TE Vwgh Beschluss 1994/12/15 94/06/0154

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Veröffentlicht am 15.12.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/06/0189

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, in der Beschwerdesache des Dr. F in G, vertreten durch Dr. W, RA in X, gegen den Bescheid des BMwA vom 24. Mai 1994, Zl. 96 205/48-IX/6/93, betreffend Bescheinigung eines Vermessungsplanes gemäß § 20 Abs. 1 Vermessungsgesetz sowie über den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 46 VwGG, den Beschluß gefaßt:

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist wird gemäß § 46 VwGG abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach dem - mit dem vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften Rückschein der belangten Behörde übereinstimmenden - Eingangsvermerk auf dem angefochtenen Bescheid, wurde dieser am 6. Juni 1994 dem nunmehrigen Beschwerdevertreter zugestellt (woraus sich der 18. Juli 1994 als letzter Tag der Beschwerdefrist ergibt). Zu der in der (erst am 28. Juli 1994 zur Post gegebenen) Beschwerde erhobenen Behauptung des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid sei ihm am 17. Juni 1994 zugekommen, brachte der Beschwerdeführer über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes vor, daß der erstinstanzliche Bescheid des Vermessungsamtes Feldbach vom 31. Oktober 1990 dem Beschwerdeführer selbst zugestellt worden sei. Dagegen habe der Beschwerdeführer, vertreten durch einen namentlich genannten Wiener Rechtsanwalt, Berufung beim Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen erhoben. Da über diese Berufung nicht entschieden worden sei, habe der Beschwerdeführer am 21. Oktober 1992 einen Devolutionsantrag an die belangte Behörde gerichtet. Daraufhin habe die belangte Behörde am 16. April 1993 einen Aussetzungsbescheid im Sinne des § 38 AVG erlassen, der dem Beschwerdeführer am 20. April 1993 zugestellt worden sei. Der nunmehr angefochtene Bescheid sei aber nicht dem Beschwerdeführer "persönlich und selbst", sondern dem nunmehrigen Beschwerdevertreter zugestellt worden, der diesen Bescheid "keinem bei ihm aktenmäßig vorhandenen Verwaltungsverfahren zuordnen" habe können, in welchem er den Beschwerdeführer vertrete. Dies habe der Beschwerdevertreter auch telefonisch dem Beschwerdeführer mitgeteilt, worauf dieser den angefochtenen Bescheid anläßlich von Erhebungen am 17. Juni 1994 von einer Kanzleiangestellten aus der Kanzlei des Beschwerdevertreters habe beheben lassen. Im übrigen vertrete der Beschwerdeführer die Meinung, daß der angefochtene Bescheid richtigerweise an seinen namentlich genannten Wiener Rechtsanwalt hätte zugestellt werden müssen, weil dieser ja die Berufung gegen den Bescheid des Vermessungsamtes Feldbach erhoben habe und "durch die Stellung eines Devolutionsantrages dieses Vertretungsrecht hinsichtlich der Berufungsentscheidung nicht erlischt". In dem angefochtenen Bescheid sei nicht über den Devolutionsantrag sondern materiell über die Berufung des Beschwerdeführers entschieden worden, die von dem mehrfach genannten Wiener Rechtsanwalt erhoben worden sei. Aus diesem Grunde sei auch eine "allfällige Vertretung des Beschwerdeführers zur Stellung des Devolutionsantrages unbeachtlich, sondern ausschließlich von der Vertretung im Berufungsverfahren ... auszugehen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat - insoweit in Übereinstimmung mit dem zuletzt erwähnten Vorbringen des Beschwerdeführers - erhoben, daß in der vorliegenden Beschwerdesache die Berufung gegen den Bescheid des Vermessungsamtes Feldbach vom 31. August 1990 von einem Wiener Rechtsanwalt unter Berufung auf die gemäß § 10 Abs. 1 AVG erteilte Vollmacht erhoben wurde. Mit Schreiben, welches am 21. Oktober 1992 bei der belangten Behörde einlangte, stellte der "Berufungswerber und Devolutionswerber" (Beschwerdeführer), vertreten durch den nunmehrigen Beschwerdevertreter, der sich ebenfalls auf eine gemäß § 10 Abs. 1 AVG erteilte Vollmacht berief, einen Devolutionsantrag "wegen Untätigkeit des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen durch mehr als sechs Monate (das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen hat über die am 15. Oktober 1991 dorthin übersendete Berufung innerhalb von sechs Monaten nicht entschieden)".

Da sich der Beschwerdevertreter somit bei Stellung des Devolutionsantrages gegenüber der belangten Behörde auf eine gemäß § 10 Abs. 1 AVG erteilte, nicht weiter beschränkte Vollmacht berufen hat, durfte die belangte Behörde weitere Zustellungen in diesem Verfahren an den Beschwerdevertreter vornehmen. Ob die Berufung auf die erteilte Vollmacht seitens des Beschwerdevertreters die frühere Erklärung eines anderen Rechtsanwaltes im Berufungsschriftsatz, es sei ihm Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 AVG erteilt worden, zum Erlöschen gebracht hat oder ob beide Vertretungen für den Rest des Verfahrens nebeneinander bestehen bleiben, kann offenbleiben, da jedenfalls von einer wirksamen Zustellung an den Beschwerdevertreter am 6. Juni 1994 auszugehen ist.

Der Beschwerdevertreter hat innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Berichterverfügung, zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde Stellung zu nehmen, einen zu Zl. WE 94/06/0189 protokollierten Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Darin wird nach neuerlicher Darstellung des Zustellvorganges hinsichtlich des im Beschwerdeverfahren angefochtenen Bescheides ausgeführt, daß der Beschwerdevertreter nach Öffnen der eingeschriebenen Briefsendung "und oberflächlicher Durchsicht" den im Beschwerdeverfahren angefochtenen Bescheid seiner Kanzleiangestellten mit dem Auftrag übergeben habe, den dazugehörigen Handakt anzuschließen und ihm wieder vorzulegen. Die Kanzleiangestellte habe jedoch erklärt, den angefochtenen Bescheid keinem bestimmten Handakt zuordnen zu können. Nach mehrfacher Urgenz gegenüber der Angestellten glaubte sich der Beschwerdevertreter zu erinnern, in dieser Angelegenheit bereits eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben zu haben. Nach persönlichem Suchen sei dann der Handakt betreffend das Beschwerdeverfahren Zl. 93/06/0110 des Verwaltungsgerichtshofes aufgefunden worden. Der in diesem Verfahren angefochtene Bescheid sei an den Beschwerdeführer "persönlich adressiert und auch zugestellt worden" und auch sonst sei diesem Bescheid kein Hinweis auf eine Vertretung des Beschwerdeführers durch den Beschwerdevertreter zu entnehmen gewesen, weshalb der Beschwerdevertreter überzeugt gewesen sei, daß seine Angestellte auch den auf den angefochtenen Bescheid bezugnehmenden Handakt nicht habe finden können, weil es einen solchen nicht gegeben habe. Dies habe der Beschwerdevertreter dem Beschwerdeführer mitgeteilt, worauf dieser erklärte, daß er den angefochtenen Bescheid am nächsten Tag anläßlich von Erhebungen von seiner Kanzleiangestellten abholen lassen werde. Tatsächlich sei der Bescheid dem Beschwerdeführer bzw. seiner Kanzleiangestellten am 17. Juni 1994 aus der Kanzlei des Beschwerdevertreters übergeben worden. Die weiteren Ausführungen des Wiedereinsetzungsantrages versuchen darzulegen, daß die genannte Kanzleiangestellte des Beschwerdevertreters verläßlich sei, weshalb sich der Beschwerdevertreter auf ihre Angaben, daß "ein den angefochtenen Bescheid betreffender Verwaltungsakt (gemeint offenbar: Handakt) nicht vorhanden sei", habe verlassen können. Überdies habe der Beschwerdevertreter durch Einsichtnahme in seinen, das Beschwerdeverfahren beim Verwaltungsgerichtshof 93/06/0110 betreffenden Handakt festgestellt, daß der darin erliegende Bescheid des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 16. April 1993 betreffend die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Vermessungsamtes Feldbach vom 31. August 1990 an den Beschwerdeführer persönlich gerichtet gewesen und eine Vertretung aus diesem Bescheid nicht ersichtlich gewesen sei. Es liege daher ein Verschulden des Beschwerdeführers oder seines Vertreters nicht vor, wenn überhaupt, nur ein Grad des minderen Versehens. Zur Rechtzeitigkeit des "Wiederaufnahmsantrages" (gemeint offenbar: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) wird darin ausgeführt, daß die "geltend gemachten Wiederaufnahmsgründe" (gemeint offenbar: Wiedereinsetzungsgründe) dem Beschwerdeführer erst mit Zustellung der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes am 18. August 1994 bekanntgeworden seien. Bis dahin sei der Beschwerdeführer von der Rechtzeitigkeit der Beschwerde ausgegangen. Erst mit Zustellung der vorangeführten Verfügung habe der Beschwerdeführer im Zusammenwirken mit dem Beschwerdevertreter den Ablauf der Verfahrenshandlungen im Zusammenhang mit der der Erhebung der Beschwerde vorangegangenen Verwaltungsverfahren bei der Vermessungsbehörde genau geprüft und dabei die in der "Wiederaufnahme" (gemeint offenbar: Wiedereinsetzung) geltend gemachten Gründe festgestellt und von der seitens des Verwaltungsgerichtshofes angenommenen Rechtswirksamkeit der Zustellung des im Beschwerdeverfahren angefochtenen Bescheides bereits zum 6. Juni 1994 Kenntnis erlangt.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, also dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat, eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung an der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen.

Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Hindernis für die Versäumung der Beschwerdefrist liegt nach seinem zusammenfassenden Vorbringen darin, daß der Beschwerdevertreter nach Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 24. Mai 1994 seinen eigenen Angaben zufolge nicht in der Lage war, in seinen Kanzleiunterlagen festzustellen, daß er in dem der Erlassung dieses Bescheides vorangegangenen Verwaltungsverfahren (auch) als Parteienvertreter eingeschritten ist und ihm daher wirksam zugestellt werden konnte.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine der Grundvoraussetzungen einer ordnungsgemäßen Kanzleiorganisation, daß behördliche Erledigungen, deren Zustellung den Lauf von Rechtsmittelfristen auslösen, rasch und ohne besondere Schwierigkeiten dem jeweiligen Handakt, welcher über die Vorgänge in diesem Verfahren und über die bisher gesetzten Vertretungshandlungen des Rechtsanwaltes Auskunft gibt, zugeordnet werden können. Aus welchen Gründen der Beschwerdevertreter hier nicht in der Lage gewesen ist, festzustellen, daß er in diesem Verwaltungsverfahren bei Stellung des Devolutionsantrages eingeschritten und sich auf die erteilte Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 AVG berufen hat, wird im Wiedereinsetzungsantrag nicht näher ausgeführt. Es kommt nicht darauf an, daß die "verläßliche Kanzleikraft" des Beschwerdevertreters die Zuordnung des Bescheides zum Handakt des Beschwerdevertreters nicht vornehmen konnte; von Interesse für das Wiedereinsetzungsverfahren wäre allein die Angabe der Gründe gewesen, aus denen der Kanzleikraft diese Zuordnung nicht möglich war. Dazu wird im Wiedereinsetzungsantrag jedoch nichts vorgebracht.

Es ist dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar, aus welchem Grund der Beschwerdevertreter es angesichts der offenkundigen Schwierigkeiten, diesen Bescheid einem Handakt zuzuordnen, unterlassen hat, sich durch die (erst später vorgenommene) "genaue Prüfung in den Verwaltungsakten der belangten Behörde" zu vergewissern, ob eine rechtswirksame Zustellung an seine Kanzlei in dieser Sache erfolgen konnte. Es kann daher keine Rede davon sein, daß der Beschwerdevertreter außerstande gewesen wäre, das einer rechtzeitigen Beschwerdeerhebung entgegenstehende Hindernis (nämlich das Fehlen der positiven Kenntnis einer wirksamen Zustellung des Bescheides) vor Ablauf der Beschwerdefrist zu beseitigen.

Es wird auch im Wiedereinsetzungsantrag nicht näher ausgeführt, aus welchen Gründen auch der Beschwerdeführer selbst nach Übernahme des Bescheides am 17. Juni 1994 keine weitere Nachforschung in den Akten der Behörde angestellt hat.

Wenn eine Behörde dem äußeren Anschein nach eine formal richtige Zustellung eines Bescheides mit Rückschein vornimmt und während der Frist von sechs Wochen ab der Zustellung weder eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben, noch Schritte unternommen werden, um die zunächst angenommene Fehlzustellung verläßlich zu verifizieren, so liegt darin ein grobes Verschulden, welches die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt. Aus dem Umstand allein, daß der Bescheid in der Kanzlei des Beschwerdevertreters einem Handakt nicht zugeordnet werden konnte, durften der (als Notar rechtskundige) Beschwerdeführer, aber auch der Beschwerdevertreter nicht ohne weitere Erhebungen auf eine Unwirksamkeit der Zustellung schließen. Wären Nachforschungen in den Verwaltungsakten der belangten Behörde angestellt worden, so wäre unschwer festzustellen gewesen, daß bei Stellung des Devolutionsantrages der Beschwerdevertreter für den Beschwerdeführer aufgetreten ist und sich dabei ganz allgemein (und nicht etwa auf die Stellung dieses Devolutionsantrages eingeschränkt) auf eine Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 AVG berufen hat.

Sohin war der Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet ab- und die Beschwerde demzufolge als verspätet zurückzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994060154.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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