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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §64 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/19/0810Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden des B in R, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. H in I, gegen die Bescheide des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 29. März 1993, Zl. Jv 1072-5 E/93, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, und vom 4. August 1993, Zl. Jv 1838-5 E/93, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens i.A. Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Dolmetscher, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit der am 26. November 1993 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachen und von diesem mit Beschluß vom 10. Dezember 1993, Zl. B 1132/93-8, nach Ablehnung ihrer Behandlung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde (hg. Zl. 94/19/0015) bekämpft der Beschwerdeführer den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 29. März 1993, mit dem sein Antrag, seiner Berufung gegen den Bescheid des Landesgerichtes Feldkirch (richtig wohl: des Präsidenten dieses Gerichtshofes) vom 24. Februar 1993 - mit dem ihm die Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Dolmetscher für die türkische Sprache entzogen worden war - zurückgewiesen wurde.
Mit dem (mit einer Beschwerde zur hg. Zl. 94/19/0810) des weiteren vor dem Gerichtshof bekämpften Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 4. August 1993 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des Präsidenten dieses Gerichtshofes vom 29. April 1993 abgeschlossenen Entziehungsverfahrens - mit dem seine Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Entziehungsbescheid bestätigt worden war - gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG abgewiesen.
Die belangte Behörde legte in beiden Beschwerdeverfahren die jeweiligen Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete (für beide Verfahren) eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerden kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über beide Beschwerden - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Zu der (abgetretenen) Beschwerde Zl. 94/19/0015:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid (vom 29. März 1993) in dem Recht verletzt, daß seiner gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid erhobenen Berufung bei Vorliegen der Voraussetzungen aufschiebende Wirkung zuerkannt werde. Er bringt hiezu in seiner mit dem Schriftsatz vom 11. April 1994 ergänzten Beschwerde im wesentlichen vor, die belangte Behörde hätte über seinen Antrag meritorisch entscheiden müssen. Im Sachverständigen- und Dolmetschergesetz sei keine Bestimmung vorhanden, die eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausschließen würde. Die im § 11 leg. cit. getroffene Regelung sei in Verbindung mit § 64 AVG zu betrachten. Es sei "unerklärlich" und "unlogisch", warum in einem Verfahren nach dem SDG die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausgeschlossen sein sollte.
Die Ausführungen der Beschwerde sind nicht geeignet, diese zum Erfolg zu führen:
Dem Beschwerdeführer ist mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Feldkirch vom 24. Februar 1993 die Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Dolmetscher für die türkische Sprache entzogen worden. Gemäß § 11 SDG (Bundesgesetz über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher, BGBl. Nr. 137/1975) steht dem Sachverständigen - und unter Bedachtnahme auf § 14 leg. cit. auch dem Dolmetscher - gegen einen derartigen erstinstanzlichen Entziehungsbescheid die Berufung an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes zu. Nach dem unmißverständlichen Wortlaut des nachfolgenden Satzes in § 11 leg. cit. hat diese Berufung
KEINE AUFSCHIEBENDE WIRKUNG.
Die Ausführungen der Beschwerde müssen bereits an diesem Gesetzeswortlaut scheitern. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann die allgemeine Regelung des § 64 Abs. 1 AVG über die aufschiebende Wirkung einer Berufung in einem Entziehungsverfahren nach dem SDG deshalb nicht zur Anwendung gelangen, weil diese Wirkung gerade durch die besondere Verwaltungsvorschrift des § 11 leg. cit. ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Art. 11 Abs. 2 B-VG räumt dem Gesetzgeber die Kompetenz ein, in einzelnen Gebieten der Verwaltung (von den einheitlichen Vorschriften) abweichende Regelungen zu erlassen, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind. Der Marteriengesetzgeber des SDG hat die Inanspruchnahme dieser Kompetenz für eine vom AVG abweichende Regelung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung in den Gesetzesmaterialien (1335 BlgNR XIII. GP, 11) damit begründet, daß die Gerichtsbarkeit ein vordringliches Interesse an Sachverständigen habe, die über jeden Verdacht erhaben sind.
Auf dem Boden dieser Rechtslage, wonach die aufschiebende Wirkung einer Berufung gesetzlich ausgeschlossen ist, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie den gegen die gesetzliche Regelung verstoßenden Antrag des Beschwerdeführer zurückgewiesen hat.
Hinsichtlich der neuerlich vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 11 SDG - die vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt werden - wird auf den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1993 verwiesen, mit dem dieser die Behandlung der Beschwerde abgelehnt hat.
Da die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war diese Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
2. Zu der Beschwerde Zl. 94/19/0810:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid (vom 4. August 1993) im Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG verletzt. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, die belangte Behörde hätte allein die als Wiederaufnahmegrund geltend gemachte Bestätigung des Postbeamten zu prüfen gehabt. Sie habe aber bereits das erst im wiederaufzunehmenden Berufungsverfahren notwendig werdende Ermittlungsverfahren durchgeführt, auf diesem Wege unerlaubte Ermittlungsergebnisse gewonnen und im angefochtenen Bescheid verwertet. In Ansehung dieses unerlaubten Ermittlungsverfahrens habe die belangte Behörde den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung verletzt, das Vorbringen des Beschwerdeführers bzw. die von ihm beigelegte Bestätigung des Postbeamten ignoriert, das Parteiengehör verletzt und mangelhafte Ermittlungen sowie eine "falsche" Beweiswürdigung vorgenommen. Die belangte Behörde habe ihm vorgeworfen, daß er verzogen und nicht erreichbar sei. Nun habe der Zusteller aber zugegeben, daß ihm insoweit ein Fehler unterlaufen sei.
Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen:
Der Beschwerdeführer hat am 24. Mai 1993 bei der belangten Behörde die Wiederaufnahme seines mit Bescheid vom 29. April 1993 abgeschlossenen Berufungsverfahrens beantragt und sich dabei auf eine Erklärung des Zustellers A gestützt. Dieser Erklärung ist zu entnehmen, daß die Vermieterin Rüf über den am 9. April 1993 nicht angetroffenen Empfänger (damit gemeint: der Beschwerdeführer) gegenüber dem Zusteller geäußert habe, der Beschwerdeführer sei zur Zeit - auf unbestimmte Zeit - in Wien; statt eines Vermerkes "zur Zeit nicht anwesend" habe der Zusteller jedoch irrtümlich den Fehlbericht "verzogen" erstattet. Der Beschwerdeführer habe von diesem Irrtum des Zustellers am 6. Mai 1993 erstmals Kenntnis erlangt. Die Behörde sei somit aufgrund einer unrichtigen Tatsache davon ausgegangen, daß er verzogen sei.
Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Da zu den Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens nach dieser Bestimmung nicht nur das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel zählt, sondern auch, daß diese voraussichtlich zu einem in der Hauptsache anderen Spruch führen würden, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob durch die vom Beschwerdeführer als Wiederaufnahmegrund geltend gemachte Erklärung des Zustellers neue Tatsachen oder Beweismittel im Sinne der zitierten Bestimmung hervorgekommen sind.
Das Rechtsmittelverfahren über das Entziehungsverfahren - dessen Wiederaufnahme vom Beschwerdeführer beantragt wurde - hatte den Entziehungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 1 lit. g SDG zum Gegenstand. Über die vom Beschwerdeführer gegen den sein Entziehungsverfahren abschließenden Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25. August 1994, Zl. 94/19/0380, im Sinne der Abweisung der Beschwerde zu Recht erkannt. In diesem Erkenntnis wurde unter anderem folgendes ausgeführt:
"Gemessen an dieser Rechtslage kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie im Ergebnis zu der Auffassung gelangte, daß bereits aus dem im erstinstanzlichen Verfahren und in der Berufung vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringen die Tatbestandsvoraussetzungen des herangezogenen Entziehungsgrundes erschlossen werden können. So hat der Beschwerdeführer in seiner erstinstanzlichen Stellungnahme vom 21. Februar 1993 lediglich den Verlauf seines Verfahrens bei der Meldebehörde bzw. seine insoweit abgegebenen Erklärungen dargestellt, aber mit keinem Wort behauptet, daß er in Vorarlberg (insbesonders in R) regelmäßig anwesend sei. Ausdrücklich gesteht der Beschwerdeführer sogar zu, daß er sich öfter in Wien aufhalte, an der Technischen Universität Wien studiere und seinen Beschäftigungsort in Wien habe bzw. bei Gerichten in Wien, Niederösterreich und Burgenland Verhandlungen verrichte. Auch in seiner Berufung hat der Beschwerdeführer neuerlich bloß Meldeauskünfte bzw. seine Meldedaten dargestellt, aber kein Vorbringen erstattet, aus dem auf seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Vorarlberg hätte geschlossen werden können. Daß sich der Mittelpunkt seines Lebens, seiner wirtschaftlichen Existenz und seiner sozialen Beziehungen tatsächlich in Vorarlberg befinde, ergibt sich aus der Berufung des Beschwerdeführers jedenfalls nicht. Vielmehr hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausdrücklich eingeräumt, daß seine Wohnungssuche in Feldkirch erfolglos geblieben sei und er sich dann in R neuerlich "mit zweitem ordentlichen Wohnsitz anmeldete", weil ihm immer bewußt war, daß er "seinen Aufenthalt in Wien irgendwann aufgeben und dann nur einen ordentlichen Wohnsitz haben würde"."
Der Beschwerdeführer hat weder in seinem Wiederaufnahmeantrag noch in seiner Beschwerde dargelegt, warum die von ihm als Wiederaufnahmegrund geltend gemachte Erklärung des Zustellers, aus der sich jedoch nicht ergibt, daß er sich im relevanten Zeitraum gewöhnlich in Vorarlberg aufgehalten hätte, alleine oder wenigstens in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens geeignet sein sollte, zu einem in der Hauptsache anderen Spruch zu führen. Denn diese Erklärung des Zustellers würde nur den Zustellvorgang vom 9. April 1993 betreffen und hätte daher für den Spruch (bzw. die tragende Begründung) des das Entziehungsverfahren des Beschwerdeführers abschließenden Bescheides keine Relevanz.
Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie im Ergebnis dem Wiederaufnahmeantrag mit der Begründung nicht stattgegeben hat, daß das vom Beschwerdeführer beigebrachte Beweismittel keine andere Entscheidung in der Hauptsache hätte herbeiführen können.
Bei diesem Ergebnis kann den gerügten Verfahrensfehlern aber Wesentlichkeit nicht mehr zukommen, wobei der Beschwerdeführer auch nicht darzulegen vermag, inwieweit die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid gelangt wäre.
Da sich somit auch diese Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesonders deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994190015.X00Im RIS seit
03.04.2001