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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §34 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über den Antrag des F in Wien, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in Wien, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für Bundesland Wien vom 7. Jänner 1994, Zl. SD 353/93, betreffend Aufenthaltsverbot, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit hg. Beschluß vom 8. September 1994 wurde das Verfahren über die oben angeführte, zur Zl. 94/18/0379 protokollierte Beschwerde gemäß § 33 iVm § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt, weil der Antragsteller dem ihm erteilten Mängelbehebungsauftrag insoferne nicht nachgekommen war, als er den ergänzenden Schriftsatz zur Beschwerde nicht in dreifacher, sondern nur in zweifacher Ausfertigung und statt einer weiteren Ausfertigung der ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde nur eine nicht unterschriebene Ablichtung des Beschwerdeschriftsatzes vorgelegt hatte.
Im vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde vorgebracht, daß der "Beschwerdevertreter" (gemeint: Dr. H) den aufgetragenen Schriftsatz vor seiner Urlaubsabreise diktiert habe. Der Schriftsatz sei schon in Abwesenheit des "Beschwerdevertreters" von der Schreibkraft geschrieben und von der Sekretärin in zweifacher Ausfertigung zur Unterschrift an Dr. E vorgelegt worden. Dr. E habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sowohl eine weitere Ausfertigung des an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeschriftsatzes als auch eine dritte Ausfertigung des aufgetragenen Schriftsatzes beizulegen sei. Die Sekretärin, welche bereits 25 Jahre "im treuen Dienste von Rechtsanwalt Dr. E" stehe, habe offensichtlich mißverstanden, daß beide Schriftsätze nochmals zur Unterschrift vorgelegt werden müßten und habe ungeachtet ihrer Weisung offensichtlich nur den an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Schriftsatz, welcher in nicht unterschriebener Form im Handakt verbleibe, kopiert, beigelegt und schlußendlich "einkuvertiert".
Nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei (siehe den hg. Beschluß vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0226). Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen.
Auf den Boden dieser Rechtslage ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Bei Anlegung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die dem Vertreter des Antragstellers Dr. E obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich von der ordnungsgemäßen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages zu vergewissern. Mit dem bloßen Hinweis an die Sekretärin, daß sowohl eine weitere Ausfertigung des an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeschriftsatzes als auch eine dritte Ausfertigung des aufgetragenen Schriftsatzes beizulegen sei, wurde dieser Sorgfaltspflicht nicht entsprochen (vgl. den hg. Beschluß vom 14. April 1994, Zlen. 94/18/0113, 0141 bis 0143). Da sich die von der Sekretärin vorzunehmende Tätigkeit nicht bloß auf den rein technischen Vorgang beim Abfertigen von Schriftstücken beschränkte, hätte sie auch einer verläßlichen Kanzleikraft nicht ohne nähere Beaufsichtigung überlassen werden dürfen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 658, angeführte Judikatur).
Das Außerachtlassen der im gegebenen Fall erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt ist als ein den Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden des Vertreters des Antragstellers zu werten.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.
Schlagworte
MängelbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180771.X00Im RIS seit
20.11.2000