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L24006 Gemeindebedienstete Steiermark;Norm
AVG §39 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des P in G, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in G, gegen den Gemeinderat der Stadt Graz wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über den Antrag vom 15. November 1991 auf außerordentliche Vorrückung im Sinne des § 74 Abs. 3 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Gemeinde Graz (im folgenden kurz: DGO), zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG wird der belangten Behörde aufgetragen, den versäumten Bescheid binnen acht Wochen unter Zugrundelegung folgender Rechtsanschauung zu erlassen:
1.) Bei der Regelung des § 74 Abs. 3 DGO handelt es sich um eine Ermessensbestimmung.
2.) Die Richtlinien des Gemeinderates für die Zuerkennung außerordentlicher Vorrückungen bzw. Dienstzulagen, auf die der Beschwerdeführer seinen behaupteten Anspruch stützt, stellen keine Rechtsverordnung dar.
3.) Der Antrag des Beschwerdeführers vom 15. November 1991 begründet trotz Angabe einer unzutreffenden Rechtsgrundlage einen rechtsgestaltenden Entscheidungsanspruch in der Sache auf Basis des § 74 Abs. 3 DGO, dem die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung zugrunde zu legen ist.
Die Stadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Magistratsbeamter (Amtsrat) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Graz; nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens war er vom 1. Juli 1975 bis 18. April 1993 zu einem Gemeinderatsklub als Klubsekretär dienstabgeordnet.
Mit Schreiben vom 15. November 1991 beantragte der Beschwerdeführer wie folgt:
"Die Richtlinien des Gemeinderates vom 15.9.1977 für die Zuerkennung außerordentlicher Vorrückungen in eine nächsthöhere Gehaltsstufe sehen für politische Sekretäre nach 8-jähriger bzw. 15-jähriger Verwendung eine Gehaltsvorrückung vor.
Nachdem ich mit 1.7.1990 die Voraussetzungen für die Gehaltsvorrückung nach 15-jähriger Verwendung gehabt habe und außerdem eine Gehaltsvorrückung nach 8-jähriger Verwendung erhalten habe, wäre mir mit 1.10.1990 diese Vorrückung zu gewähren gewesen.
Ich beantrage daher die Zuerkennung dieser Gehaltsvorrückung nach 15-jähriger Verwendung und ersuche um Bescheiderlassung."
Von dem zur Entscheidung zuständigen Organ der Stadt wurde innerhalb der im § 73 Abs. 1 AVG normierten Frist nicht entschieden, wobei - so wird in den Verwaltungsakten eingeräumt - das Verschulden auf seiten der Behörde lag.
Mit Antrag vom 4.Dezember 1992 bewirkte der Beschwerdeführer daraufhin die Devolution an die belangte Behörde.
Der Präsidialvorstand teilte dem Beschwerdeführer daraufhin mit Schreiben vom 26. August 1993 folgendes mit:
"In obbezeichneter Dienstrechtssache wird unter Bezugnahme auf § 8 Abs. 2 DVG 1984 mitgeteilt, daß den in den Gemeinderatsklubs der im Stadtsenat vertretenen Parteien beschäftigten Klubsekretären jeweils nach 8-jähriger Dienstzeit eine Belohnung in Form einer ao. Vorrückung gem. Abschnitt II Z 2 der Richtlinien für die Zuerkennung ao. Vorrückungen bzw. Dienstzulagen, GR-Beschluß vom 15.9.1977, A 1 - 60/5-1977, zuerkannt wurde. Belohnungen nach dem 15. Dienstjahr hat es in solchen Fällen nicht gegeben. Die Klubsekretäre zählen nicht zu den von der zitierten Bestimmung begünstigten Personen, zumal sie weder im Bürgermeisteramt, beim Bürgermeisterstellvertreter und den Stadträten oder in Personalvertretungen beschäftigt sind. Es besteht daher auf die Zuerkennung einer weiteren Belohnung grundsätzlich kein Rechtsanspruch, wobei darauf hinzuweisen ist, daß auch die in den Sekretariaten beschäftigten Bediensteten nach den vorliegenden Unterlagen bisher keine ao. Vorrückungen anläßlich der Vollendung der 15-jährigen Tätigkeit erhalten haben."
In weiterer Folge wurde am 7. Oktober 1993, am 17. November 1993, am 20. Jänner 1994 und letztlich am 24. März 1994 erfolglos versucht, eine Entscheidung der belangten Behörde herbeizuführen.
Da keine Entscheidung der belangten Behörde zu erreichen war, machte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof Verletzung der Entscheidungspflicht geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof räumte der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG die Gelegenheit ein, innerhalb einer Dreimonatsfrist den versäumten Bescheid zu erlassen.
Die belangte Behörde holte den versäumten Bescheid nicht nach und begründete dies in der Gegenschrift im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer trotz Aufforderung eine rechtsverbindliche Erklärung zur Anpassung seines Antrages an die geänderte Rechtslage nicht abgegeben habe. Im übrigen seien in den vergangenen Jahren bereits mehrere Bescheidentwürfe verfaßt worden, die vom "zuständigen Berufungsausschuß in Dienstrechtsangelegenheiten" zurückgestellt worden seien.
Der Verwaltungsgerichtshof, auf den hiemit die Zuständigkeit zur Sachentscheidung übergegangen ist, hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 1 DVG hat die Behörde im Dienstrechtsverfahren die zum Vorteil und Nachteil der Partei dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen.
Nach § 74 Abs. 3 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Gemeinde Graz, LGBl. Nr. 30/1957, in der Fassung LGBl. Nr. 126/1968, (im folgenden kurz: DGO) können - soweit dem für den Beschwerdefall Bedeutung zukommt - einem Beamten als Belohnung für seine ausgezeichnete Dienstleistung außerordentliche Vorrückungen in eine höhere Gehaltsstufe zuerkannt werden.
Der Gemeinderat der Stadt Graz hat hiezu Richtlinien (im folgenden kurz: RL) erlassen, die am 3. Oktober 1977 im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 15 kundgemacht worden sind. Diese RL gliedern sich in sieben Abschnitte, wobei unter bestimmten weiteren Voraussetzungen die Möglichkeit der Zuerkennung einer außerordentlichen Vorrückung bzw. einer Dienstzulage für Beamte, die auf einem "wichtigen Dienstposten" verwendet werden und deren Leistung besonders wertvoll ist, vorgesehen ist. Die Z. 2 des Abschnittes II dieser RL, auf die sich der Beschwerdeführer in seinem Vorbringen ausdrücklich beruft, lautet wie folgt:
"2. Sekretären bzw. Referenten und Schreibkräften im Bürgermeisteramt, bei den Bürgermeisterstellvertretern und Stadträten sowie in den Personalvertretungen wird nach 8-jähriger Verwendung als solche eine Gehaltsvorrückung und nach 15-jähriger Verwendung als solche eine weitere Gehaltsvorrückung zuerkannt."
Mit Beschluß des Gemeinderates vom 4. November 1993, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 20 vom 2. Dezember 1993, wurden diese RL abgeändert, wobei insbesondere die Regelung des Abschnittes II Z. 2, auf die sich der Beschwerdeführer berief, entfallen ist.
Auf Grund der vorher wiedergegebenen Rechtslage ist davon auszugehen, daß die landesgesetzliche Bestimmung des § 74 Abs. 3 DGO eine Ermessensregelung im Sinne des Art. 130 Abs. 2 B-VG darstellt.
Den diese Bestimmung scheinbar durchführenden "RL" kommt aber nicht die Eigenschaft einer Rechtsverordnung zu. Dies insbesondere deshalb, weil diese RL nach ihrer sprachlichen Fassung als eine nur intern wirkende Regelung im Interesse einer einheitlichen Ermessensübung gedeutet werden können, die die Möglichkeit der Zuerkennung einer Belohnung vorsehen. Dafür spricht auch, daß sie als "RL" im Gegensatz zu den ebenfalls im Amtsblatt verlautbarten Verordnungen bezeichnet werden. Diese Betrachtung gebietet auch die gebotene gesetzeskonforme Interpretation, weil bei einer Wertung der Richtlinien als Rechtsverordnung gerade die Bestimmung, auf die sich der Beschwerdeführer beruft, in einem nicht überbrückbaren Spannungsverhältnis zum § 74 Abs. 3 DGO stünde. Es darf doch nicht von vornherein davon ausgegangen werden, daß Bedienstete, die eine bestimmte Zeit im Umfeld von politisch legitimierten bzw. bestellten Organwaltern tätig sind, JEDENFALLS eine ausgezeichnete Dienstleistung erbringen, die eine außerordentliche Vorrückung rechtfertigt.
Insoweit der Beschwerdeführer seinen vermeintlichen Anspruch auf diese RL stützt, ist dies rechtlich schon aus den vorher dargelegten Gründen verfehlt.
Ungeachtetdessen wäre aber die belangte Behörde auf Grund dieses Antrages, der - wenn auch unter Zitierung einer unzutreffenden Rechtsgrundlage - eindeutig auf Zuerkennung einer Belohnung in Form einer außerordentlichen Vorrückung gerichtet war, unter Beachtung des § 8 Abs. 1 DVG und des § 74 Abs. 3 DGO nach Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes verpflichtet gewesen, darüber zu entscheiden. Da die zu treffende Ermessensentscheidung rechtsgestaltend ist, hat die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung Anwendung zu finden.
Da die für die Verletzung der Entscheidungspflicht maßgebenden Rechtsprobleme damit geklärt sind, wird der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 4 VwGG aufgetragen, die versäumte Ermessensentscheidung unter Zugrundelegung der im Spruch zusammengefaßten Rechtsanschauung zu erlassen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Umsatzsteuer und an Stempelgebühren für Beilagen, die für die Rechtsverfolgung nicht erforderlich waren, war abzuweisen (vgl. beispielsweise Erkenntnis vom 17. April 1985, Zl. 83/01/0314 bzw. Erkenntnis vom 7. Februar 1969, Slg. Nr. 7505/A - nur RS, abgedruckt in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 687 bzw. 682).
Schlagworte
Anspruch auf Sachentscheidung Besondere RechtsgebieteMaßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltVerletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche AngelegenheitenErmessenBesondere Rechtsgebiete DienstrechtAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideAnspruch auf Sachentscheidung AllgemeinBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994120121.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
26.06.2017