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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §39 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Komm. Mag. Unterer, über die Beschwerde des NN in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. Mai 1994, Zl. 207.443/1-Pr/A/3/94, betreffend Anrechnung eines Karenzurlaubes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Oberrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten. Er wurde mit August 1992 gemäß den Bestimmungen des Schönbrunner Schloßgesetzes, BGBl. Nr. 208/1992, zum Geschäftsführer der Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft mbH bestellt.
Punkt VII/5 dieses Vertrages, der zwischen der Gesellschaft (vertreten durch den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, der sich bei Vertragsabschluß durch einen Bevollmächtigten vertreten ließ) und dem Beschwerdeführer abgeschlossen wurde, lautet (zitiert nach der in den Verwaltungsakten befindlichen Vertragsabschrift):
"Der Vertrag wird unter dem Gesichtspunkt abgeschlossen, daß der Geschäftsführer für die Dauer der Tätigkeit bei der Gesellschaft als Beamter, unter Vollanrechnung seiner Dienstzeit bei der Gesellschaft, karenziert wird"
Mit Eingabe vom 9. Juli 1992 hatte der Beschwerdeführer im Hinblick auf diese (damals noch in Aussicht genommene, und sodann erfolgte) Bestellung um Gewährung eines entsprechenden Karenzurlaubes unter Vollanrechnung der Zeiten dieses Karenzurlaubes beantragt. Hiezu brachte er vor, daß seine Tätigkeit bei der Gesellschaft im Interesse des Bundes liege, nicht nur, weil der Bund Eigentümer der Gesellschaft sei, sondern auch, weil der gesetzliche Auftrag an die Gesellschaft gerichtet worden sei, aus einer verstärkten wirtschaftlichen Tätigkeit jene umfangreichen finanziellen Mittel aufzubringen, die für die langfristige Restaurierung des Schlosses nötig seien. Damit habe die Gesellschaft die Aufgabe, zu einer Reduktion der Bauaufwendungen des Bundes beizutragen. Nach Beendigung seiner Tätigkeit bei der Gesellschaft sei die Rückkehr in den Bundesdienst auch im Interesse des öffentlich-rechtlichen Dienstgebers gelegen, weil die im Rahmen der ausgegliederten Gesellschaft gemachten Erfahrungen für die weitere Gestaltung der Reform in der Verwaltung nur von Vorteil sein könnten.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. August 1992 wurde dem Beschwerdeführer für die Zeit vom 15. August 1992 bis 14. August 1997 Karenzurlaub gewährt und weiters ausgesprochen, über seinen Antrag, daß die mit der Gewährung des Karenzurlaubes gemäß § 75 Abs. 2 BDG 1979 verbundenen Folgen nicht einträten werde, nach Maßgabe der hiezu erforderlichen Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen gesondert entschieden.
In der Folge gelang es der belangten Behörde nicht, die Zustimmung dieser Stellen zu erwirken: Der Bundeskanzler äußerte sich im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen (mit näherer Begründung) ablehnend. Der Beschwerdeführer, hiezu gehört, hielt seinen Antrag (mit eingehender Begründung) aufrecht.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers um Vollanrechnung der Zeiten des Karenzurlaubes vom 15. August 1992 bis 14. August 1997 gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 abgewiesen. Begründend führte sie aus, gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 könne die zuständige Zentralstelle mit Zustimmung des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für Finanzen verfügen, daß die gemäß § 75 Abs. 2 leg. cit. mit der Gewährung eines Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht im vollen Umfang einträten. Voraussetzung hiefür sei jedoch gemäß § 75 Abs. 3 leg. cit., daß für die Gewährung des Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten maßgebend seien, und berücksichtigungswürdige Gründe vorlägen. Das Vorliegen anderer als privater Interessen des Beamten sei zu bejahen, was auch vom Bundeskanzler und vom Bundesminister für Finanzen bestätigt worden sei. Die zweite gesetzliche Voraussetzung
- berücksichtigungswürdige Gründe - lägen jedoch nicht vor. Da bei einer allfälligen Rückkehr des Beschwerdeführers in den öffentlichen Dienst sein künftiges Aufgabengebiet noch nicht feststehe, sei es auch nicht vorauszusehen, ob und bejahendenfalls inwieweit er seine "in der Privatwirtschaft" erlangten Kenntnisse und Erfahrungen in den Bundesdienst einfließen lassen werde, und dadurch an der Gestaltung der Reform in der Verwaltung mitwirken könne. Auch das Argument, der Beschwerdeführer habe im Zusammenhang mit seiner Karenzierung auf seine Leitungsfuktion verzichtet, und sei daher bei einer Rückkehr in seine Dienststelle schlechter gestellt als vor der Karenzierung, könne nicht als berücksichtigungswürdigender Grund angesehen werden, weil davon auszugehen sei, daß ihm "entsprechend dotierte Verträge angeboten" worden seien, "um ihn zur Übernahme einer derartigen Funktion zu bewegen" (gemeint: die nunmehrige Tätigkeit als Geschäftsführer).
Der Hinweis, es liege in der Hand der Dienstbehörde, den Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr aus dem Karenzurlaub unter Ausnutzung der dann gemachten Erfahrungen bestmöglich einzusetzen, lasse außer acht, daß ihm dann jener Arbeitsplatz zuzuweisen sein werde, der im Zeitpunkt seiner Rückkehr frei sein und für den er aufgrund seiner Kenntnisse und Erfahrungen geeignet sein werde. Ob auf diesem Arbeitsplatz die Erfahrungen bei seiner nunmehrigen Tätigkeit nützlich oder von besonderem Vorteil sein würden, könne derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Jedenfalls sei die Karenzierung nicht zu dem Zweck erfolgt, daß der Beschwerdeführer als Geschäftsführer Erfahrungen sammle, die er dann bei einer weiteren Verwendung an seiner Dienststelle nutzbringend einbringen könne. Es möge sein, daß bei anderen Mitarbeitern jener Gesellschaft die Frage der Vollanrechnung des Karenzurlaubes anders gelöst worden sei, "offenbar deshalb, weil in diesen Fällen" die im § 75 BDG 1979 normierten Voraussetzungen vorlägen und insbesondere das Vorhandensein berücksichtigungswürdiger Gründe festgestellt worden sei. Solche seien aber im gegenständlichen Falle nicht zutage getreten; von unterschiedlichen Maßstäben könne somit nicht die Rede sein. Was schließlich die Behauptung des Beschwerdeführers anlange, die Vollanrechnung "sei klare Vertragsgrundlage bei seinen Verhandlungen" mit dem zuständigen Bundesminister zur Gestaltung dieses Geschäftsführervertrages gewesen, so könne es dahingestellt bleiben, ob dies zutreffe, weil die beim Beschwerdeführer - wodurch auch immer - hervorgerufene Annahme, die Zeit des Karenzurlaubes werde voll angerechnet, möglicherweise für ihn einer der Beweggründe für den Abschluß des Geschäftsführervertrages gewesen sei. Daß aber der Abschluß dieses Vertrages einen berücksichtigungswürdigen Grund im Sinne des § 75 Abs. 3 BDG 1979 darstelle, werde nicht einmal vom Beschwerdeführer behauptet. Aus diesen Gründen habe der Bundeskanzler im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen das Vorliegen berücksichtungswürdiger Gründe verneint und die gesetzlichen Voraussetzungen des § 75 Abs. 3 BDG als nicht erfüllt angesehen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 75 Abs. 1 BDG 1979 kann dem Beamten auf sein Ansuchen ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist die Zeit des Karenzurlaubes für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen, soweit in den Besoldungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die zuständige Zentralstelle mit Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen verfügen, daß die gemäß Abs. 2 mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht im vollen Umfang eintreten, wenn für die Gewährung eines Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten maßgebend sind und berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen.
Der Beschwerdeführer bringt zusammenfassend vor, die Behörde übergehe sein Argument der Zusage der belangten Behörde (des Ministers) "über die Vollanrechnung der Karenzurlaubszeit in ihrer Verknüpfung mit der Nichtgewährung einer vertraglichen Pensionsregelung" (was auch eine dienstrechtliche Schlechterstellung bewirke), weshalb das Verfahren mangelhaft geblieben sei. Diese Zusage, die ihn zur Aufnahme der nunmehrigen Tätigkeit bewogen habe, im Zusammenhang mit dem Umstand, daß die in dieser Tätigkeit gewonnenen Erfahrungen dem Dienstgeber zugute kommen würden, seien als berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne des § 75 Abs. 3 BDG 1979 anzusehen (wird eingehend näher ausgeführt).
Dem ist folgendes zu entgegnen: Da für die angestrebte Vollanrechnung kraft unmißverständlicher gesetzlicher Anordnung (auch) die Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen erforderlich ist, könnte eine solche Zusage nur als - rechtlich unverbindliche - Verwendungszusage verstanden werden; anders formuliert:
keineswegs kann mit einer solchen Zusage das Erfordernis dieser Zustimmung (auch nicht im Ergebnis dadurch, daß man eine solche Zusage als ausreichend im Sinne eines berücksichtigungswürdigen Grundes für eine Vollanrechnung der fraglichen Zeiten ansähe)umgangen werden, sodaß Feststellungen, ob eine solche Zusage erfolgte und wenn ja, aus welchen Erwägungen, entbehrlich waren. Gleiches gilt sinngemäß für den Punkt VII/5 des Vertrages.
Das heißt aber nicht, daß diese Vertragsbestimmungen (oder auch eine entsprechende "Zusage" des Ministers) im Beschwerdefall jedenfalls irrelevant wären, deuten sie doch zunächst darauf hin, daß der Minister (die belangte Behörde) das Vorliegen der Voraussetzungen des § 75 Abs. 3 BDG 1979 sichtlich als gegeben angenommen hatte, wobei aber unklar ist, auf welchen Gründen diese Annahme beruhte. Des weiteren ist ebenfalls unklar, wie sich die Vertragspartner verhalten hätten, hätten sie davon ausgehen müssen, daß eine Vollanrechnung der Zeiten (Punkt VII/5 des Vertrages) entweder gar nicht erfolgen werde oder aber ungewiß sei (maW: wenn die Vertragspartner die tatsächlich eingetretene Entwicklung in ihre Erwägungen einbezogen hätten).
Vorweg kann nicht gesagt werden, daß die Klärung auch dieser Momente keinesfalls zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können; da die Behörde gemäß § 8 DVG verhalten ist, die zum Vorteil und Nachteil der Partei dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen, hätte sie sich von Amts wegen mit dem vorher dargelegten Aspekt auseinandersetzen müssen. Da es unterblieben ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994120059.X00Im RIS seit
20.11.2000