TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/15 94/19/0698

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Veröffentlicht am 15.12.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Auskunftspflicht;
14/01 Verwaltungsorganisation;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;
AVG §39 Abs2;
B-VG Art20 Abs3;
B-VG Art20 Abs4;
B-VG Art82;
B-VG Art83;
B-VG Art87a;
B-VG Art91;
B-VG Art94;
StAG §35;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des Dr. F in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 6. September 1993, Zl. 42.890/140-IV 2/93, betreffend Nichterteilung einer Auskunft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 6. September 1993 wurde ausgesprochen, daß die vom Beschwerdeführer zu folgenden Fragen begehrte Auskunft nicht erteilt werde:

"1)

Welcher Beamter des Bundesministeriums für Jusitz hat den Erlaß vom 5. Mai 1988, JMZl. 42.890/80-IV 2/1988, approbiert?

2)

Ist der Akt JMZl. 42.890/80-IV 2/1988 vor Abfertigung oder vor Genehmigung folgenden Personen zur Kenntnis gebracht worden, wenn ja wann:

2.1. Dem damaligen Bundesminister für Justiz, Dr. Foregger, und 2.2. dem Sektionsleiter, Dr. jur. C".

Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, diese Fragen stünden im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme eines gerichtlichen Strafverfahrens, und zwar im Zusammenhang mit der unterlassenen Wiederaufnahme des gegen den Beschwerdeführer beim Landesgericht Korneuburg anhängig gewesenen Strafverfahrens. Gerichtliche Strafsachen seien jedoch Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit und daher dem Geltungsbereich des Auskunftspflichtgesetzes entzogen. Die Amtsvorgänge und Erwägungen im Bereich der staatsanwaltschaftlichen Behörden und letztlich auch des im Instanzenzug befaßten Bundesministeriums für Justiz seien amtsgeheim (siehe hiezu die Bestimmungen des StAG über die beschränkte Einsicht in Tagebücher). Das Auskunftspflichtgesetz biete keine Handhabe, dieses Prinzip zu durchbrechen. Im übrigen habe ein Antragsteller nach dem Auskunftspflichtgesetz lediglich Anspruch darauf, Tatsachen zu erfahren. Über die Motivationen und das Zustandekommen eines Willensbildungsprozesses sei er nicht zu informieren. Ihm sei lediglich das Ergebnis mitzuteilen. Schließlich brauche zu den gestellten Fragen auch deshalb keine Auskunft erteilt werden, weil der Antragsteller selbst das Wiederaufnahmeverfahren hätte in Gang setzen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich - seinem gesamten Vorbringen zufolge - durch den angefochtenen Bescheid im Recht, daß ihm die begehrte Auskunft nicht verweigert werde, verletzt. Er bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, seine Fragen hätten sich nicht auf ein gerichtliches Verfahren bezogen, sondern ausschließlich auf Vorgänge im Bereich der belangten Behörde, die ein Verwaltungsorgan sei. Auch aus den für die belangte Behörde bestehenden gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten könne eine "Berechtigung", die Beantwortung der gestellten Fragen abzulehnen, nicht abgeleitet werden. Im übrigen seien nach den Bestimmungen des StAG Tagebücher nur von den Staatsanwaltschaften, nicht aber von der belangten Behörde zu führen; die Akten der belangten Behörde seien keine Tagebücher. Selbst in Tagebücher könne allerdings - was die belangte Behörde übersehen habe - Einsicht gewährt werden, wenn ein "vergleichbar wichtiger Grund" gegeben sei, der etwa dann vorläge, wenn es darum gehe, die Voraussetzungen für eine mögliche Haftung von Organen der Republik Österreich zu ermitteln. Soweit die belangte Behörde damit argumentiere, es bestehe keine Verpflichtung, über Motivationen und das Zustandekommen eines Willensbildungsprozesses informiert zu werden, halte er dem entgegen, daß er nicht nach Motivationen und dgl. gefragt habe, sondern danach, wer einen Erlaß approbiert habe und wem der Inhalt eines Aktes zur Kenntnis gebracht worden sei, sohin nach Tatsachen, die sich in der Vergangenheit ereignet und im Hinblick auf ihren (schriftlichen) Niederschlag in einem amtlichen Akt zum unveränderlichen Wissensstand der belangten Behörde gehörten. Soweit die belangte Behörde die beantragte Auskunft auch deshalb verweigert habe, weil der Beschwerdeführer selbst ein Wiederaufnahmeverfahren hätte in Gang setzen können, liege "ein völliges Verkennen der Sach- und Rechtslage" vor, zumal die begehrte Auskunft im (gerichtlichen) Wiederaufnahmeverfahren nicht zu erteilen sei.

Die Beschwerde ist berechtigt:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Auskunftspflichtgesetzes haben die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

Unter Organen des Bundes im Sinne dieser Bestimmung sind - wie aus dem Zusammenhalt mit Art. 20 Abs. 4 B-VG, wonach die Pflicht zur Auskunftserteilung über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches die mit Aufgaben der Bundesverwaltung betrauten Organe trifft, deutlich wird - Bundesorgane zu verstehen, die und soweit sie mit Aufgaben der Bundesverwaltung betraut sind. Die belangte Behörde vertritt daher zu Recht die Auffassung, daß die Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit vom Geltungsbereich des Auskunftspflichtgesetzes nicht erfaßt seien. Sie verkennt allerdings den Umfang der solcherart vom Auskunftspflichtgesetz nicht erfaßten Angelegenheiten, wenn sie vermeint, daß dazu auch Angelegenheiten zählten, die "im Zusammenhang" mit einem gerichtlichen Strafverfahren stehen. Es fallen nämlich als Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit gemäß den Bestimmungen der Art. 82 f B-VG nur jene Angelegenheiten nicht in den Vollziehungsbereich "Verwaltung", die von Richtern in Ausübung ihres richterlichen Amtes - allenfalls unter Mitwirkung des Volkes (Art. 91 B-VG) - bzw. von Rechtspflegern im Sinne des Art. 87a B-VG zu besorgen sind (vgl. dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverwaltungsrechtes7 (1992) Rz 757). Daß sich die Anfrage des Beschwerdeführers jedoch auf derartige Angelegenheiten bezöge, behauptet die belangte Behörde, die bloß von einem "Zusammenhang" der Anfrage mit einem gerichtlichen Strafverfahren ausgeht, selbst nicht.

Daß der vom Beschwerdeführer begehrten Auskunft eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegenstünde, wird von der belangten Behörde unter Hinweis darauf, daß "Amtsvorgänge und Erwägungen im Bereich der staatsanwaltschaftlichen Behörden und letztlich auch des im Instanzenzug befaßten Bundesministeriums für Justiz amtsgeheim" seien, behauptet. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, daß die Bestimmungen des StAG für die Verwaltungsakten des Bundesministers für Justiz nicht anzuwenden seien und daß selbst nach den Bestimmungen des StAG - wenn auch im eingeschränkten Ausmaß - in die Tagebücher der Staatsanwaltschaften eingesehen werden kann, so ist darauf hinzuweisen, daß durch den Inhalt seines Auskunftsbegehrens, das ausschließlich auf Bekanntgabe der Tätigkeit und Nennung von Organwaltern gerichtet war, ein direkter Zusammenhang mit Inhalten von dem StAG unterliegenden Akten (Behelfen und Unterlagen) nicht besteht, sodaß die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid diesen nicht zu tragen vermögen. Vor dem Hintergrund des Art. 20 Abs. 3 B-VG, wonach nicht jedes Geheimhaltungsinteresse einer Gebietskörperschaft sondern nur die hier taxativ aufgezählten Interessen eine Geheimhaltung rechtfertigen, wäre es vielmehr Aufgabe der belangten Behörde gewesen, darzulegen, aus welchen Gründen ein von Art. 20 Abs. 3 B-VG erfaßtes Interesse an der Geheimhaltung der begehrten Auskunft besteht.

Aus welchen Gründen die vom Beschwerdeführer begehrte Auskunft nicht eine solche über Tatsachen sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof schließlich ebensowenig zu erkennen, wie die Stichhaltigkeit des Arguments, es brauche die begehrte Auskunft nicht erteilt werden, weil der Beschwerdeführer das Wiederaufnahmeverfahren selbst hätte in Gang setzen können. Denn daß die begehrte Auskunft im Wiederaufnahmeverfahren erlangt werden könnte, oder daß die Auskunft mutwillig im Sinne des § 1 Abs. 2 Auskunftspflichtgesetz verlangt worden wäre, behauptet die belangte Behörde selbst nicht.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher aus den dargelegten Gründen als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet. Er war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das die Stempelgebühren betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da ein Gebührenersatz nur im gesetzlich gebotenen Ausmaß zuerkannt werden kann.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190698.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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