TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/1 93/18/0397

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Veröffentlicht am 01.12.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §20 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des G in I, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 26. Juli 1993, Zl. III 87/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 26. Juli 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Volksrepublik China, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 sowie den §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe die Volksrepublik China erstmals in seinem Leben am 2. Jänner 1991 verlassen. Er sei an diesem Tag am Flughafen Frankfurt am Main in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er sei im Besitz eines von der deutschen Botschaft in Peking ausgestellten Sichtvermerkes gewesen, der vom 1. Jänner bis 31. März 1991 gültig und mit dem Vermerk "Sprachkurs" versehen gewesen sei. Am 3. Jänner 1991 sei dem Beschwerdeführer vom österreichischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main ein Sichtvermerk mit einer Gültigkeitsdauer bis 15. März 1991 ausgestellt worden. Im Sichtvermerksantrag habe sich der Beschwerdeführer als Manager bezeichnet, eine "Inskriptionsbestätigung" der österreichisch-amerikanischen Gesellschaft in Wien vorgelegt und eine Gültigkeitsdauer vom 7. Jänner bis 1. März 1991 beantragt. Als Reiseziel habe er die österreichisch-amerikanische Gesellschaft und als Reisezweck die Teilnahme an einem Deutschkurs angegeben. Er sei in der Folge in das Bundesgebiet eingereist, habe in Wien für etwa zwei Wochen Aufenthalt genommen und sei dann nach Linz weitergereist, um in einem China-Restaurant eine Beschäftigung aufzunehmen. Die Bundespolizeidirektion Linz habe ihm am 1. März 1991 einen Sichtvermerk mit einer Gültigkeitsdauer bis 28. Februar 1992 erteilt. Im November 1991 sei er nach Innsbruck übersiedelt, wo er 25 % der Stammanteile an einer Gesellschaft m.b.H., die ein China-Restaurant betreibe, erworben habe. Die Bundespolizeidirektion Innsbruck habe ihm am 12. Februar 1992 einen bis 13. Dezember 1992 gültigen Sichtvermerk erteilt.

Der Beschwerdeführer habe bereits im Juli 1990 bei der österreichischen Botschaft in Peking einen Sichtvermerksantrag gestellt, der am 8. August 1990 abgewiesen worden sei. Mit dem damaligen Sichtvermerksantrag habe der Beschwerdeführer einen Zulassungsbescheid der Universität Graz vom 1. März 1990 vorgelegt. Die Überprüfung durch die österreichische Botschaft in Peking habe ergeben, daß der Beschwerdeführer in China nie an der von ihm angegebenen Universität studiert habe, daß die vorgelegte handschriftliche Bestätigung dieser Universität nicht von dieser Universität ausgestellt und daß der darauf angebrachte Rundstempel gefälscht worden sei.

Der Beschwerdeführer habe im Jahr 1990 alles daran gesetzt, um aus der Volksrepublik China nach Österreich auswandern zu können. Zu diesem Zweck habe er gegenüber den für eine Sichtvermerkserteilung zuständigen Behörden unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet gemacht. Das gleiche gelte für den beim österreichischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main gestellten Antrag. Der Beschwerdeführer habe somit innerhalb kurzer Zeit zweimal den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt. Diese bestimmte Tatsache rechtfertige die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme. Das Aufenthaltsverbot stelle zwar einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar, doch sei dieser Eingriff zur Erreichung eines im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zieles, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Einwanderungs- und des Fremdenwesens, dringend geboten. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Der Beschwerdeführer halte sich erst seit Jänner 1991 im Bundesgebiet auf. Seine Eltern lebten nach wie vor in China. Er sei seit November 1991 Teilhaber eines "China-Restaurants" in Innsbruck und arbeite auch dort. Seit etwas mehr als einem Jahr sei er mit einer chinesischen Staatsangehörigen verheiratet, die sich seit 7 Jahren im Bundesgebiet aufhalte und hier dementsprechend gut integriert sei. Der Beschwerdeführer habe seine Einreise nach Österreich vorsätzlich durch unrichtige Angaben bewirkt. Er habe damit rechnen müssen, daß dies früher oder später aufgedeckt werde und zu fremdenpolizeilichen Konsequenzen führe. Dies sei bei der Beurteilung des Gewichtes der privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die - zutreffende - Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht, die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 leg. cit. zulässig sei, wird in der Beschwerde nicht bekämpft.

2.1. Der Beschwerdeführer hält das Ergebnis der von der belangten Behörde im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung für rechtswidrig. Er wirft der belangten Behörde in diesem Zusammenhang eine Verkennung der Rechtslage vor, weil sie die intensiven familiären und wirtschaftlichen Bindungen im Hinblick auf die unrechtmäßige Bewirkung der Einreise nicht berücksichtigt habe.

2.2. Der Beschwerdeführer vermag damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - die Berücksichtigung der Intensität der familiären Bindung des Beschwerdeführers an seine Ehefrau nicht schlechthin verweigert, sondern zu erkennen gegeben, daß sie ihr im Hinblick auf die Umstände, unter denen sich der Beschwerdeführer die Einreise nach Österreich verschafft hat, geringeres Gewicht beimißt, als ihr beizumessen wäre, wenn die Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet nicht auf seine unrichtigen Angaben zurückzuführen gewesen wäre. Dies ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn man sich vor Augen hält, daß sich der Beschwerdeführer die Berechtigung zur Einreise durch die wiederholte planmäßige Verwendung von unrichtigen Angaben erschlichen und relativ kurze Zeit nach seiner Einreise die Ehe geschlossen hat. In einem solchen Fall kann ein Fremder nicht damit rechnen, durch die Eheschließung eine derart gesicherte Position erlangt zu haben, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG unzulässig wäre. Diese Auffassung führt - im Gegensatz zum Standpunkt der Beschwerde - auch nicht dazu, daß es auf die Dauer der seit der Verwirklichung eines der Tatbestände des § 18 Abs. 2 FrG verstrichenen Zeit im Rahmen der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG nicht ankomme. Je länger die Verwirklichung von Tatbeständen des § 18 Abs. 2 FrG zurückliegt, desto geringeres Gewicht kommt den davon betroffenen öffentlichen Interessen im Rahmen der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG zu. Im vorliegenden Fall lagen die vom Beschwerdeführer gesetzten, im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG verpönten Verhaltensweisen noch nicht solange zurück, daß dies bei der Interessenabwägung von entscheidender Bedeutung sein konnte.

3. Die belangte Behörde ist bei ihrer Beurteilung ohnedies von einer intensiven familiären Bindung des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau und von ihrer guten Integration ausgegangen, weshalb die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe keine Ermittlungen hinsichtlich der Bindung des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau und hinsichtlich des Ausmaßes ihrer Integration gepflogen, der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen kann.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ins Treffen führt, daß zwei Schwestern seiner Ehefrau in Innsbruck lebten, von denen eine die österreichische Staatsbürgerschaft besitze und mit ihrem Mann und drei erwachsenen Kindern zusammen wohne, daß diese Familie in Innsbruck insgesamt drei Restaurants betreibe und daß der Schwager der Gattin des Beschwerdeführers noch zwei Brüder in Österreich habe, ist ihm zu erwidern, daß diese Personen, die nach dem Akteninhalt und dem Beschwerdevorbringen nicht mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt leben, nicht vom Schutzbereich des § 20 Abs. 1 FrG umfaßt sind (siehe die hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0491, und vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/18/0595).

4.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Gültigkeitsdauer des verhängten Aufenthaltsverbotes und meint, es sei nicht einzusehen, daß die höchstmögliche zeitliche Gültigkeitsdauer festgesetzt worden sei, obwohl er nur den "am geringsten "sozialschädlichen" Tatbestand im Rahmen des Katalogs gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 bis 8 Fremdengesetz zu vertreten hat".

4.2. Dem ist zu erwidern, daß ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen ist, wenn ein Wegfall des Grundes nicht vorhergesehen werden kann (siehe das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0349, mwN). Wenn sich die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht imstande gesehen hat, den Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes - nämlich der durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers hervorgerufenen nachhaltigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - vor Verstreichen von zehn Jahren anzunehmen, so kann dies im Hinblick auf das wiederholte planmäßige, im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG verpönte Vorgehen des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig erkannt werden.

5. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993180397.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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