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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über den Antrag des N in T, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 21. März 1994, Zl. MD-VfR-B IX-16/93, betreffend eine Bauangelegenheit, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Wiedereinsetzung wird bewilligt.
Begründung
Mit hg. Beschluß vom 28. Juni 1994, Zl. 94/05/0138, wurde die gegen den erwähnten Bescheid der Bauoberbehörde für Wien eingebrachte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Versäumung der sechswöchigen Frist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG zurückgewiesen. Dieser Beschluß wurde dem Beschwerdeführer am 29. Juli 1994 zugestellt.
In der am 2. August 1994 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Eingabe beantragte der Beschwerdeführer die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen diese Fristversäumnis mit der Begründung, daß die Beschwerdefrist versäumt worden sei, weil sich die langjährige Kanzleileiterin, Vera L., "bei Eintragung der Beschwerdefrist insoferne verzählt hat, als ein Kalenderblatt mit 2 Tagen überblättert wurde, sodaß irrtümlich als letzter Tag der 19. 5. 1994 eingetragen wurde". Die Kanzleileiterin verfüge über eine langjährige Praxis bei der Eintragung von Gerichtsterminen und Behördenfristen, und es sei ihr "ein derartiges Versehen noch nicht unterlaufen".
In einer gleichzeitig vorgelegten eidesstättigen Erklärung der erwähnten Kanzleileiterin wurde ausgeführt, daß sie "seit über 16 Jahren als Kanzleileiterin für die Einhaltung von Behörden- und Gerichtsfristen verantwortlich" sei und ihr "ein derartiges Versehen und eine unrichtige Fristeintragung noch nicht unterlaufen" sei. Sie sei in der Kanzlei des Beschwerdevertreters seit 1. Jänner 1990 tätig und als Kanzleileiterin für die Eintragung und Einhaltung sämtlicher Behörden- und Gerichtsfristen sowie Termine verantwortlich. Sie nehme persönlich die Eingangspost der Anwaltskanzlei entgegen und es "werden sämtliche Gerichtstermine und Fristen von mir im Kanzleikalender vermerkt und von einem der Juristen überprüft, bzw. werden die Gerichtstermine und Fristen gemeinsam in einer Postsitzung eingetragen". Im konkreten Fall sei der Berufungsbescheid am 5. April 1994 eingegangen und sei von ihr "im Beisein eines Juristen die unrichtige Frist Donnerstag, 1994-05-19, kalendiert" worden; dies offenbar auf Grund des Umstandes, "daß ein Kalenderblatt überblättert" worden sei. Der Kanzleikalender verfüge pro aufgeschlagener Seite über zwei Kalendertage und es sei durch ein einmaliges Umblättern die Frist von ihr "anstatt Dienstag, dem 1994-05-17, unrichtig mit Donnerstag, 1994-05-19, kalendiert" worden.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Antragsteller hat in Entsprechung einer diesbezüglichen hg. Aufforderung eine beglaubigte Ablichtung des den Donnerstag, den 19. Mai 1994, betreffenden Kalenderblattes vorgelegt, aus dem sich eine auf die in Rede stehende Beschwerdesache hinweisende Eintragung ergibt. Da der Gerichtshof keinen Anlaß sieht, an der Richtigkeit der sonstigen Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag zu zweifeln, ist zwar davon auszugehen, daß die Beschwerdefrist auf Grund einer Fahrlässigkeit versäumt worden ist, aber nur ein minderer Grad des Versehens im Sinne des letzten Satzes des § 46 Abs. 1 leg. cit. vorliegt, da das Versäumnis offensichtlich nicht auf eine auffallende Sorglosigkeit zurückzuführen ist. Irrtümer und Fehler einer Kanzleiangestellten eines Rechtsanwaltes sind diesem zuzurechnen und ermöglichen jedenfalls dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz der Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht des Anwaltes bei der Kontrolle der Termin- und Fristenevidenz und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung des Kanzleiangestellten unterlaufen und eine durch die konkreten Umstände des Einzelfalles bedingte entschuldbare Fehlleistung gewesen sind (vgl. dazu den hg. Beschluß vom 20. November 1986, Zl. 86/02/0152, und die darin zitierte Vorjudikatur). Anhaltspunkte für Zweifel an der bisherigen objektiven Eignung und Bewährung der erwähnten Kanzleiangestellten sind nicht aufgetreten. Außerdem wurde eine - wenn auch offensichtlich unzureichende - Kontrolle durch den Anwalt vorgenommen.
Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, daß die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben sind, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994050199.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
15.04.2010