sachverständigen des Bezirksbauamtes Gmunden vom 11. März 1994 zugrunde gelegten Beschreibung ist das in Rede stehende Objekt "ein leicht über den gewachsenen Boden gehobener, in der Höhe gestufter Kubus in den Ausmaßen von ca. 4 x 6 x 6 bzw. 7 Meter" und "wurde aus lackierten, massiven Fichtenholzrahmen gefertigt", wobei die "Haut aus 3,8 cm starken, zum Teil öffenbaren Sperrholzpaneelen darauf abgespannt" worden ist. "Zahlreiche auf- und zu-, schieb-, schwenk-, dreh- und klappbare Teile bilden ein veränderbares Volumen mit vielfältiger Licht- und Schattenwirkung und ermöglichen zahlreiche Ausblicke vom Inneren". In der erwähnten Äußerung des Sachverständigen vom 11. März 1994 wird überdies ausgeführt, "in der Besichtigung des geschlossenen Objektes von außen" stelle es sich "als ein geschlossenes kubisches Gebilde mit etwa 4 x 6 m rechteckigem Grundriß und 6 auf 7 m gestaffelter Höhe dar". Unter diesen Umständen ist dieses - offenbar begehbare - Objekt jedenfalls eine bauliche Anlage im Sinne des § 41 Abs. 2 lit. a der OÖ Bauordnung 1976, zu deren werkgerechter Herstellung fachtechnische Kenntnisse erforderlich sind, und unzweifelhaft ein Bau, welcher geeignet ist, aus statischen Gründen, also wegen der Möglichkeit des Einsturzes oder auf Grund mangelnder Kippsicherheit, eine erhebliche Gefahr für Menschen herbeizuführen. Daran vermag auch der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Umstand nichts zu ändern, daß er das Objekt "fachmännisch errichten" ließ, weshalb "keinerlei Gefahr eines Einsturzes und damit einer Verletzung von Personen besteht", weil es in diesem Zusammenhang entsprechend der wiedergegebenen Rechtslage darauf ankommt, daß eine bauliche Anlage (grundsätzlich) GEEIGNET ist, eine erhebliche Gefahr für Menschen herbeizuführen. Die in Rede stehende bauliche Anlage bedarf daher jedenfalls im Hinblick auf die Vorschrift des § 41 Abs. 1 lit. b leg. cit. einer Baubewilligung, weshalb nicht mehr zu untersuchen ist, ob eine derartige Bewilligungsbedürftigkeit im Hinblick auf die allfällige Gebäudeeigenschaft dieser baulichen Anlage auch nach lit. a dieser Gesetzesstelle besteht.
Eine Ausnahme von der Bewilligungspflicht im Sinne des § 41 Abs. 4 lit. c leg. cit. hat die belangte Behörde mit Recht nicht angenommen, weil eine systematische Interpretation dieser vorstehend bereits wiedergegebenen Ausnahmeregelung zu dem Ergebnis führt, daß nur für solche Objekte keine Baubewilligung erforderlich sein soll, welche, abgesehen von den Bauten für den vorübergehenden Bedarf von höchstens drei Wochen, im Zusammenhang mit Märkten, Ausstellungen u.dgl., also nur für die Dauer derartiger Veranstaltungen aufgestellt werden. Die in Rede stehende bauliche Anlage ist kein "Gegenstand", der im Rahmen einer zeitlich begrenzten Ausstellung präsentiert werden soll. Daß sie, wie der Beschwerdeführer meint, "nur am derzeitigen Standort" ihren "künstlerischen Zweck erfüllen kann", vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.
Der Beschwerdeführer ist der Meinung, daß es sich bei dem vom Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde unterfertigten, nicht als Bescheid bezeichneten Schreiben vom 22. Juni 1993 ("Auf dem Grundstück 1425/3, Gemeinde Y, wird ein, laut beiliegenden Plankopien künstlerisch gestaltetes Funktionsobjekt (Skulptur) von Herrn Dipl.-Ing. H aufgestellt und im Rahmen der Ausstellung "Festival der Regionen" vom 17. 9. 1993 - 26. 9. 1993 öffentlich präsentiert. Der Bürgermeister der Gemeinde Y ist mit der Aufstellung dieses Funktionsobjektes einverstanden und versichert, diese durch öffentliche Bekanntmachung zu unterstützen.") um einen Bescheid handle, mit welchem der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz die Aufstellung des Objektes "als Baubehörde gebilligt und genehmigt" habe.
Dieser Ansicht ist schon die belangte Behörde mit Recht nicht gefolgt, weil zwar das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich ist, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung enthält, doch kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend über eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A). Abgesehen davon, daß der erwähnte Verwaltungsakt nicht an eine bestimmte Person gerichtet worden ist, kann ihm auch nicht entnommen werden, daß der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde damit in einer Bauangelegenheit rechtsgestaltend, also im Sinne der Erteilung einer Baubewilligung, entscheiden wollte. Im übrigen hat der Beschwerdeführer nach der Aktenlage kein den Erfordernissen des § 43 Abs. 1 der OÖ Bauordnung 1976 entsprechendes Bauansuchen eingebracht.
Für die in Rede stehende bauliche Anlage ist also keine Baubewilligung erteilt worden, und es war dem Beschwerdeführer auch nicht die im § 61 Abs. 1 leg. cit. vorgesehene Möglichkeit einzuräumen, nachträglich um die Baubewilligung anzusuchen, weil eine solche für den im (reinen) "Grünland" errichteten Bau wegen - unbestrittener - Widmungswidrigkeit nicht erteilt werden kann.
Im übrigen ist im Hinblick auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen darauf hinzuweisen, daß ein baupolizeilicher Entfernungsauftrag gemäß § 61 Abs. 1 der OÖ Bauordnung 1976 an den Eigentümer zu richten ist, woraus sich nicht ergibt, daß der Grundeigentümer Adressat des Auftrages sein muß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Zl. 93/05/0283). Es ist daher unerheblich, daß der Beschwerdeführer nicht Grundeigentümer ist. Anhaltspunkte dafür, daß er auch nicht Eigentümer der baulichen Anlage ist, haben sich während des Verwaltungsverfahrens nicht ergeben, zumal der Beschwerdeführer nie bestritten hat, Eigentümer der in Rede stehenden baulichen Anlage zu sein. Sollte das Vorbringen des Beschwerdeführers in diesem Sinne zu verstehen sein, so stünde einer Erörterung dieser Frage das aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entgegen.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Unterlassung der Beiziehung des Beschwerdeführers zu dem während des Berufungsverfahrens durchgeführten Lokalaugenschein des Sachverständigen keinen im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlichen, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führenden Verfahrensmangel darstellt, weil die Zuziehung von Beteiligten zur mittelbaren Beweisaufnahme (§ 55 Abs. 1 AVG) nicht vorgeschrieben, sondern die Behörde lediglich verhalten ist, den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., auf S. 330 unter Z. 14 zitierte hg. Judikatur). Das Parteiengehör wurde eingeräumt, wobei dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstand, im Falle seiner Teilnahme an der Beweisaufnahme hätte "der Amtssachverständige die Funktionsplastik auch von innen besichtigen können und sein Befund hätte somit auch die Funktionsweise des "Gucklhupf" beinhaltet", keine entscheidende Bedeutung zukommt, weil auch ohne Besichtigung des Inneren des in Rede stehenden Objektes auf Grund der unbestritten gebliebenen, vorstehend wiedergegebenen Beschreibung desselben keine Zweifel an seiner Eigenschaft als genehmigungspflichtiger Bau im Sinne des § 41 Abs. 2 lit. a der OÖ Bauordnung 1976 bestehen.
Da der erwähnte Beseitigungsauftrag sohin zu Recht ergangen ist, erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenBeweismittel SachverständigenbeweisParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994050176.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
04.12.2012