TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/15 94/06/0152

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Veröffentlicht am 15.12.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des D in M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 14. Juni 1994, Zl. 1/02-33.954/5-1994, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung als verspätet (mitbeteiligte Partei: Gemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde M vom 22. März 1994 wurde in einer Bausache die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde als verspätet zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid wurde damit begründet, daß der Bescheid der Gemeindevertretung vom 22. März 1994 am 29. März 1994 beim zuständigen Postamt hinterlegt worden sei. Mit Beginn der in § 17 Abs. 3 Zustellgesetz vorgesehenen zweiwöchigen Abholfrist gelte die hinterlegte Sendung als zugestellt, sodaß die Frist für die rechtzeitige Erhebung der Vorstellung am 12. April 1994 geendet habe. Das Rechtsmittel sei jedoch erst am 22. April 1994 zur Post gegeben worden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen, der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerde, führt der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, daß entgegen den gesetzlichen Bestimmungen des Zustellgesetzes kein zweiter Zustellversuch unternommen worden sei. Überdies gelte eine hinterlegte Sendung dann nicht als zugestellt, wenn sich ergebe, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen habe können. Diesfalls werde die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung habe behoben werden können. Im gegenständlichen Fall sei es so gewesen, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 28. März 1994 bis 8. April 1994 von der Abgabestelle abwesend gewesen sei und somit nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang habe Kenntnis erlangen können (Hinweis auf § 17 Abs. 3 Zustellgesetz). Der Beschwerdeführer sei am Morgen des Montag, 28. März 1994, nach Salzburg-Stadt "zum Dienstantritt gereist". Das folgende verlängerte Osterwochenende habe er zu einem Ausflug zu Freunden nach Mailand genutzt, wobei eine Rückkehr an die Abgabestelle an diesem Wochenende nicht erfolgt sei, sondern der Beschwerdeführer "aus Zeitmangel direkt nach Salzburg-Stadt zum Dienstantritt am Dienstag, den 5.4.1994" angereist sei. Vom Zustellvorgang habe der Beschwerdeführer somit erst am Freitag, den 8. April 1994 (Tag der Rückkehr an die Abgabestelle) Kenntnis erlangen können und an diesem Tag die Sendung auch sofort behoben. Die Rechtsmittelfrist habe daher erst am Montag, den 11. April 1994 begonnen.

Dem hielt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, entgegen, daß für sie keine Veranlassung bestanden habe, Ermittlungen über eine allfällige Änderung der Abgabestelle anzustellen. Die Abwesenheit über ein verlängertes Wochenende (Osterfeiertage) hätte den Beschwerdeführer nicht gehindert, an die Abgabestelle zurückzukehren, sodaß er rechtzeitig vom Zustellvorgang habe Kenntnis erlangen können, da die Fahrtzeit vom Dienstort zum Wohnort ca. eine Autostunde betrage, demnach eine Entfernung, die sogar täglich zurückgelegt werden könne. Mit der bloßen Behauptung über die Osterfeiertage bei Mailänder Freunden gewesen zu sein, könne das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz nicht dargetan werden.

Mit Berichterverfügung vom 27. September 1994 hat der Verwaltungsgerichtshof den Beschwerdeführer zu Handen des Beschwerdevertreters aufgefordert, die in der Beschwerde behauptete Ortsabwesenheit vom 28. März bis 8. April 1994 für den gesamten Zeitraum zu bescheinigen. Mit Schriftsatz vom 10. November 1994 hat der Beschwerdeführer Bestätigungen und Erklärungen dritter Personen vorgelegt aus denen hervorgeht, daß er sich vom 1. April 1994 bis 4. April 1994 in Mailand und in der Zeit vom 28. März 1994 bis 1. April 1994 sowie vom 5. April 1994 bis 8. April 1994 bei seinen Eltern in Salzburg aufgehalten und in dieser Zeit keine Fahrten an seinen Wohnort unternommen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 1 Zustellgesetz ist die Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes ist gemäß dessen § 4 jener Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort.

Der Beschwerdeführer bestreitet in diesem Zusammenhang nicht, daß die hier strittige Postsendung an den Wohnort des Beschwerdeführers, somit an eine zulässige Abgabestelle adressiert war.

Gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz ist das Schriftstück beim zuständigen Postamt zu hinterlegen, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann.

Gemäß § 17 Abs. 2 ist von der Hinterlegung der Empfänger schriftlich zu verständigen, welche den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen hat.

Gemäß § 17 Abs. 3 ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde eine Ortsabwesenheit im Sinne der zuletzt wiedergegebenen Bestimmung des § 17 Abs. 3 letzter Satz Zustellgesetz geltend und erstattet dazu ein umfangreiches Vorbringen. Damit wird der Sache nach insoweit eine Verletzung des Parteiengehörs durch die belangte Behörde geltend gemacht, als diese die Vorstellung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen hat, ohne zuvor den Beschwerdeführer zu dem in Aussicht genommenen Zurückweisungsgrund bzw. dem Sachverhalt, wie er sich der belangten Behörde dargestellt hat, zu hören. Damit begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Grunde des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG, d.h., daß die belangte Behörde dadurch, daß sie dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör gewährt hat, Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt es jedoch in einem solchen Fall am Beschwerdeführer, die Relevanz der von ihm aufgezeigten Verfahrensmängel so darzulegen, daß der Verwaltungsgerichtshof in der Lage ist zu erkennen, ob die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit2, Seite 600 f, zitierte verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung).

Andererseits ist der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung der Fragen, ob ein Verfahrensmangel wesentlich ist oder ob die belangte Behörde unter Vermeidung des gegebenen Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, berechtigt, Beweisaufnahmen durchzuführen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. Dezember 1978, Slg. Nr. 9723/A u.a.).

Die dem Verwaltungsgerichtshof vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen könnten - nähme man die darin behaupteten bzw. dargelegten Umstände als erwiesen an - zur Bejahung einer Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers im hier maßgebenden Zeitraum führen. Dem Verwaltungsgerichtshof obliegt in diesem Zusammenhang keine abschließende Würdigung der Beweise. Es genügt, daß unter Zugrundelegung dieser Umstände ein anderes Ergebnis des Verwaltungsverfahrens möglich wäre. Ob dies im Ergebnis zutrifft, wird die belangte Behörde zu ermitteln und danach neu zu beurteilen haben. Sollte es zutreffen, daß der Beschwerdeführer bis 8. April 1994 ortsabwesend war und frühestens am 11. April 1994 (d.h. einen Tag vor Ablauf der Rechtsmittelfrist) in der Lage gewesen ist, die Sendung zu beheben, wäre die Zustellung erst mit diesem Tag wirksam geworden und hätte die Rechtsmittelfrist daher erst mit diesem Tag zu laufen begonnen.

Dadurch, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur Frage der Rechtzeitigkeit seiner Vorstellung in Verletzung des § 45 Abs. 3 AVG kein Parteiengehör gewährt hat, hat sie - möglicherweise mit Einfluß auf das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens - Verfahrensvorschriften verletzt; der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 461/1994.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Beweisaufnahme durch den VwGH Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994060152.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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