TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/13 94/11/0263

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Veröffentlicht am 13.12.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
WehrG 1990 §36 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des H in T, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 5. August 1994, Zl. 656.208/20-2.7/94, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1993, Zl. 93/11/0071, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis war eine Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen worden, mit der er einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. Februar 1993 betreffend Abweisung seines Befreiungsantrages vom 12. Juli 1990 bekämpft hatte.

Mit Antrag vom 19. April 1993 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Befreiung von der Präsenzdienstpflicht. Mit dem im Instanzenzug ergangenen nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß das Thema des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung des Befreiungsantrages des Beschwerdeführers vom 19. April 1993 und nicht das Vorliegen von Befreiungsgründen ist; dies wird von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zum Teil übersehen.

Im zitierten Vorbescheid vom 24. Februar 1993 ging die belangte Behörde davon aus, daß die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 12. Juli 1990 geltend gemachten Umstände, er müsse seine Mutter bei der Führung ihres landwirtschaftlichen Betriebes unterstützen, keine besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen im Sinne des § 36 Abs. 2 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 in der Fassung vor der Novelle 1992 zu begründen vermögen. Seine Eltern, sein jüngster Bruder und er selbst könnten durch die ihnen jeweils zumutbare eingeschränkte Arbeitsleistung während der Zeit des Präsenzdienstes eine Existenzgefährdung des Betriebes abwenden. Die belangte Behörde stellte dabei ausdrücklich auf die Mitwirkung auch des Vaters des Beschwerdeführers im Rahmen seiner gesundheitlich eingeschränkten Möglichkeiten ab.

Zwar stützte der Beschwerdeführer seinen neuerlichen Befreiungsantrag vom 19. April 1993 wiederum auf die Behauptung, es lägen besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen an seiner Befreiung vor. Er machte aber in diesem Zusammenhang auch geltend, daß sein Vater auf Grund einer inzwischen eingetretenen näher genannten Erkrankung nicht mehr in der Lage sei, im Betrieb mitzuarbeiten.

Die belangte Behörde ging auf dieses Vorbringen in der Begründung des angefochtenen Bescheides in der Form ein, daß sie die Erkrankung des Vaters als unerheblichen Nebenumstand qualifizierte, aus dem sich nicht ableiten lasse, daß der Beschwerdeführer für die Pflege des Vaters unabkömmlich sei; dies könne der in der Landwirtschaft nicht einsetzbare Bruder des Beschwerdeführers besorgen.

Mit der Behauptung, sein Vater könne seit seiner seit der Antragstellung im Jahr 1990 eingetretenen Erkrankung überhaupt nicht mehr im landwirtschaftlichen Betrieb mitarbeiten, machte der Beschwerdeführer eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes geltend. Die (wenn auch eingeschränkte) Arbeitsfähigkeit des Vaters (die belangte Behörde nahm im Vorbescheid vom 24. Februar 1993 eine MdE von 20 vH an) war ein Element der Begründung des Vorbescheides und wurde vom Verwaltungsgerichtshof bei der Abweisung der dagegen gerichteten Beschwerde entsprechend argumentativ verwertet. Ob die behauptete gänzliche Arbeitsunfähigkeit des Vaters zu einem anderen Ergebnis führen könnte, m.a.W. ob diesfalls besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen des Beschwerdeführers vorlägen, ist völlig offen. Dasselbe gilt für die Frage, wann diese Verschlechterung eingetreten ist, ob sie insbesondere nicht bereits im Verfahren über seinen Antrag vom Jahre 1990 hätte geltend gemacht werden müssen. Schon aus diesem Grund war es der belangten Behörde verwehrt, den neuerlichen Antrag vom 19. April 1993 wegen entschiedender Sache zurückzuweisen.

Dazu kommt, daß der von der Erstbehörde befaßte Sanitätsoffizier - auf Grund welcher Befundaufnahmen ist nicht ersichtlich - zu dem (im angefochtenen Bescheid nicht verwerteten) Ergebnis einer MdE des Vaters von 50 vH kam; die Feststellung, der Vater des Beschwerdeführers sei nach wie vor zu 20 % in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert, hätte daher einer besonderen Begründung bedurft.

Die belangte Behörde hätte zu prüfen gehabt, wann die Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Vaters des Beschwerdeführers eingetreten ist und welches Gewicht ihr im Rahmen der im landwirtschaftlichen Betrieb in Abwesenheit des Beschwerdeführers zu verrichtetenden Arbeiten zukommt.

Festzuhalten ist ferner, daß es bei der behaupteten Arbeitsunfähigkeit des Vaters primär darum geht, daß seine Arbeitskraft im Betrieb ausfällt und ersetzt werden müßte, und nicht um eine dadurch bewirkte Pflegebedürftigkeit, der von den Angehörigen Rechnung zu tragen wäre.

Die belangte Behörde hat zu Unrecht eine Sachentscheidung über den neuerlichen Befreiungsantrag des Beschwerdeführers vom 19. April 1993 verweigert. Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Stempelgebührenersatz nur für zwei Ausfertigungen des Beschwerdeschriftsatzes - nicht aber auch für die überflüssige dritte Ausfertigung - zuerkannt werden konnte.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994110263.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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