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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AAV §1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 28. Dezember 1992, Zl. MA 63 - M 8/92/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4. und 5. Bezirk, vom 23. März 1992 war die nunmehrige Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin dafür zur Verantwortung gezogen worden, daß in ihrem Betrieb in Wien, F-Straße 60, am 11. Jänner 1990 "folgenden Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer nicht entsprochen wurde: Der Hauptverkehrsweg vom Verkaufsraum zu dem als Schiwerkstätte bzw. Lagerraum verwendeten Raum hatte keine ausreichende Breite von mindestens 1,2 m (der Verkehrsweg war an mehreren Stellen durch Lagerungen von Schischuhkartons, Schistöcken, Schischuhen und Schier auf eine nutzbare Breite von 30-50 cm eingeengt)". Sie habe dadurch die Übertretung gemäß § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 24 Abs. 6 zweiter Satz Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung begangen. Über die Beschwerdeführerin sei deshalb gemäß § 31 Abs. 2 lit. p ANSchG eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen) verhängt worden. Ferner sei der von der Beschwerdeführerin zu leistende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens bestimmt sowie ausgesprochen worden, daß sie die "Kosten des Strafverfahrens (§ 54d VStG)" zu ersetzen habe.
In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, daß die genannte Verwaltungsübertretung von einem Organ des Arbeitsinspektorates für den zweiten Aufsichtsbezirk aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmung festgestellt worden sei. Die Tatsache der Einengung des Verbindungsweges vom Verkaufsraum zu den daran anschließenden Räumlichkeiten auf eine Breite von weniger als 1,2 m sowie die Tatsache, daß dieser Weg die einzige Verbindung dieser Räume mit dem Verkaufsraum und schlußendlich mit dem Ausgang darstelle, sei von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden. Sie habe das strafbare Verhalten insofern in Abrede gestellt, als es sich bei dem gegenständlichen Verkehrsweg nicht um einen Hauptverkehrsweg im Sinne der AAV handle. In dem direkt an den Verkaufsraum anschließenden geschäftlich genutzten Lagerraum könne man nur von einem Nebenverkehrsweg sprechen, weil sich in diesem Raum nur Stellagen befänden. Die im Anschluß an dieses Lager befindlichen Räumlichkeiten seien keine Schiwerkstätte bzw. kein Lagerraum im herkömmlichen Sinn, sondern Privatbereich, der nur von der Beschwerdeführerin selbst und ihrem Mann regelmäßig benützt würde und daher nicht den Bestimmungen der AAV unterläge.
Hinsichtlich der Nutzung der als privat bezeichneten Räumlichkeiten - so die Bescheidbegründung weiter - habe Dr. Peter M. als Zeuge ausgesagt, daß diese von den Eigentümern als Hobbyraum benützt würden. Dort würden jedoch auch fallweise Sportgeräte für Kunden repariert und Gegenstände gelagert werden, die repariert werden müßten oder zur Vornahme von Reparaturen notwendig seien. Überdies würden dort aus Platzmangel auch Waren in Schachteln gelagert, die aufgrund der jeweiligen Jahreszeit nicht verkauft würden. Es käme auch vor, daß Arbeitnehmer diesen Bereich betreten, etwa um Gegenstände zu holen oder kurze Arbeiten bei Reparaturen vorzunehmen. Die diesbezügliche Aufenthaltsdauer betrage im Durchschnitt (pro Jahr gerechnet) ca. 10 Minuten täglich.
Diese Aussage decke sich mit den Angaben der einvernommenen Arbeitnehmerin Susanne S., wobei diese betont habe, die besagten Räumlichkeiten im Durchschnitt nur zweimal pro Woche zu betreten, um Gegenstände hinein- oder herauszutragen.
Auf Grundlage dieser Verfahrensergebnisse sei auszuführen:
Aus der Definition der Betriebsräume im Sinne des § 1 AAV erhelle, daß nicht nur der unmittelbar an den Verkaufsraum anschließende Lagerraum, sondern auch jene Räumlichkeiten, die von der Beschwerdeführerin als Privatbereich bezeichnet worden seien, ein Betriebsraum im Sinne der AAV sei, weil aufgrund der Zeugenaussagen feststehe, daß zumindest vorübergehend Arbeiten dort verrichtet würden.
Gemäß § 25 Abs. 1 AAV müßten Hauptverkehrswege in Betriebsräumen eine ausreichende Breite, mindestens jedoch eine solche von 1,20 m besitzen. Obgleich die Begriffe Hauptverkehrsweg und Nebenverkehrsweg gesetzlich nicht definiert seien, trete unter Bedachtnahme auf den Zweck der Arbeitnehmerschutzbestimmungen - Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei ihrer beruflichen Tätigkeit - klar zutage, daß der verfahrensgegenständliche Verkehrsweg vom Verkaufsraum in die daran anschließenden Betriebsräume als Hauptverkehrsweg einzustufen sei. Dies deshalb, weil er den einzigen Weg darstelle, auf dem die Arbeitnehmer den Ausgang erreichen könnten und somit die einzige Möglichkeit, die den Arbeitnehmern für das Verlassen der Betriebsräume im Gefahrenfall offenstehe. Eine Einstufung als Nebenverkehrsweg wäre in diesem Fall mit dem Schutzzweck des Arbeitnehmerschutzrechtes schlechthin unvereinbar, auch wenn dieser Weg sich in einem Lagerraum befinde, in dem Verkehrswege immer nur "Durchgänge zwischen Lagerungen" darstellten (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1991, Zl. 90/19/0533). Der objektive Tatbestand sei somit als erfüllt anzusehen.
Bei der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretung handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt, und es greife daher die im § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG verankerte widerlegbare Schuldvermutung zu Lasten der Beschwerdeführerin Platz. Sie habe von sich aus ihr mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. In dieser Hinsicht habe sie jedoch nichts vorgebracht, weshalb ihr die Verwaltungsübertretung wegen zumindest fahrlässigen Verhaltens auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen sei.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und führte - soweit hier wesentlich - folgendes aus: Die Zurückweisung der Darstellung, daß es sich keineswegs um einen Arbeitsraum für Arbeitnehmer, sondern um einen Privatbereich für den Geschäftsinhaber handle, sei nicht gerechtfertigt. Die Argumentation, daß hier vorübergehend Arbeiten ausgeführt würden, stimme nicht. Das gelegentliche Betreten der Privaträume, laut Aussage der einzigen Dienstnehmerin Susanne S. zweimal pro Woche, um vielleicht vom Dienstgeber Wechselgeld, Auskunft oder ein selten gebrauchtes Teil zu holen, berechtige nicht, den durch einen Vorhang abgetrennten und mit großer Tafel bezeichneten Privatbereich als Betriebsraum oder Arbeitsplatz für Dienstnehmer zu bezeichnen. Ein Weg innerhalb dieses Privatbereiches, und um diesen ginge es im Bescheid, falle daher nicht unter die Bestimmungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung. Zu der im "§ 5 Abs. 1 Punkt 2 VStG" verankerten Schuldvermutung werde ausgeführt, daß den Mitarbeitern / der Mitarbeiterin definitiv bekannt gemacht worden sei und bekannt sei, daß der o.a. Bereich Privaträume seien und daher nicht für den Aufenthalt von Mitarbeitern vorgesehen sei. Es könne daher weder Fahrlässigkeit noch schuldhaftes Verhalten angenommen werden.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom 28. Dezember 1992 wurde das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe bestätigt, daß der erste Satz des Spruches zu lauten hat: "Sie haben es als Arbeitgeberin zu verantworten, daß in ihrem Betrieb in Wien, F-Straße 60, am 11. Jänner 1990 eine Vorschrift zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer nicht eingehalten wurde, als der Hauptverkehrsweg vom Verkaufsraum zu dem als Schiwerkstätte und Lagerraum verwendeten Raum nicht mindestens 1,20 m breit war, weil er an mehreren Stellen durch Lagerungen von Schischuhkartons, Schistöcken, Schischuhen und Schier auf eine nutzbare Breite von 30-50 cm eingeengt war."
Gemäß § 51 Abs. 4 VStG wurde die Geldstrafe auf S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) herabgesetzt.
In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz und der Berufung aus, daß die Erstbehörde schlüssig dargelegt habe, aufgrund welcher Tatsachen und aus welcher Überlegung der Verkehrsweg, um den es gehe, als Hauptverkehrsweg in einem Betriebsraum anzusehen sei. Diesbezüglich werde daher auf die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses verwiesen. Weiters führte die belangte Behörde aus, daß entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin es bei der Beurteilung, ob ein Raum als Betriebsraum oder als Privatraum anzusehen sei, es auf die tatsächliche Verwendung des Raumes und nicht darauf ankomme, wie der diesbezügliche Raum vom Arbeitgeber bezeichnet werde. Im vorliegenden Fall spreche die Verwendung des Raumes für die Beurteilung als Betriebsraum. Es werde daher der Auffassung der Behörde erster Instanz beigepflichtet, daß an der Verwirklichung der umschriebenen Verwaltungsübertretung kein Zweifel bestehe. Auch das für die Strafbarkeit erforderliche Verschulden sei gegeben, zumal nicht glaubhaft gemacht worden sei, aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften, der sie zuwidergehandelt habe, nicht möglich gewesen sei. Die Bestrafung der Beschwerdeführerin sei daher zu Recht erfolgt, weshalb das Straferkenntnis mit der verfügten Änderung, die zur genauen Umschreibung des Tatbestandes erfolgt sei, dem Grunde nach zu Recht zu bestätigen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin entspräche der Spruch in keiner Weise den Erfordernissen des § 44a (gemeint offenbar lit. a) VStG; es könne ihm in keiner Weise entnommen werden, um welche Räumlichkeiten es sich bei dem sogenannten "Hauptverkehrsweg" tatsächlich handle. Der Vorwurf eines Verstoßes gemäß § 25 in Verbindung mit § 24 AAV setze ex definitione die genaue und unmißverständliche Beschreibung der bemängelten Räumlichkeiten voraus.
Dem kann nicht beigetreten werden. Zur Umschreibung einer Übertretung nach § 25 Abs. 1 erster Satz in Verbindung mit § 24 Abs. 6 zweiter Satz AAV ist es nicht erforderlich, im Spruch des Straferkenntnisses alle Räume, durch die der Hauptverkehrsweg führt, zu bezeichnen. Die von der belangten Behörde gewählte Form der Tatumschreibung hat die Beschwerdeführerin jedenfalls in die Lage versetzt, zum konkreten Tatvorwurf Stellung zu nehmen. Aufgrund dieser Tatumschreibung ist die Beschwerdeführerin auch davor geschützt, wegen des selben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Der behauptete Verstoß gegen § 44a lit. a VStG 1950 liegt daher nicht vor.
Die Beschwerdeführerin behauptet, die belangte Behörde hätte sich mit ihren Einwendungen nicht auseinandergesetzt und in keiner Weise begründet, warum weitere Sachverhaltsermittlungen unterblieben seien.
Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die belangte Behörde mit den einzelnen Berufungsausführungen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt hat, sodaß dieses Vorbringen aktenwidrig ist. Darüber hinaus kann die Beschwerde nicht aufzeigen, welche weiteren - notwendigen - Beweise die belangte Behörde nicht aufgenommen hat.
Die Beschwerdeführerin erblickt einen Feststellungsmangel darin, daß die belangte Behörde zur Frage, ob und wo ein Hauptverkehrsweg vorliegt, auf die Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses verwiesen habe. Ein weiterer Feststellungsmangel liege darin, daß dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen sei, um welchen Raum es sich handle und worin die tatsächliche Verwendung des Raumes bestehe.
Auch mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Aus der Begründung des Bescheides ergibt sich, daß die belangte Behörde von einem Hauptverkehrsweg vom Verkaufsraum über den anschließenden Lagerraum in den dort anschließenden als Schiwerkstätte/Lagerraum bezeichneten Raum ausgegangen ist. Die Verwendung dieses Raumes wurde durch Wiedergabe der Zeugenaussage des Dr. Peter M. und der Susanne S. hinreichend festgestellt. Ebenso die - auch von der Beschwerdeführerin verwendete - Bezeichnung dieses Raumes als Schiwerkstätte und/oder Lagerraum.
Die Beschwerdeführerin tritt der Auffassung der belangten Behörde entgegen, daß es sich bei der Schiwerkstätte/Lagerraum um einen Betriebsraum im Sinne des § 1 Z. 3 AAV handle. Durch ein kurzfristiges Betreten eines Raumes etwa zweimal pro Woche könne nicht von einer vorübergehenden Arbeit im Sinne der genannten Bestimmung gesprochen werden.
Auch diesen Ausführungen der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Arbeitsraum vorliegt, sind alle in dem betreffenden Raum vorgenommenen Arbeiten zu berücksichtigen. Es ist daher entsprechend den im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen davon auszugehen, daß den betreffenden Raum auch Arbeitnehmer betreten, um Gegenstände zu holen oder kurze Arbeiten bei Reparaturen vorzunehmen. Die Aufenthaltsdauer betrage im Durchschnitt pro Jahr gerechnet ca. 10 Minuten täglich. Nach Angaben der Zeugin Susanne S. betrete sie diese Räume im Durchschnitt zweimal pro Woche, um Gegenstände hinein- oder herauszutragen. Wenn die belangte Behörde bei dieser Sachlage davon ausging, daß es sich bei dem besagten Raum um einen "sonstigen Betriebsraum" im Sinne des § 1 Z. 3 AAV handelt, ist es nicht rechtswidrig.
Die Berufung der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf einen Rechtsirrtum i.S.d. § 5 Abs. 2 VStG geht schon deswegen fehl, weil die Beschwerdeführerin als Betriebsinhaberin die Pflicht trifft, sich über die auf dem Gebiete ihres Betriebes erlassenen Vorschriften zu unterrichten.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet; sie war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180067.X00Im RIS seit
20.11.2000