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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der B in P, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 4. Oktober 1994, Zl. 15/48-7/1994, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Oktober 1994 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 23. Jänner 1994 um 4.15 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW auf der Brenner Bundesstraße 182 bei einer näher bezeichneten Örtlichkeit gelenkt, obwohl sie sich hiebei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Sie habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen, weshalb über sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 7.000,-- (eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts kostenpflichtig aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen aus, daß zwei Gendarmeriebeamten, die im Verwaltungsstrafverfahren als Zeugen einvernommen worden seien, eine unsichere Fahrweise der Beschwerdeführerin aufgefallen sei, weshalb sie einer routinemäßigen Kontrolle unterzogen worden sei. Hiebei sei bei ihr Alkoholgeruch der Ausatemluft wahrgenommen worden, sodaß sie sie aufgefordert hätten, einen Alkotest mittels Alkomat abzulegen. Bei der anschließenden Messung habe sich ein Atemluftalkoholgehalt von 0,41 mg pro Liter (erste Messung) und 0,42 mg pro Liter (zweite Messung) ergeben. Die Beschwerdeführerin selbst habe den Genuß von Alkohol vor Fahrantritt zugestanden, und zwar habe sie anläßlich des Alkomattests zwei 1/4 Liter gespritzten Wein angegeben, danach habe sie ihre Trinkverantwortung geändert und angegeben, zuerst 1/4 Liter gespritzten Wein getrunken und anschließend 1/4 Liter nicht gespritzten Wein konsumiert zu haben. Der beigezogene Sachverständige habe erklärt, daß ausgehend von der Trinkverantwortung der Beschwerdeführerin die Resorption zum Übertretungszeitpunkt nicht abgeschlossen gewesen sei. In der Resorptionsphase eile der Atemalkoholgehalt dem Blutalkohol voraus, was einem Umrechnungsfaktor von 1,7 rechtfertige, sodaß sich für den Sachverständigen nicht der Nachweis ergebe, daß "die 0,8 Promillegrenze" überschritten gewesen sei.
Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß das Gutachten des Sachverständigen insoferne nicht schlüssig sei, als es an einer konkreten Begründung mangle, wonach bei der Beschwerdeführerin eine "Resorptionsverzögerung vorgelegen haben" soll. Hiefür gebe es keinen Hinweis. Die Beschwerdeführerin hätte jedoch - zur Widerlegung des Ergebnisses der Atemluftalkoholuntersuchung - eine Blutabnahme und eine anschließende Untersuchung (des Blutes) veranlassen können, was sie unterlassen habe. Da sie durch ihre unsichere Fahrweise aufgefallen sei, sei im Zusammenhang mit dem "Alkomatmeßergebnis" von einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit auszugehen.
Die Beschwerdeführerin wendet dem gegenüber im wesentlichen ein, daß bei ihr kein "Sturztrunk" vorgelegen sei, weil sie nicht hochprozentige alkoholische Getränke in einem relativ kurzen Zeitraum getrunken habe, sondern sie habe den Rotwein schluckweise in einem Zeitraum von ca. zwei Stunden gleichmäßig bis zum Wegfahren konsumiert, wobei vom Wegfahren bis zur Anhaltung drei bis fünf Minuten vergangen seien. Auf Grund des Sachverständigengutachtens habe sich ergeben, daß die Resorption im Betretungszeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen sei, sodaß sich kein Nachweis für ein Erreichen oder Überschreiten der "0,8 Promille-Grenze" bei der Beschwerdeführerin und damit verbunden für eine alkoholbedingte Fahruntauglichkeit ergeben habe.
Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen:
Die Beschwerdeführerin gesteht - wie bereits ausgeführt - zu, daß sie Alkohol bis zum Wegfahren zu sich genommen habe. Sie verkennt, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Tatbestand des § 5 Abs. 1 StVO 1960 nicht nur bei Feststellung eines Alkoholgehaltes des Blutes von 0,8 mg pro Liter oder darüber bzw. der Atemluft von 0,4 mg pro Liter oder darüber, sondern auch - ohne Rücksicht auf die Höhe des Alkoholgehaltes des Blutes bzw. der Atemluft - bei Vorliegen einer derartigen Beeinträchtigung durch Alkohol als erfüllt anzusehen ist, bei der der Lenker infolge seiner körperlichen und geistigen Verfassung ein Fahrzeug nicht zu beherrschen oder die zum Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften nicht zu befolgen vermag. Eine auf die Einwirkung des Alkohols zurückzuführende Fahruntüchtigkeit stellt demnach ohne Rücksicht auf die Höhe des Blutalkoholgehaltes und ohne Rücksicht auf den Alkoholgehalt der Atemluft eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1994, Zl. 93/03/0120, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Es trifft zwar zu, daß der beim Alkoholdelikt betretene Beschuldigte den Beweis einer relevanten Veränderung des Blut - bzw. Atemalkoholgehaltes zwischen dem Lenken einerseits und dem Meßzeitpunkt andererseits ohne Beweismittelbeschränkung durch jedes Beweismittel erbringen kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings bereits wiederholt ausgesprochen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1994, Zl. 94/03/0090, mit weiteren Judikaturhinweisen), es stehe mit dem Stand der medizinischen Wissenschaft im Einklang, daß Alkohol in der Anflutungsphase besonders nachteilige Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit zeitige. Ein Alkoholgenuß kurz vor Fahrtantritt wirke sich auf den Alkoholgehalt des Blutes und der Atemluft erst nach einer gewissen Zeit aus, die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit trete aber sofort ein. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin bezieht sich diese Rechtsprechung nicht bloß auf den "Sturztrunk" von "großen" Alkoholmengen, abgesehen davon, daß auf Grund der eigenen Verantwortung der Beschwerdeführerin nicht davon ausgegangen werden kann, der von ihr vor Fahrtantritt genossene Rotwein habe derart geringen Alkoholwert aufgewiesen, daß er völlig ohne Wirkung gewesen wäre. Gegen die von der belangten Behörde - aufgrund der Angaben der Sicherheitswachebeamten - getroffene Feststellung, die Beschwerdeführerin habe eine unsichere Fahrweise an den Tag gelegt, vermag sie nichts Stichhältiges einzuwenden. Es bestehen somit im Ergebnis keine Bedenken gegen die Annahme einer Alkoholbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde, und zwar unabhängig davon, ob das Sachverständigengutachten hinsichtlich des Blutalkoholgehaltes im Zeitpunkt des Lenkens schlüssig ist oder nicht.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht gegeben ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Damit erübrigt sich eine gesonderte Entscheidung über den - zu hg. AW 94/03/0052 protokollierten - Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
TatbildAlkoholbeeinträchtigung von 0,8 %o und darüberAlkoholbeeinträchtigung FahrtüchtigkeitAlkoholbeeinträchtigung unter 0,8 %oAlkoholbeeinträchtigung BewußtseinsstörungBesondere Rechtsgebiete AlkoholisierungAlkoholbeeinträchtigung SturztrunkVerfahrensrecht BeweismittelFeststellung der Alkoholbeeinträchtigung NachtrunkLenken oder Inbetriebnehmen eines KraftfahrzeugesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994030306.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
19.04.2011