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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §16 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Dr. N in P, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 25. Juni 1990, Zl. 133/5-5/K-1990, betreffend die Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Mittelschullehrer und unterrichtet an einer Höheren Technischen Bundeslehranstalt die Fächer Staatsbürger- und Rechtskunde. Für die Teilnahme an zwei "pädagogischen Fortbildungsveranstaltungen" machte er in einem Lohnsteuerfreibetragsantrag für das Kalenderjahr 1988 Kosten im Gesamtbetrag von S 5.880,-- (jeweils S 2.940,--) als Werbungskosten geltend. Nach den Teilnahmebestätigungen dauerten die Veranstaltungen jeweils sechs Arbeitstage und dienten dem Ziel der beruflichen Fortbildung im Bereich der Gruppenpsychotherapie, der Sozialtherapie, der Pädagogik und der Mitarbeiterführung- und motivation. Mit der Begründung, die psychologischen Fortbildungsseminare stünden "nicht unbedingt" im Zusammenhang mit den vom Beschwerdeführer unterrichteten Fächern, lehnte das Finanzamt die Eintragung des Lohnsteuerfreibetrages ab.
In der Berufung wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß nach dem gesetzlichen Auftrag die Lehrkräfte nicht bloß Fachwissen zu vermitteln hätten, sondern eine ihrer wesentlichen Funktionen auch die Charakter- und Persönlichkeitsbildung der Jugend sei. Auch komme es nicht nur darauf an, WAS vermittelt werde, sondern auch WIE dies geschehe. Die dafür erforderlichen psychologischen Fähigkeiten und Kenntnisse könnten nicht durch ein einmaliges theoretisches Studium erworben werden, sie bedürften genauso einer permanenten Fortentwicklung wie das fachspezifische Wissen. Die beiden Seminare hätten der Erweiterung seiner pädagogischen Kompetenz gedient.
In Vorhaltsbeantwortungen gegenüber der belangten Behörde erläuterte der Beschwerdeführer zur Organisation der Seminare, daß diese von den Lehrerkolleginnen und -kollegen im wesentlichen selbst vorgenommen worden sei. Die psychologischen Seminare seien weitgehend auf dem Prinzip der Selbsterfahrung aufgebaut gewesen, es seien der Situation in den Schulklassen analoge Situationen "produziert" und das Erlebte mit Hilfe der therapeutischen Leiter analysiert worden. Daraus seien wiederum Lösungsmöglichkeiten für Problemsituationen in der pädagogischen Praxis erkenn- und erfahrbar gemacht worden. Eine von der belangten Behörde eingeholte Bestätigung des Landesschulrates (Arbeitgebers) spricht davon, daß psychologische Seminare für Pädagogen sinnvoll und nützlich und unter Umständen (z.B. zur Festigung von Persönlichkeitsstrukturen, zur Unterstützung bei Konflikten mit bestimmten Schülern) auch unbedingt notwendig seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Für die Anerkennung als Werbungskosten sei es erforderlich, daß es sich um Aufwendungen handle, ohne die die Stellung des Dienstnehmers gefährdet oder sein berufliches Fortkommen gehemmt wäre. Mögen die Seminarbesuche für die berufliche Tätigkeit auch sinnvoll und nützlich gewesen sein, so sei doch ihre Notwendigkeit zur Erfüllung der beruflichen Aufgaben des Beschwerdeführers nicht gegeben. Die bloße Nützlichkeit eines Aufwandes sei nicht ausreichend, um Werbungskosten zu begründen.
In der Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, 90/14/0215, hat der Verwaltungsgerichthof die Aufwendungen eines Lehrers - unabhängig von der von ihm unterrichteten Fächergruppe - für die Teilnahme an psychologischen Seminaren als Berufsfortbildungskosten und damit als Werbungskosten nach § 16 Abs. 1 EStG 1972 qualifiziert. Die dafür maßgebenden Erwägungen sind auch im vorliegenden Beschwerdefall entscheidungsrelevant.
Dem Abgrenzungskriterium der Notwendigkeit eines Aufwandes ist dann keine entscheidende Bedeutung beizumessen, wenn ein Aufwand seiner Art nach nur eine berufliche Veranlassung erkennen läßt. In diesem Fall müssen die Aufwendungen weder unvermeidbar noch im ausschließlichen Interesse des Arbeitgebers gelegen sein. Der Umstand, daß der Arbeitgeber die Aufwendungen nicht ersetzt, ist belanglos, wenn die Aufwendungen eindeutig und ausschließlich im Zusammenhang mit der Erzielung der jeweiligen Einnahmen stehen (vgl. die Erkenntisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1986, 84/14/0037, und vom 22. März 1991, 87/13/0074). Aufwendungen zur beruflichen Fortbildung sind nicht nur dann Werbungskosten, wenn ohne sie eine konkrete Gefahr für die berufliche Stellung oder das berufliche Fortkommen bestünde oder durch sie ein konkret abschätzbarer Einfluß auf die gegenwärtigen oder künftigen Einkünfte gegeben ist. Dem Wesen einer die Berufschancen erhaltenden oder verbessernden Berufsfortbildung entsprechend muß es vielmehr genügen, wenn die Aufwendungen an sich - auch ohne zunächst konkret erkennbare Auswirkungen auf die Einkünfte - geeignet sind, daß der Steuerpflichtige im bereits ausgeübten Beruf auf dem laufenden bleibt und den jeweiligen Anforderungen gerecht wird (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1986, 85/14/0156, vom 22. September 1987, 87/14/0078, und vom 12. April 1994, 91/14/0024).
Die im Beschwerdefall strittigen Seminare lassen diesen Fortbildungscharakter einwandfrei erkennen (homogener Teilnehmerkreis, auf Probleme des Schulalltags abgestellter Ablauf und auch vom Arbeitgeber bestätigte Berufsbezogenheit). Die belangte Behörde hat damit zu Unrecht die Anerkennung der Aufwendungen für die psychologischen Fortbildungsseminare als Werbungskosten versagt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1990140231.X00Im RIS seit
20.11.2000