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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §13a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des G in Graz, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 20. Jänner 1994, Zl. A 17-K-10.661/1993-5, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Graz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem am 9. Februar 1993 bei der Behörde eingelangten Anbringen hat die Landeshauptstadt Graz die Erteilung einer Baubewilligung zwecks Errichtung einer öffentlichen WC-Anlage (nach der Baubeschreibung: "mit drei Sitzzellen und zwei Pißstellen") auf einem Grundstück in Graz (S-Platz - öffentliches Gut der Gemeinde) beantragt, das im
2. Flächenwidmungsplan 1992 als "Freiland-öffentliche Parkanlage" ausgewiesen ist.
Die Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission äußerte sich in einem Gutachten vom 8. April 1993 positiv: Das Projekt sehe die Errichtung in Form einer historischen WC-Anlage in Jugendstilform in Metall-Mauerkonstruktion vor. Das Projekt werde positiv begutachtet, weil keine negative Beeinträchtigung der bestehenden Situation, "sondern im Gegenteil, eine Bereicherung des Platzes durch dieses bedeutende historische Bauwerk zu erwarten" sei.
In der Bauverhandlung vom 5. Mai 1993 erhob der Beschwerdeführer als Nachbar (Eigentümer eines benachbarten Hauses), der unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG geladen worden war, Einwendungen gegen das Vorhaben: Durch den Betrieb und durch die Strangentlüftung sei mit Geruchsbelästigung zu rechnen; die Umgebung werde von den Benützern verschmutzt werden; durch die Situierung der WC-Anlage, die schlecht einsehbar sei, und durch die angrenzenden Gastbetriebe sei zu befürchten, daß dadurch ein Treffpunkt für Drogensüchtige geschaffen werde; gemäß § 4 der Verordnung des Gemeinderates vom 10. Juni 1976, mit der die Grazer Grünschutz- und Baumschutzverordnung erlassen wurde, sei es verboten, Grünflächen für andere Zwecke zu verwenden. Er erhebe diese Einwendungen auch namens seiner Mieter.
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 18. Juni 1993 wurde die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Die Einwendung des Beschwerdeführers hinsichtlich der befürchteten Geruchsbelästigungen wurde als unbegründet abgewiesen; seine weiteren Einwendungen, wie auch sein Vorbringen, daß er "im Namen seiner Mieter spreche", wurden als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die Behörde aus, daß der Nachbar gemäß § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (BO) gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben könne, wenn sich diese auf Bauvorschriften bezögen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienten. Diese Einwendungen seien im § 62 Abs. 2 lit. a bis k taxativ aufgezählt, wobei unter lit. k die Nichtüberschreitung der ortsüblichen Belastungen durch Immissionen genannt sei. Gemäß § 40 Abs. 5 erster Satz BO müßten Lüftungsschläuche ins Freie münden und dürften keine Gefährdung oder unzumutbaren Belästigungen verursachen. Bei der gegenständlichen öffentlichen WC-Anlage handle es sich aber "nur um eine Anlage, bei der eine unzumutbare Belästigung oder gar eine Gefährdung der Nachbarn schon nach den Erfahrungen des täglichen Lebens ausgeschlossen werden" könne, weil einerseits die Entlüftung über Dach ortsüblich sei und andererseits die Liegenschaft des Beschwerdeführers vom Objekt ca. 16 m entfernt sei und durch eine öffentliche Verkehrsfläche "getrennt werde". Das weitere Vorbringen habe kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht gemäß § 61 Abs. 2 BO zum Inhalt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er vorbrachte, eine Baubewilligung dürfe nicht vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung erteilt werden. Eine solche sei im Beschwerdefall erforderlich, liege aber nicht vor. Auch stütze er sich "auf den § 61 Abs. 2a, b, k". Die Behörde könne die Fachfrage der Geruchsbelästigung nicht selbst beantworten (wurde näher ausgeführt). Ebenso liege ein Verstoß gegen § 5 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes vor.
Die belangte Behörde ergänzte das Ermittlungsverfahren durch Einholung von gutachtlichen Stellungnahmen des Amtes für Umweltschutz und des Gesundheitsamtes, zu denen sich der Beschwerdeführer ablehnend äußerte.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Begründend führte sie zusammenfassend aus, daß die erstmals in der Berufung erhobenen Einwendungen, daß die Baubewilligung nicht vor Rechtskraft einer Widmungsbewilligung hätte erteilt werden dürfen, wie auch der (mangelnden) Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, soweit er mit dem Immissionsschutz verbunden sei (§ 61 Abs. 2 lit. d BO) präkludiert seien. Das Grazer Altstadterhaltungsgesetz räume dem Nachbarn ebensowenig ein Mitspracherecht ein, wie die Grazer Grünanlagenverordnung 1976.
Hingegen räume die Bestimmung des § 40 Abs. 5 BO, wonach Lüftungs- und Dunstschläuche ins Freie münden müßten und keine Gefährdung oder unzumutbare Belästigung verursachen dürften, dem Nachbarn ein Mitspracherecht ein. Bei Beurteilung der Frage, ob durch das gegenständliche Bauvorhaben, das vom Grundstück des Beschwerdeführers ca. 16 m entfernt und durch eine öffentliche Verkehrsfläche (die H-Gasse) getrennt sei, eine unzumutbare Belästigung verursacht werde, sei auszuführen, daß gewisse Belästigungen im Zusammenleben hingenommen werden müßten und der Amtssachverständige des Amtes für Umweltschutz eine unzumutbare Belästigung ausgeschlossen habe. Auch der medizinische Amtssachverständige gehe in seiner Stellungnahme davon aus, daß WC-Anlagen aufgrund ihrer Charakteristik subjektives Mißempfinden hervorrufen könnten, was naturgemäß von der Einstellung der betroffenen Person zur jeweiligen Anlage abhängig sei, eine unzumutbare Belästigung oder gar eine Gefährdung aber auch nach dessen Ansicht nicht zu erwarten sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn in den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliches Recht zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A uva.).
Gemäß § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung (BO), LGBl. Nr. 149, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 54/1992, kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interessen, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen; diese sind in dieser Bestimmung taxativ aufgezählt.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Anleitung und Belehrung bei der Vornahme seiner Verfahrenshandlungen durch die Behörde, in seinem Recht auf Parteiengehör sowie in seinem subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht nach § 61 Abs. 2 lit. a, lit. b und lit. k sowie § 61 Abs. 3 BO verletzt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, geht die Anleitungspflicht nach § 13a AVG nicht so weit, daß eine Person, die unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG zu einer Verhandlung ordnungsgemäß geladen worden ist, vom Verhandlungsleiter ausdrücklich zur Erhebung von Einwendungen und deren inhaltlicher Ausgestaltung angeleitet werden müßte (siehe dazu die in Hauer, Steiermärkisches Baurecht2, in E 101 zu § 61 BO wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Ganz abgesehen davon, daß in der Verhandlungsniederschrift festgehalten ist, ein Einigungsversuch sei erfolglos durchgeführt worden, wäre durch das Unterbleiben eines solchen Vergleichsversuches der Beschwerdeführer in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden (siehe dazu die in Hauer, aaO, in E 117 zu § 61 BO zitierte Judikatur).
Die erstmals in der Berufung erhobene Einwendung, die Baubewilligung dürfe nicht vor Rechtskraft einer Widmungsbewilligung erteilt werden (§ 62 Abs. 2 lit. a BO) ist, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, präkludiert. Eine nach § 42 AVG eingetretene Präklusion ist für das ganze weitere Verfahren vor der Baubehörde, der Berufungsbehörde und vor dem Verwaltungsgerichtshof verbindlich (siehe dazu die in Hauer, aaO, bei E 98 zu § 61 BO wiedergegebene Judikatur). Dies gilt sinngemäß für die Einwendung, das Bauvorhaben stehe nicht in Übereinstimmung mit dem Flächenwidmungsplan. Im übrigen gewährt § 25 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127/1974 (das Gesetz in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 41/1991) - das Grundstück, auf dem das Bauvorhaben ausgeführt werden soll, ist im Flächenwidmungsplan als "Freiland" - Sondernutzung öffentliche Parkanlage (§ 25 Abs. 2 ROG) ausgewiesen - keinen Immissionsschutz.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der Behörde, wonach die Errichtung einer öffentlichen WC-Anlage in einem öffentlichen Park schon aus Gründen der Hygiene für zweckmäßig und auch ortsüblich ist (demnach auch hinsichtlich der von solchen Anlagen trotz gehöriger Pflege allenfalls ausgehenden Immissionen). Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung und ist nicht geeignet, Bedenken gegen das konkrete Projekt zu erwecken: Der Verwaltungsgerichtshof tritt der schlüssigen Argumentation der Sachverständigen und der Behörde bei, daß von dieser WC-Anlage ("drei Sitzzellen, zwei Pißstellen") keine unzumutbaren Geruchsbelästigungen zu erwarten sind, sodaß die Einholung weiterer ("immissionsklimatischer und immissionstechnischer") Gutachten unterbleiben konnte.
Demnach war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Baurecht Nachbar Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Sachverständiger Besonderes Fachgebiet Sachverständiger Entfall der Beiziehung Verfahrensrecht AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994060048.X00Im RIS seit
11.07.2001