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25/01 Strafprozess;Norm
StPO 1975 §188 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des A in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Innsbruck vom 9. August 1993, Zl. Jv 6796-16 C/93, betreffend Ordnungswidrigkeiten gemäß § 107 Abs. 1 Z. 9 und 10, Abs. 2 und 3 StVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Anstaltsleiters des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Innsbruck vom 14. Juni 1993 wurden über den Beschwerdeführer wegen vorsätzlich begangener Ordnungswidrigkeiten mehrere Ordnungsstrafen verhängt und zwar im einzelnen gemäß § 107 Abs. 2 in Verbindung mit § 109 Z. 4 und 5 sowie den §§ 113 und 114 Abs. 2 StVG eine Geldbuße in Höhe von S 112,80 und strenger Hausarrest in der Dauer von zwei Tagen - weil er am 27. März 1993 einen Schaden am Anstaltsgut (nämlich einer Glasscheibe) herbeigeführt habe - gemäß § 107 Abs. 3 in Verbindung mit § 109 Z. 5 und § 114 Abs. 2 StVG strenger Hausarrest in der Dauer von fünf Tagen - weil er am 5. April 1993 versucht habe, eine anstaltseigene Trainingshantel zu stehlen - gemäß § 107 Abs. 1 Z. 10 in Verbindung mit § 109 Z. 5 und § 114 Abs. 2 StVG strenger Hausarrest in der Dauer von vier Tagen sowie weiteren vier Tagen - weil er sowohl am 5. April 1993 als auch am 21. Mai 1993 den jeweiligen Anordnungen, die Hantel zurückzugeben bzw. mit dem Lift in die Abteilung III mitzufahren, nicht Folge geleistet habe - und gemäß § 107 Abs. 1 Z. 9 in Verbindung mit § 109 Z. 5 und § 114 Abs. 2 StVG strenger Hausarrest in der Dauer von vier Tagen - weil er sich gegenüber einer im Strafvollzug tätigen Person durch Anschreien ungebührlich benommen habe - wobei die Ordnungsstrafe des strengen Hausarrestes jeweils verbunden mit dem Entzug der Arbeit und der Beschränkung der künstlichen Beleuchtung verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer an die belangte Behörde Beschwerde, in der er im wesentlichen vorbrachte, die bereits beschädigt gewesene Glasscheibe habe er bloß unabsichtlich und überdies nur teilweise eingeschlagen. Ein Ersatzbetrag hätte ihm daher nur für den beschädigten Teil der Glasscheibe auferlegt werden dürfen. Am 5. April 1993 habe er nicht versucht, "etwas zu stehlen". Die am Boden im Büro des Krankenhauses gelegene Hantel habe er aufgehoben und dem Beamten W erklärt, daß er über ärztliches Anraten wegen seines "kaputten Armes" mit einer Hantel arbeiten solle. Der Anordnung, diese Hantel zurückzulegen, habe er nicht Folge geleistet. Daraufhin habe ihm der Beamte den verletzten linken Arm auf den Rücken gebogen, sodaß er vor Schmerzen geschrieen habe. Er habe wohl "ein lautes Mundwerk", strafbar habe er sich aber sicher nicht gemacht. Am 21. Mai 1993 habe er dem Beamten S erklärt, er könne wegen seiner Ohren nicht mit dem Lastenaufzug fahren. Daraufhin sei er "abgesondert" worden. Er sei in Untersuchungshaft und den ganzen Tag ohne Arbeit auf "einigen Quadratmetern eingeschlossen". Das Gericht müsse einsehen, daß "man da ein wenig gereizt ist". Hinsichtlich der Nichtbefolgung der Anordnung, die Hantel zurückzugeben, ersuchte der Beschwerdeführer, eine bedingte Strafe zu verhängen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Beschwerde keine Folge gegeben. In ihrer Begründung ging die belangte Behörde von dem im Straferkenntnis des Anstaltsleiters festgestellten Sachverhalt aus und erachtete die in der Beschwerde vorgebrachten Behauptungen des Beschwerdeführers als nicht stichhältig bzw. als unglaubwürdig. Den Hinweis auf die räumliche Enge und die Untätigkeit im Gefangenenhaus wertete die belangte Behörde weder als Milderungs- noch als Entschuldigungsgrund. Unter Berücksichtigung der (erkennbar gemeint: von der Erstbehörde herangezogenen) Milderungs- und Erschwerungsgründe sei die von der Erstbehörde für die begangenen Ordnungswidrigkeiten ausgesprochene Bestrafung gerechtfertigt und nicht zu beanstanden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 1. März 1994, Zl. B 1487/93-13, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, diese Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht, unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes nicht der ihm angelasteten Ordnungswidrigkeiten für schuldig erkannt und wegen dieser bestraft zu werden, verletzt. Er bringt dazu im wesentlichen vor, im angefochtenen Bescheid sei nicht ausreichend begründet worden, warum bei Beschädigung bloß eines Teiles einer zweiteiligen Scheibe beide Teile auszutauschen wären. Zum Ersatz der ganzen Scheibe hätte er daher in keinem Fall verpflichtet werden dürfen. Auf seine Rechtfertigung, warum er die Hantel benötigt habe, sei nicht entsprechend eingegangen worden. Wäre eine Untersuchung durch den Anstaltsarzt vorgenommen worden, hätten die Therapienotwendigkeit (der Verwendung einer Hantel) und sein Ohrleiden belegt werden können. Da die belangte Behörde eine derartige Untersuchung, die er zu seiner Rechtfertigung angeboten habe, unterlassen habe, sei das Verfahren mangelhaft geblieben. Sein Verhalten sei zweifelsfrei auf die unmenschlichen Haftbedingungen und seine damit verbundene nervliche Überreizung zurückzuführen. Zudem habe er sich nicht in einem besonders guten gesundheitlichen Zustand befunden. Für die ihm zur Last gelegten Ordnungswidrigkeiten hätte er mit einer milderen Strafe, insbesonders nur mit einem Verweis oder den in § 109 Z. 2 und 3 StVG genannten Sanktionen bestraft werden dürfen. Selbst bei Verhängung von schwerem Hausarrest wäre die Anwendung des § 116 Abs. 6 StVG gerechtfertigt gewesen.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen und eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen.
Vorauszuschicken ist, daß der zehnte Unterabschnitt (Ordnungswidrigkeiten) des StVG auf Untersuchungshäftlinge (nur ergänzt um die in § 188 Abs. 3 StPO angeordnete Mitteilungspflicht an den Untersuchungsrichter) Anwendung findet (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1986, Slg. Nr. 12289/A).
Gemäß § 107 Abs. 1 Z. 10 StVG begeht eine Ordnungswidrigkeit der Strafgefangene, der vorsätzlich den allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen nach § 26 zuwiderhandelt. § 26 Abs. 1 leg. cit. bestimmt, daß die Strafgefangenen den Anordnungen der im Strafvollzug tätigen Personen Folge zu leisten habe. Sie dürfen die Befolgung von Anordnungen nur ablehnen, wenn die Anordnung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt oder die Befolgung dagegen verstoßen oder offensichtlich die Menschwürde verletzen würde.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die ihm erteilten Anordnungen - eine Hantel zurückzugeben bzw. mit dem Lift mitzufahren - nicht befolgt zu haben. Daß er diese Anordnungen aus einem der Gründe des § 26 Abs. 1 leg. cit. hätte ablehnen dürfen, kann aber den Ausführungen seiner Beschwerde nicht entnommen werden. Seine als Rechtfertigung vorgebrachten gesundheitlichen Bedenken gegen die Befolgung der Anordnung, mit dem Lift mitzufahren bzw. der hinsichtlich der Hantel angegebene Verwendungszweck vermögen - selbst wenn diese Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffen sollten - jedenfalls daran nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer den Anordnungen hätte Folge leisten müssen und seine Weigerungen daher Ordnungswidrigkeiten im Sinne des § 107 Abs. 1 Z. 10 leg. cit. dargestellt haben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. Oktober 1970, Zl. 825/70 und vom 5. November 1986, Slg. Nr. 12289/A). Da die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten gesundheitlichen Bedenken und Überlegungen somit für die Frage der Strafbarkeit seines Verhaltens rechtlich unerheblich sind, konnte die in der Beschwerde als fehlend gerügte amtsärztliche Begutachtung unterbleiben. Der insoweit behauptete Verfahrensfehler liegt daher nicht vor.
Gemäß § 107 Abs. 1 Z. 9 StVG begeht eine Ordnungswidrigkeit der Strafgefangene, der vorsätzlich sich unter anderem einer im Strafvollzuge oder sonst für die Anstalt tätigen Person gegenüber ungebührlich benimmt.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, mit dem Beamten (Inspektor W) geschrieen zu haben. Er vermag taugliche Gründe dafür, warum die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die hinsichtlich der näheren Umstände bzw. Ursachen für dieses Verhalten des Beschwerdeführers der Aussage von Inspektor W gefolgt ist, als unschlüssig angesehen werden müßte, aber nicht vorzubringen. Des weiteren vermag der Beschwerdeführer allein mit dem Vorwurf, hinsichtlich des ihm zur Last gelegten Versuchs, die Hantel zu stehlen, sei die belangte Behörde auf seine dagegen vorgebrachte Rechtfertigung zuwenig eingegangen, noch nicht aufzuzeigen, daß die im angefochtenen Bescheid dazu dargelegte Beweiswürdigung unschlüssig wäre. In Ansehung des der Bestrafung zugrunde gelegten Schuldspruches wegen der dem Beschwerdeführer angelasteten Ordnungswidrigkeiten kann der belangten Behörde daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann der vorgebrachte Umstand, die Haftbedingung hätten zu seiner "nervlichen Überreizung" geführt, nicht als Milderungsgrund gewertet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0047). In Ansehung der über ihn verhängten Geldbuße verkennt der Beschwerdeführer, daß diese im Falle der vorsätzlichen Herbeiführung eines Schadens am Anstaltsgut vorgesehene Sanktion nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des § 113 StVG bis zu einem Betrag von S 500,-- (nunmehr bis S 2.000,--; vgl. BGBl. Nr. 799/1993) verhängt werden konnte. Die ins Treffen geführte nur teilweise Beschädigung der Glasscheibe ändert aber nichts daran, daß der Beschwerdeführer vorsätzlich Anstaltsgut zerstört (beschädigt) hat und daher über ihn eine innerhalb des im § 113 leg. cit. vorgegebenen Strafrahmens auszumessende Geldbuße als Strafe zu verhängen war. Daß diese Geldbuße nach zivilrechtlichen Grundsätzen bzw. in Höhe eines allenfalls bestehenden Schadenersatzanspruches hätte bestimmt werden müssen, ist dem StVG jedoch ebensowenig zu entnehmen, wie der Beschwerdeführer auch nicht aufzuzeigen vermag, warum im Hinblick auf den zur Verfügung stehenden Strafrahmen die Verhängung einer Geldbuße von S 112,80 mit einem Ermessensfehler behaftet sein sollte.
Was schließlich den Vorwurf betrifft, der Beschwerdeführer hätte wegen der ihm zur Last gelegten Ordnungswidrigkeiten mit milderen Sanktionen bestraft werden müssen bzw. die Bestimmung des § 116 Abs. 6 StVG (bedingte Strafnachsicht unter Bestimmung einer Probezeit) hätte zur Anwendung gelangen müssen, ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, daß die belangte Behörde bei der Strafbemessung die von der Erstbehörde herangezogenen Strafzumessungsgründe übernommen hat. Da der Beschwerdeführer bereits einschlägige Ordnungsstrafen sowohl hinsichtlich der Nichtbefolgung von Anordnungen als auch hinsichtlich des ungebührlichen Benehmens erlitten hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf den somit eingetretenen Rückfall sowie das Zusammentreffen mehrerer Ordnungswidrigkeiten und die insgesamt zu beachtenden Strafzumessungsgründe die gerügte Strafbemessung nicht als rechtswidrig zu erkennen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1986, Zlen. 86/01/0147 bis 0149).
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994200291.X00Im RIS seit
05.04.2001Zuletzt aktualisiert am
29.07.2010