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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des D in Wien, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 1. Februar 1994, Zl. MA 63 - L 373/93, betreffend Verweigerung der Ausstellung eines Taxilenkerausweises, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 1. Februar 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Oktober 1993 auf Ausstellung eines Taxilenkerausweises gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (BO 1994) ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ging in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon aus, mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien - Verkehrsamt vom 4. Dezember 1992 sei der Taxilenkerausweis des Beschwerdeführers wegen des Nichtvorliegens der Vertrauenswürdigkeit auf die Dauer von zwölf Monaten zurückgenommen worden. Dieser Bescheid sei mit Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Februar 1993 bestätigt worden. Der Mangel der Vertrauenswürdigkeit sei darin erblickt worden, daß der Beschwerdeführer bereits fünfmal strafgerichtlich verurteilt worden sei, davon dreimal wegen vorsätzlicher Körperverletzung, zuletzt wegen schwerer Sachbeschädigung. Im Zuge der aus Anlaß des nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrages erhobenen Ermittlungen sei hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer "zwischenzeitig" eine neuerliche strafgerichtliche Verurteilung erlitten habe. Er sei nämlich mit Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 19. März 1993, welches mit Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. Mai 1993 bestätigt worden sei, wegen einer am 9. November 1992 begangenen Straftat wegen des Vergehens des Diebstahls nach den § 127 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden.
Mit Recht weist der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde darauf hin, daß die in Rede stehende Straftat bereits vor Ergehen des Zurücknahmebescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 4. Dezember 1992 bzw. des Berufungsbescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Februar 1993 begangen wurde und daher bereits anläßlich der damaligen Entscheidung allenfalls durch Festsetzung eines längeren "Entziehungszeitraumes" zu berücksichtigen gewesen wäre.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr 1994, BGBl. Nr. 951/1993, ist Voraussetzung für die Ausstellung eines Taxilenkerausweises u. a., daß der Bewerber vertrauenswürdig ist. Diese Vertrauenswürdigkeit muß zumindest in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung des Ausweises nachweislich gegeben sein.
Zufolge § 13 Abs. 1 leg. cit. ist der Ausweis von Amts wegen für einen der Schwere des Einzelfalles angemessenen Zeitraum zurückzunehmen, wenn eine der im § 6 bezeichneten Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu der diesbezüglich gleichlautenden Bestimmung des § 32 Abs. 1 Z. 3 der Betriebsordnung für den linienmäßigen Personenverkehr 1986, BGBl. Nr. 163, ausgesprochen hat, soll mit dem Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit das Vorhandensein der nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften bei den im Fahrdienst verwendeten Personen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit, insbesondere in Ansehung der Sicherheit der im Rahmen des Taxigewerbes zu befördernden Personen, gewährleistet werden. Die Frage, ob eine Person vertrauenswürdig ist, ist auf Grund eines im Ermittlungsverfahren festzustellenden Gesamtverhaltens des Taxilenkers zu beurteilen. Entscheidend ist, ob das bisherige Verhalten auf ein Persönlichkeitsbild schließen läßt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde im Hinblick auf § 10 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes, BGBl. Nr. 85/1952, obliegt (vgl. das hg. Erkenntnisse vom 15. Juni 1994, Zl. 92/03/0223, und die dort zitierte hg. Vorjudikatur).
Entscheidend für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 ist im Falle der Begehung einer Straftat die Straftat selbst und nicht die deswegen erfolgte strafgerichtliche Verurteilung. Solange letztere nicht vorliegt, hat die belangte Behörde im Rahmen ihres Ermittlungsverfahrens zufolge § 38 AVG die Wahl, entweder eine selbständige Vorfragenbeurteilung vorzunehmen oder das Verfahren nach § 6 Abs. 1 bzw. § 13 Abs. 1 BO 1994 bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage durch das Strafgericht zu unterbrechen.
Kommt, wie im vorliegenden Fall, die Begehung einer vor Ergehen eines Zurücknahmebescheides gesetzten (weiteren) Straftat erst nach Erlassung des Zurücknahmebescheides im Sinne des § 13 Abs. 1 BO 1994 hervor, so handelt es sich um einen Sachverhalt, der bereits bei Erlassung des Zurücknahmebescheides im Rahmen der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Inhabers des Taxilenkerausweises, insbesondere auch bei Festsetzung der Zurücknahmedauer, zu berücksichtigen gewesen wäre. Es liegt somit eine neue Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG vor, welche bei Erfüllung der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen die Wiederaufnahme des Zurücknahmeverfahrens gemäß § 69 Abs. 3 leg. cit. rechtfertigte. Hingegen bildet eine solche bereits vor Ergehung des Zurücknahmebescheides begangene Straftat keine Grundlage, dem Bewerber nach Ablauf der festgesetzten Zurücknahmedauer die Ausstellung des Taxilenkerausweises zu verweigern.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova productaEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994030155.X00Im RIS seit
20.11.2000