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90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KFG 1967 §123 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/11/0365Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, 1) über den Antrag des L in J, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in M, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschwerdeführung gegen den Bescheid des LH von OÖ vom 11. August 1994, Zl. VerkR-391.254/6-1994/Au, betreffend Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, sowie 2) über die Beschwerde gegen diesen Bescheid
Spruch
1) den Beschluß gefaßt:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.
2) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde, dem darin gestellten Wiedereinsetzungsantrag, der der Beschwerde angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und der im kurzen Weg eingeholten Ausfertigung des Bescheides des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 31. Oktober 1994, Zl. VwSen-510012/3/Weg/Ri, ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem - im Jahre 1911 geborenen - Beschwerdeführer gemäß § 75a Abs. 1 lit. a KFG 1967 das Lenken von Motorfahrrädern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr mangels körperlicher und geistiger Eignung verboten und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer zum Lenken von Motorfahrrädern auf Dauer geistig und körperlich nicht geeignet ist.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer der Rechtsmittelbelehrung entsprechend eine Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich. Diese Behörde wies die Berufung mit der Begründung zurück, daß eine solche Berufung unzulässig sei.
Der Beschwerdeführer stellt nunmehr einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 46 Abs. 2 VwGG, behauptet in seiner Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
I. Gemäß § 123 Abs. 1 zweiter Satz KFG 1967 entscheiden bei Bescheiden, mit denen für die Dauer von mindestens fünf Jahren eine Lenkerberechtigung entzogen oder das Recht, von einem ausländischen Führerschein Gebrauch zu machen, aberkannt wird, über Berufungen gegen Bescheide des Landeshauptmannes die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern. Im übrigen entscheidet nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle grundsätzlich der Landeshauptmann in zweiter und letzter Instanz.
Daraus ergibt sich, daß in Ansehung der Erlassung eines sogenannten Mopedfahrverbotes nach § 75a KFG 1967 eine weitere Berufung gegen einen Berufungsbescheid des Landeshauptmannes an den unbhängigen Verwaltungssenat niemals zulässig ist. Dies gilt auch dann, wenn die Zeit nach § 73 Abs. 2 in Verbindung mit § 75a Abs. 1 KFG 1967 mit mehr als fünf Jahren bemessen wird, somit auch im vorliegenden Fall, in dem das Verbot wegen einer geistigen oder körperlichen Nichteignung auf Dauer verfügt wird, worunter nach der Begründung des angefochtenen Bescheides zu verstehen ist, daß der Beschwerdeführer nie mehr ein Motorfahrrad lenken darf. Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides war daher wie der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich richtig erkannt hat, unrichtig. Diese Unrichtigkeit führte dazu, daß der Beschwerdeführer die Beschwerdefrist nach § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG versäumt hat. Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher gemäß § 46 Abs. 2 VwGG - in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - stattzugeben.
II. 1. In seiner - im Lichte der Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages als rechtzeitig eingebracht zu behandelnden - Beschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, daß ihm zur Frage der Dauer des in Rede stehenden Verbotes kein Parteiengehör gewährt worden sei. Im Erstbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 19. Jänner 1994 sei noch der Ausspruch enthalten gewesen, daß das Verbot für die Dauer der geistigen und körperlichen Nichteignung zu gelten habe. Die belangte Behörde habe, ohne ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, dies in ein Verbot auf Lebenszeit umgewandelt.
Der Beschwerdeführer führt selbst aus, daß ihm die Ergebnisse des von der belangten Behörde als Berufungsbehörde ergänzten Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht worden sind. Dies schließt aber das Zutreffen der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften aus. Welche rechtlichen Schlüsse die Behörde aus dem von ihr festgestellten und der Partei zur Kenntnis gebrachten Sachverhalt zieht, unterliegt nicht dem Gebot der Gewährung des Parteiengehörs (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 329, unter Z. 7 zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Daß diese rechtlichen Schlüsse aus dem festgestellten Sachverhalt nicht hätten gezogen werden dürfen, behauptet der Beschwerdeführer nicht.
Sein Vorbringen, er hätte etwa durch die Beibringung eines augenfachärztlichen Attestes nachweisen können, daß seine Sehbehinderung gebessert oder reguliert werden könnte, vermag daran schon deswegen nichts zu ändern, weil dieser Umstand begrifflich nur die körperliche Eignung betrifft. Zur Nichteignung infolge funktionaler Leistungsdefizite, die aus der festgestellten senilen Demenz herrühren, bringt er nichts vor, sodaß die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens selbst in dem Fall nicht wesentlich wäre und daher nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen könnte, wäre sie wirklich gegeben.
II. 2. Der angefochtene Bescheid ist auch nicht inhaltlich rechtswidrig. Er entspricht dem Gebot des § 73 Abs. 2 in Verbindung mit § 75a Abs. 1 KFG 1967, wonach auch bei Mopedfahrverboten eine Zeit auszusprechen ist, für welche dieses Verbot zu gelten hätte. Der auf § 73 Abs. 2 KFG 1967 gestützte Ausspruch, daß die Nichteignung auf Dauer bestehe, erfüllt dieses gesetzliche Gebot.
Aus welchen Gründen das Verfahren betreffend Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern eingeleitet worden ist, ist in dem Stadium des Verfahrens unerheblich, in dem nach Beweisergebnissen vom Verfahren in zwei Instanzen von der geistigen und körperlichen Nichteignung auszugehen ist. Daß der Beschwerdeführer keine Bestrafungen wegen Verkehrsdelikten aufweist, ist für die Beurteilung der geistigen und körperlichen Eignung ebenfalls nicht ausschlaggebend, weil es hier nicht um die Frage geht, ob der Beschwerdeführer die charakterlichen Voraussetzungen für das Lenken von Motorfahrrädern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr erfüllt.
Durch die Änderung des auf § 73 Abs. 2 KFG 1967 gestützten Ausspruches hat die belangte Behörde als Berufungsbehörde auch ihre Entscheidungsbefugnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG nicht verletzt, ganz abgesehen davon, daß keine Rede davon sein kann, daß die Erstbehörde lediglich ein vorübergehendes Mopedfahrverbot verfügt hätte, welches nach Ablauf der von ihr bestimmten Zeit wieder unwirksam geworden wäre, ohne daß die Wiedererlangung der geistigen und körperlichen Eignung zu erweisen gewesen wäre. Gegenteiliges ist auch dem vom Beschwerdeführer zitierten Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes (vom 11. April 1984, Zl. 84/11/0047) nicht zu entnehmen: Dort wurde lediglich gesagt, daß bei einer Entziehung auf Dauer der gesetzlichen Nichteignung die Wiedererlangung der Eignung jederzeit in einem Erteilungsverfahren nachgewiesen werden kann, sodaß eine Berufung an die dritte Instanz nicht zulässig sei.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht gegeben ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994110364.X00Im RIS seit
03.04.2001