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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §46;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Adolf und der Margarete H, des Otto und der Ulrike L, des Karl und der Adelheid S, des Johann und der Christiane W in H, alle vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 21. Juli 1994, Zl. BauR-011169/1-1994 Stö/Lan, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. B-GmbH & Co KG in H, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, 2. Gemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 4. April 1991, Zl. 90/05/0178, verwiesen. Daraus ist für das vorliegende Verfahren bedeutsam, daß der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, daß sowohl die Gemeindebehörden als auch die Gemeindeaufsichtsbehörde zutreffend von der Parteistellung der nunmehrigen Beschwerdeführer im Verfahren betreffend die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Abbindehalle (Bescheid vom 24. Juli 1985) ausgegangen sind, die genannten Behörden aber zu Unrecht angenommen haben, daß die Beschwerdeführer mit ihren gesamten Berufungsvorbringen präkludiert seien.
Nachdem die belangte Behörde diesem Erkenntnis folgend einen Ersatzbescheid vom 25. Juni 1991 erlassen hat und auch der Gemeinderat den Berufungen der Beschwerdeführer Folge gegeben und die Baubewilligungsbescheide des Bürgermeisters sowohl vom 24. Juni 1985 (Abbindehalle) als auch vom 13. März 1989 (schalldichter Verschluß der Giebelmauer) behoben hat, erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 5. April 1993 neuerlich die Baubewilligung zum Neubau einer Abbindehalle nach Maßgabe des bei der mündlichen Verhandlung aufgelegten Bauplanes vom 10. September 1991 (mit Verschluß der Giebelmauer). Unter der Auflage 11 wurde vorgeschrieben, daß die Bauausführung nach der technischen Beschreibung der Firmen H. vom 5. März 1992 und K. vom 26. Februar 1992 zu erfolgen habe. Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden zurück- bzw. abgewiesen.
Aufgrund der dagegen erhobenen Berufungen führte die Baubehörde zweiter Instanz ein ergänzendes Ermittlungsverfahren insbesondere zur Frage der Widmungskonformität durch. Unter Bezugnahme auf zwei Vergleichsbetriebe (Zimmereien) gelangte sie zum Ergebnis, daß es sich bei einer Abbindehalle um eine Betriebstype handle, die mit der Flächenwidmung "Betriebsbaugebiet" vereinbar sei. Mit Bescheid vom 28. Dezember 1993 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 5. April 1993 keine Folge.
Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 21. Juli 1994 mit der Feststellung keine Folge, daß die Vorstellungswerber durch den Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt würden. Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsverfahrens im wesentlichen aus, es sei von der Rechtswirksamkeit der Flächenwidmung "Betriebsbaugebiet" gemäß § 16 Abs. 8 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1972 (O.ö. ROG 1972) auszugehen, die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der Einschreiter sei daher am Maßstab der Bestimmung des § 16 Abs. 8 O.ö. ROG 1972 zu messen. Im Gegensatz zur Gewerbebehörde habe die Baubehörde im Baubewilligungsverfahren zunächst die grundsätzliche typenmäßige Zulässigkeit eines Bauvorhabens nach der rechtswirksamen Flächenwidmung zu prüfen. Aufgrund der eingeholten Gutachten und der dort herangezogenen Vergleichsbetriebe habe schon der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde zutreffend davon ausgehen können, daß es sich bei der Abbindehalle zweifelsfrei um eine Betriebstype handle, die mit der Flächenwidmung "Betriebsbaugebiet" vereinbar sei. Erst nach der Beurteilung der grundsätzlichen Zulässigkeit der Betriebstype habe die Baubehörde in weiterer Folge zu prüfen gehabt, ob das konkrete Bauvorhaben so geplant sei, daß im Sinne des § 23 Abs. 2 der O.ö. Bauordnung schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden würden. Die Vorgangsweise der Baubehörden, Ergebnisse des gewerbebehördlichen Verfahrens für diese Entscheidung heranzuziehen, sei nicht rechtswidrig; es müßten nur die unterschiedlichen Aufgabenstellungen für Bau- und Gewerbebehörde beachtet werden. Im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könnten daher die Ergebnisse des Gewerbeverfahrens, soweit nicht (erst) die grundsätzliche Zulässigkeit der Betriebstype beurteilt werde, zur Frage der Auswirkungen des konkreten Betriebes im Hinblick auf die allgemeinen Erfordernisse des § 23 der O.ö. BauO herangezogen werden. Es könne keine Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführer darin erblickt werden, daß sich die (Bau)Berufungsbehörde auf Verfahrensergebnisse des rechtskräftig abgeschlossenen gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens gestützt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 46 Abs. 2 der O.ö. Bauordnung 1976 (BauO) können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind öffentlich-rechtliche Einwendungen im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechtes oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.
Das zu bebauende Gebiet ist nach dem Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde als "Betriebsbaugebiet" im Sinne des § 16 Abs. 8 des O.ö. ROG 1972 festgesetzt. Zu den Bedenken der Beschwerdeführer gegen diese Widmung sowie zur nochmals vertretenen Ansicht der Beschwerdeführer, es sei auf die Widmung ihrer Grundstücke einzugehen, wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 4. April 1991 verwiesen. Gemäß § 16 Abs. 8 O.ö. ROG 1972 sind als Betriebsbaugebiete solche Flächen vorzusehen, die zur Aufnahme von Betrieben dienen, die die Umgebung nicht erheblich und zwar insbesondere durch Lärm, Ruß, Staub, Geruch oder Erschütterungen, stören und nicht, insbesondere durch Dämpfe, Gase, Explosivstoffe oder durch Strahlung, gefährden. Bei der Ermittlung der Zulässigkeit eines Betriebes im Betriebsbaugebiet ist, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, von der Betriebstype auszugehen. Aufgrund der im ergänzenden Ermittlungsverfahren durch die Berufungsbehörde eingeholten lärmschutztechnischen Gutachten vom 26. August 1993 und vom 28. Oktober 1993 im Zusammenhang mit einem Gutachten vom 2. Februar 1993 im Zusammenhang mit den Beweisergebnissen aus dem gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren durfte die Baubehörde davon ausgehen, daß die in der Abbindehalle typischen Arbeitsvorgänge und die dort üblicherweise verwendeten Maschinen und Geräte mit der Flächenwidmung "Betriebsbaugebiet" vereinbar sind.
Den Nachbarn kommt aber nicht nur der Immissionsschutz des § 16 Abs. 8 ROG 1972 zugute, sondern sie können auch aus § 23 Abs. 2 O.ö. BauO ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 46 Abs. 3 O.ö. BauO ableiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Dezember 1993, Zl. 93/05/0196, und die dort angeführte Vorjudikatur). Die Nachbarn haben somit ein Recht darauf, daß schädliche Umwelteinwirkungen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen herbeizuführen, möglichst vermieden werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon im zuletzt genannten Erkenntnis ausgeführt hat, kann bei der Frage, ob die bauliche Anlage im Sinne des § 23 Abs. 2 O.ö. BauO in allen ihren Teilen so geplant und errichtet wird, daß schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden, nur die konkrete bauliche Anlage berücksichtigt wird. Wenn die Beschwerdeführer hier meinen, daß die Vorgangsweise der Baubehörden, Ergebnisse des gewerbebehördlichen Verfahrens für die Entscheidung im Baubewilligungsverfahren heranzuziehen, gesetzwidrig sei, so ist ihnen entgegenzuhalten, daß keine Bedenken dagegen bestehen, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens eines gewerbebehördlichen Verfahrens im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen, wenn hiebei die unterschiedlichen Aufgabenstellungen für die Bau- und Gewerbebehörde beachtet werden (vgl. zu dieser Frage etwa die hg. Erkenntnisse vom 15. Mai 1990, Zl. 89/05/0183, sowie vom 18. September 1990, Zl. 90/05/0012).
Im gewerbebehördlichen Verfahren (das im Gegensatz zu den diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführer rechtskräftig abgeschlossen worden ist, weil der Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 29. Juli 1992, Zl. 311.928/2-III/3/1992, mit dem die Berufungen der Beschwerdeführer als unzulässig zurückgewiesen wurden, nach wie vor dem Rechtsbestand angehört) wurden eingehende Lärmmessungen vorgenommen. Der medizinische Amtssachverständige hat bei der mündlichen Verhandlung am 3. April 1990 aufgrund der in dieser Verhandlung erstellten immissionstechnischen Gutachten ausgeführt, daß - nach Verschließen der Giebelmauer der Abbindehalle - der betriebsspezifische Störlärm zwischen dem Grundgeräuschpegel und dem verkehrsmäßig bedingt schwankenden Umgebungslärmpegel zu liegen kommen werde. Sowohl relativ, also im Verhältnis zum Umgebungslärm als Bezugsebene für das menschliche Ohr, als auch als absoluter Pegelwert, sei unter diesen Bedingungen eine erhebliche und nachhaltige Belästigung der Anrainer durch Störlärm nicht zu erwarten.
Dadurch, daß der medizinische Sachverständige als Kriterium eine "erhebliche Belästigung" der Anrainer als Beurteilungskriterium herangezogen und das Vorliegen einer derartigen Belästigung verneint hat, hat er auch den gemäß § 23 Abs. 2 der O.ö. BauO geforderten Maßstab der "erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen" berücksichtigt. Die Heranziehung dieses Gutachtens zur Beurteilung im Baubewilligungsverfahren war daher unbedenklich. Die Beschwerdeführer zitieren in diesem Zusammenhang einen Auszug aus dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen in der Verhandlung vom 3. April 1990, in dem dieser ausführt: "Derzeit ergibt sich somit für die Anrainer eine unzumutbare Lärmbelästigung, so beträgt der Emissionspegel für die meistexponierte Liegenschaft H laut emissionstechnischem Gutachten 72 dB". Sie sind darauf hinzuweisen, daß sich diese Ausführungen auf den Zustand bei offenem Giebel beziehen, Gegenstand der beantragten und erteilten Baubewilligung ist aber gerade die Abmauerung des Giebels.
Schließlich findet das Beschwerdevorbringen, die "technischen Baubeschreibungen" der Firmen H. vom 5. März 1992 und K. vom 26. Februar 1992 (auf diese bezieht sich die Baubewilligung vom 5. April 1993 und die darin vorgeschriebenen Auflagen) enthielten nur Preisangaben, aber keine bautechnischen Angaben, in der Aktenlage keine Deckung: So ist im Schreiben der Firma K. vom 26. Februar 1992 ausgeführt, daß die Konstruktionen mit Acrylglas 8 mm mit einem Schalldämmwert von 32 dB ausgeführt werden, im Anbot der Firma H. vom 5. März 1992 ist ebenfalls die Schalldämmzahl der Dachkonstruktion sowie der Wände angegeben.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, hinsichtlich der erstmitbeteiligten Partei im Rahmen des Kostenbegehrens.
Schlagworte
Beweismittel unzuständige BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994050239.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
07.08.2009