Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des P in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 1. Februar 1993, Zl. 3/07-7254/6-1993, betreffend Übertretung des Heimarbeitsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Das Arbeitsinspektorat für den 10. Aufsichtsbezirk erstattete mit Schreiben vom 27. Juni 1990 beim Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg betreffend die Firma X Ges.m.b.H. Strafanzeige wegen Übertretungen des Heimarbeitsgesetzes. Der Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg zog H als Geschäftsführerin der genannten Gesellschaft und den Beschwerdeführer als verantwortlichen Beauftragten als Beschuldigten dem Verfahren bei. Gegen H wurde das Straferkenntnis vom 7. Februar 1992 erlassen; dem Beschwerdeführer wurde zu Handen seines Vertreters das Schreiben vom 7. Februar 1992 mit folgendem Inhalt zugestellt:
"Der Magistrat Salzburg gestattet sich mitzuteilen, daß das im Betreff gen. Verwaltungsstrafverfahren gegen Herrn P gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG eingestellt wurde."
Auf Antrag des Arbeitsinspektorates für den
10. Aufsichtsbezirk stellte der Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg mit Bescheid vom 18. Jänner 1993 das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer ein. Gegen diesen Bescheid wurde vom Arbeitsinspektorat und vom Beschwerdeführer Berufung erhoben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde von der belangten Behörde lediglich über die Berufung des Arbeitsinspektorates dahingehend entschieden, daß gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1991 im Zusammenhalt mit den §§ 9 und 45 Abs. 1 lit. b VStG 1991 und gemäß § 6 (3) AIG in Verbindung mit den §§ 9, 10, 14, 18, 52, 54 und 64 des Heimarbeitsgesetzes in Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundesministers für Soziale Verwaltung vom 23. Oktober 1975, BGBl. Nr. 565/1975, der bekämpfte Bescheid wegen mangelhafter Sachverhaltsdarstellung und Verletzung von Verfahrensvorschriften behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines Bescheides an die Behörde erster Instanz rückverwiesen wird.
In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 66 Abs. 2 AVG 1991 aus, daß das angefochtene Erkenntnis nicht erkennen lasse, weshalb von der zwingenden Bestimmung des § 6 Abs. 3 des Arbeitsinspektionsgesetzes, wonach den zuständigen Arbeitsinspektoraten vor einer beabsichtigten Einstellung des Strafverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sei, abgegangen worden sei. Durch den Bescheid der belangten Behörde vom 11. Jänner 1993 hätte der Strafbehörde erster Instanz bekannt sein müssen, daß nicht H, sondern vielmehr gemäß § 9 VStG 1991 der Beschwerdeführer für die Mißachtung der aufgezeigten Bestimmungen des Heimarbeitsgesetzes heranzuziehen gewesen wäre. Der bekämpfte Bescheid lasse eine schlüssige Begründung dafür vermissen, weshalb das Verfahren gegen den Beschwerdeführer eingestellt worden sei bzw. weshalb die diesem anzulastenden Übertretungen keine strafbare Handlungen darstellten. Der angefochtene Bescheid sei somit zu beheben und an die erste Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bezeichnet den Spruch des angefochtenen Bescheides ("gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1991 im Zusammmenhalt mit den §§ 9 und 45 Abs. 1 lit. b VStG 1991") als falsch, weil gemäß § 24 VStG 1991 § 66 Abs. 2 AVG nicht anwendbar sei; vielmehr habe die Berufungsbehörde selbst in der Sache zu entscheiden. Diesem Einwand kommt im Ergebnis Berechtigung zu:
Die Rechtsmittelbehörde hat im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Eine andere Betrachtungsweise wird dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. 9315/A). § 66 Abs. 2 AVG ist im Verwaltungsstrafverfahren seit 1. Jänner 1991
(BGBl. Nr. 358/1990) nicht anzuwenden. Gemäß Art. II dieser Novelle waren die am 1. Jänner 1991 anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen. Daran hat sich auch durch die Wiederverlautbarungskundmachung, BGBl. Nr. 52/1991, nichts geändert. Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren ist bereits im Jahre 1990 anhängig geworden, sodaß entsprechend dieser Übergangsbestimmung die Rechtslage vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990 zutrifft. Demgemäß konnte die belangte Behörde nach § 66 Abs. 2 AVG den bei ihr angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. Juni 1994, Zl. 94/18/0100, und vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0067) berechtigt nicht jeder Verfahrensmangel die Berufungsbehörde dazu, von dieser Bestimmung Gebrauch zu machen; vielmehr ist eine Aufhebung und Zurückverweisung an die Erstbehörde nur zulässig, wenn sich der Mangel nicht anders als durch Vornahme einer mündlichen Verhandlung (in Rede und Gegenrede) beheben läßt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides finden sich keine Gründe für eine solche Unvermeidlichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die Anwendung des §§ 66 Abs. 2 AVG war daher rechtswidrig, weshalb der angefochtene Bescheid bereits aus diesem Grunde ohne Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Stempelgebühren konnten nur im erforderlichen Ausmaß (Beschwerde dreifach, angefochener Bescheid einfach) zugesprochen werden.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180128.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
19.11.2010