TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/15 94/06/0150

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Veröffentlicht am 15.12.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
20/13 Sonstiges allgemeines Privatrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
96/01 Bundesstraßengesetz;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §74 Abs2;
BStG 1971 §17;
BStG 1971 §20 Abs1;
BStG 1971 §3;
EisbEG 1954 §44;
MRKZP 01te Art1;
StGG Art5;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des JH und der TH in H, beide vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. Juli 1994, Zl. 870.095/56-VI/12a-94, betreffend Enteignung für Zwecke einer Bundesstraße (mitbeteiligte Partei: Bund, Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch den Landeshauptmann von Oberösterreich in Linz, Kärntner Straße 12), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,--, sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des Grundstückes EZ 105, Grundstücksnummer 720/1, KG S.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich als Bundesstraßenbehörde erster Instanz vom 17. November 1992, Zl. BauR-250437/22-1992 BA/Sta, wurde für die Errichtung des Gehsteiges entlang der N Bundesstraße B nnn von km 5,235 bis 5,605 links im Sinne der Kilometrierung in der Ortschaft K im Gemeindegebiet von H das dauernde und lastenfreie Eigentum an ca. 70 m2 des oben angeführten Grundstückes einschließlich des darauf befindlichen Bewuchses und der darauf befindlichen Anlagen, unbeschadet der genauen Vermessung in der Natur, für die Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, im Wege der Enteignung nach Maßgabe der bei der mündlichen Verhandlung vorliegenden Planunterlagen von Herrn Dipl.-Ing. F.A. in Anspruch genommen.

Der dagegen eingebrachten Berufung der Beschwerdeführer wurde nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 25. Mai 1994 mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. Juli 1994 keine Folge gegeben. Im Spruch dieses angefochtenen Bescheides heißt es weiters, daß über die Frage des Ersatzes der Kosten rechtsfreundlicher Vertretung mit einem eigenem Bescheid abgesprochen werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Für die Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalls sind folgende Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes 1971 (BStG), BGBl. 1971/286 i.d.F. BGBl. Nr. 33/1994, maßgeblich:

"Bestandteile der Bundesstraße

§ 3

Als Bestandteile der Bundesstraße gelten neben den unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen, wie Fahrbahnen, Gehsteige, Rad- und Gehwege, Parkflächen, Haltestellenbuchten, der Grenzabfertigung dienende Verkehrsflächen, ...

Enteignung

§ 17

Für die Herstellung, Erhaltung und Umgestaltung von Bundesstraßen samt den zugehörigen baulichen Anlagen sowie aus Verkehrsrücksichten kann das Eigentum an Liegenschaften, die dauernde oder zeitweilige Einräumung, Einschränkung und Aufhebung von dinglichen und obligatorischen Rechten (insbesondere Nutzungs- und Bestandrechten) an solchen im Wege der Enteignung in Anspruch genommen werden. ...

Entschädigung, Parteistellung

§ 18

(1) Dem Enteigneten gebührt für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Schadloshaltung (§ 1323 ABGB). Bei Bemessung der Entschädigung hat jedoch der Wert der besonderen Vorliebe und die Werterhöhung außer Betracht zu bleiben, den die Liegenschaft durch die straßenbauliche Maßnahme erfährt. Hingegen ist auf die Verminderung des Wertes eines etwa verbleibenen Grundstücksrestes Rücksicht zu nehmen. Ist dieser Grundstücksrest unter Berücksichtigung seiner bisherigen Verwendung nicht mehr zweckmäßig nutzbar, so ist auf Verlangen des Eigentümers das ganze Grundstück einzulösen.

(2) ...

(3) ...

Enteignungsverfahren

§ 20

(1) Über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung entscheidet der Landeshauptmann als Bundesstraßenbehörde (§ 32) unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, in der geltenden Fassung, wobei auch auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung Rücksicht zu nehmen ist. Kommen hiebei Eisenbahngrundstücke in Betracht, so ist im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr als Eisenbahnbehörde vorzugehen.

(2) Der Enteignungsbescheid hat zugleich eine Bestimmung über die Höhe der Entschädigung zu enthalten. Diese ist auf Grund der Schätzung beeideter unparteiischer Sachverständiger unter Beobachtung der in den §§ 4 bis 8 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, aufgestellten Grundsätze zu ermitteln.

(3) Gegen die Entscheidung des Landeshauptmannes über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung ist die Berufung an das Bundesministerium für Bauten und Technik zulässig. Eine Berufung bezüglich der Höhe der im Verwaltungswege zuerkannten Entschädigung ist unzulässig. Doch steht es jedem der beiden Teile frei, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Enteigungsbescheides die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht zu begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet.

..."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes ist verfassungsrechtlich eine Enteignung zulässig, wenn ein konkreter Bedarf nach Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Vorhabens besteht (vgl. zum öffentlichen Interesse das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1973, B 214/73, VfSlg. 7238/73 und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1982, Zl. 81/06/0123), wenn weiters das Objekt der Enteignung geeignet ist, diesen Bedarf unmittelbar zu decken und es schließlich unmöglich ist, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken (vgl. das Erkenntnis vom 17. Februar 1994, Zl. 92/06/0253).

Soweit die Beschwerdeführer darauf verweisen, daß sich die Frage der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit des geplanten Projektes am konkreten Bedarf orientieren müsse, die Notwendigkeit eines Gehsteiges auch von der Häufigkeit des Fußgängerverkehrs abhängig gemacht werden müsse und überdies das Gehsteigprojekt als Ganzes beurteilt hätte werden müssen, um festzustellen, welche Straßenseite zweckmäßiger sei, ist auf die umfangreichen Sachverständigengutachten im Verfahren erster und zweiter Instanz zu verweisen, aus denen schlüssig hervorgeht, daß eine konkrete Notwendigkeit an der Gehsteigerrichtung auf dieser Straßenseite besteht, da sich die öffentlichen Verkehrsbeziehungen hauptsächlich auf dieser Straßenseite abspielen, insbesondere weil sich dort die Bahnhaltestelle, die Schulbushaltestelle sowie ein Kaufgeschäft befinden und eine dichtere Verbauung gegeben ist. Nach den schlüssigen Sachverständigengutachten ist überdies erkennbar, daß dieses Straßenbauprojekt auch das wirtschaftlichste ist.

Bei Klärung der Frage, ob das Gehsteigprojekt das Notwendigkeitskriterium erfüllt, ist zu berücksichtigen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Notwendigkeit einer Enteignung zumindest schon dann gegeben ist, wenn durch Baumaßnahmen der Bundesstraßenverwaltung ungünstige Verkehrsverhältnisse verbessert werden können (vgl. das Erkenntnis vom 27. März 1980, Zl. 1123/77). Diese Verbesserung liegt für den Fußgängerverkehr zweifelsfrei vor, da ohne die Errichtung des Gehsteiges, der mit Ausnahme vor der Liegenschaft der Bfr bereits errichtet ist, die Fußgänger gezwungen wären, die Bundesstraße 2 mal zu überqueren.

Die Argumentation der Beschwerdeführer, daß durch die Errichtung des Gehsteiges ein weiterer Verbleib in ihrem Wohnhaus unzumutbar wäre, da vorübergehende Fußgänger Einblick in ihre Wohnräumlichkeiten nehmen können und diesbezüglich ein wohnpsychologisches Gutachten erforderlich sei, ist nicht geeignet, die Zulässigkeit der Enteignung in Frage zu stellen. Auch im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, die in verfassungskonformer Auslegung des BStG bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Enteignung anzustellen ist, erscheint der ins Treffen geführte Gesichtspunkt der Beeinträchtigung der Wohnqualität nicht von einem derartigen Gewicht, daß er das im öffentlichen Interesse gegebene Verkehrsinteresse im vorliegenden Fall aufwiegen könnte. Von einer konkreten Feststellung hinsichtlich der Intensität des Eingriffes konnte daher Abstand genommen werden. Im übrigen wurde für die Wertminderung der erdgeschoßig gelegenen Wohnräume im Enteignungsbescheid erster Instanz eine ensprechende finanzielle Abgeltung vorgenommen, wobei sogar der vom Sachverständigen angegebene Betrag für den Einbau von Jalousien berücksichtigt wurde.

Zur Argumentation der Beschwerdeführer, daß der enteignete Grund über 30 m Länge vom Dach ihres Hauses überragt werde und nach § 297 ABGB auch der Luftraum und deshalb auch das Dach enteignet wäre, weshalb infolge der Unmöglichkeit der Sonderrechtsfähigkeit eines Dachteiles die gesamte Liegenschaft samt den darauf befindlichen Gebäuden zu enteignen gewesen wäre, ist anzumerken, daß aus dem vom Verfassungs- und vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Grundsatz der Eingriffsminimierung im Enteignungsverfahren abgeleitet werden muß, daß im Enteignungsverfahren nur jene Grundstücks- oder Gebäudeteile beansprucht werden dürfen, welche für die projektierte Baumaßnahme selbst erforderlich sind. Im vorliegenden Beschwerdefall ist aber unbestritten, daß das über eine Länge von ca. 30 m in einer Höhe von ca. 2,5 m den Gehsteig überragende Dach für das Straßen- und Gehsteigprojekt selbst nicht erforderlich ist. Schon aus diesem Grund war der verfahrensgegenständliche Dachteil mit Recht nicht von der Enteignung umfaßt. Es ist zwar richtig, daß sich der Dachvorsprung künftig im Luftraum über öffentlichem Gut befindet, was aber im Hinblick auf die Bestimmung des § 33 Abs. 1 der Oö Bauordnung 1976 unbedenklich ist.

Mit der Rüge, über den Ersatz der Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung dürfe nicht in einem eigenen Bescheid abgesprochen werden, da das Zug-um-Zug Prinzip der Enteignung dadurch verletzt werde, verkennen die Bfr, daß das EisbEG, das gemäß § 20 Abs. 1 BStG sinngemäß anzuwenden ist, lediglich die Kostentragungspflicht des Enteigners regelt, nicht jedoch den Zeitpunkt des Zuspruches der Vertretungskosten. Die Unterlassung des Abspruchs über die Vertretungskosten macht daher die Entscheidung über die Enteignung nicht rechtswidrig. Soweit die belangte Behörde damit ihre Entscheidungspflicht verletzt haben sollte, stünde den Beschwerdeführern allenfalls der Weg der Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof offen. Es findet daher die allgemeine Regelung über Inhalt und Form der Bescheide des § 59 Abs. 1 AVG Anwendung.

Aus § 59 AVG kann aber nicht abgeleitet werden, daß über Verfahrenskosten nicht in einem eigenen Bescheid abgesprochen werden kann (vgl. das Erkenntnis vom 25. November 1960, 1376/60, VwSlg. 5432/A, und Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, Anm. 6 zu § 74 Abs. 2 AVG.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Die Kostenentscheidung begründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter AbspruchVerletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994060150.X00

Im RIS seit

27.03.2001

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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