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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde
1. des G in M und 2. des E in H, beide vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 6. Dezember 1993, Zl. Ve1-550-1885/6, betreffend Erteilung einer Baubewilligung (mP: 1. N in A, BRD, vertreten durch Dr. H, RA in K; 2. Gemeinde A, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen von S 14.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem mit "März 1990" datierten Bauansuchen beantragte der Erstmitbeteiligte (Bauwerber) des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei der zweitmitbeteiligten Gemeinde (Gemeinde) die Erteilung einer Baubewilligung für ein Dreifamilienwohnhaus auf der Gp. 981/2 der KG A im Gemeindegebiet der zweitmitbeteiligten Gemeinde. Der Erstbeschwerdeführer ist Eigentümer des daran westlich angrenzenden Grundstückes 987/3, der Zweitbeschwerdeführer Eigentümer des südlich angrenzenden Grundstückes 981/3.
Der Bürgermeister der Gemeinde beraumte über dieses Bauansuchen für den 6. April 1990 eine mündliche Verhandlung an, bei welcher das Bauvorhaben dahin beschrieben wurde, daß das Dreifamilienwohnhaus die Ausmaße 17,2 x 11,40 m habe und aus Kellergeschoß, Erd- und Obergeschoß sowie einem ausgebauten Dachgeschoß bestehe. Das Objekt sei mit einem Satteldach sowie einem First Richtung Ost-West nach oben hin abgeschlossen. An der Nord- und Südseite des Objekts seien Unterflurgaragen geplant. Die Beschwerdeführer erhoben bei dieser mündlichen Verhandlung zunächst die Einwendung, daß die nach dem Aufbauplan höchstzulässige Länge und Breite des Gebäudes überschritten würden und die Kubatur des neuen Projektes größer sei als das Projekt, welches bei einer früheren Bauverhandlung vom 18. August 1989 verhandelt worden sei. Im übrigen würden die Bedenken des Vertreters einer näher genannten Interessentschaft, insbesondere hinsichtlich fehlender Standsicherheit geteilt, sodaß sich die Beschwerdeführer den diesbezüglichen Ausführungen anschlössen. Die zuletzt erwähnten Ausführungen laufen darauf hinaus, daß zur Vermeidung befürchteter Abrutschungen eine Betonstützmauer erforderlich sei.
Dazu erklärte der offenbar (bereits in einem früheren Verfahren gehörte) geotechnische Sachverständige in einem Schreiben an den Bauwerber vom 12. April 1990 (welches der Baubehörde in der Folge vorgelegt wurde), daß seine Aussagen im geotechnischen Gutachten vom 13. September 1989 von der Verschiebung des Gebäudes um 15 m nach Süden unberührt blieben. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde forderte u.a. die Beschwerdeführer zu einer Stellungnahme dazu sowie zum früheren geotechnischen Gutachten auf, wozu der Beschwerdeführervertreter zunächst um Übersendung einer Ablichtung des geotechnischen Gutachtens vom 13. September 1989 bat, um dazu Stellung nehmen zu können. Die übrigen Ausführungen dieses Schreibens sind für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ohne Belang.
Mit Bescheid vom 28. Februar 1991 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Bauwerber die beantragte Baubewilligung unter zahlreichen, darunter folgenden Auflagen:
"1.
Die Baugrube, sowie die Baugrubenverfüllungen sind mit einer Ringdrainage und erforderlichenfalls mit einer Flächendrainage zu entwässern.
2.
In allen Bereichen, wo in der Baugrube Lockergestein entsteht, sind die Fundamente mindestens 0,9 m in den Untergrund einzubinden. Ansonsten ist eine frostsichere Lage der Gründungssohle ausreichend.
3.
Die ostseitigen Böschungsflächen der Baugrube mit den sich ergebenden Böschungsneigungen von 55 bis 63 Altgrad sind entsprechend der Lage des Felshorizontes durch eine Bodenvernagelung aus bewehrtem Spritzbeton und SN-Nägel in erforderlicher Nagellänge und -dichte unter Beiziehung eines geotechnischen Sachverständigen zu sichern.
4.
Die Zufahrt vom K-Weg zum angesuchten Gelände ist mit einer solchen Neigung zu versehen, daß vor der Einmündung in den K-Weg eine ebene Standfläche mit einer Länge von mind. 10 m, gemessen vom Schnittpunkt des K-Weges mit der Längsachse der Zufahrt entsteht.
5.
Auf der Gp. 981/2 ist zudem ein ausreichend dimensionierter Wendeplatz zu errichten.
6.
Die Bauarbeiten sind entsprechend den genehmigten Plänen sach- und fachgemäß von einem hiezu befugten Unternehmer, der der Behörde vor Baubeginn schriftlich namhaft zu machen ist, auszuführen. Der Bauwerber hat jeden Wechsel in der Bauführung der Behörde unverzüglich bekannzugeben (§ 37 TBO).
7. ...
8.
Mit der Ausführung der Bauarbeiten darf vor Eintritt der Rechtskraft - außer Vorarbeiten, die nach § 24 TBO bewilligt worden sind - nicht begonnen werden ...
..."
Die gegen diesen Bescheid erhobene (u.a. auch die Gefahr der Hangrutschung geltend machende) Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. September 1991 abgewiesen. Der gegen diesen Berufungsbescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 4. Februar 1992 Folge, behob den Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde zurück. Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß sich das geotechnische Gutachten vom 13. September 1989 auf ein Bauansuchen beziehe, das bereits am 18. August 1989 bauverhandelt worden sei. Gegenstand des anhängigen Bauverfahrens sei jedoch ein neues Ansuchen vom März 1990 für ein Dreifamilienwohnhaus, welches gegenüber dem ursprünglichen Bauvorhaben in seiner Größe und Ausgestaltung abweiche und um 15 m nach Süden verschoben worden sei. Die Feststellung des geotechnischen Sachverständigen vom 12. April 1990, daß die Aussagen im geotechnischen Gutachten vom 13. September 1989 von der Verschiebung des Gebäudes um ca. 15 m nach Süden unberührt blieben, könnten nicht als abschließendes ausreichendes Gutachten gewertet werden. So wäre auf die konkrete neue Situation einzugehen und konkrete Fakten und Begründungen aufzuzeigen gewesen, bedenke man doch das wesentliche Ausmaß der Verschiebung nach Süden sowie die bedeutend größere Baumasse des neuen Projekts. Den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an ein Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen würde die Stellungnahme vom 12. April 1990 in keiner Weise gerecht.
Im fortgesetzten Verfahren erstattete der geotechnische Sachverständige zunächst ein Sachverständigengutachten vom 16. März 1992, welches unter anderem zu folgenden Schlußfolgerungen gelangt:
"6.2. Untersuchungsergebnisse
Die Standsicherheit des unbebauten Hanges liegt aufgrund der Parameterstudien (Beilagen 2-5) theoretisch zwischen 1,0 und 1,37. Mit den hohen Hangwasserständen speziell in den Lamellen 4, 5 und 6 (Beilagen 3 und 5) wurde die in Abschnitt 4 dieses Gutachtens erwähnte Feuchtstelle simuliert. Da gerade diese Wasserstände das Hanggleichgewicht sehr stark beeinflussen, ist es unbedingt erforderlich, eine einwandfreie Entwässerung des Hanges, wie in Beilage 1 schematisch dargestellt und in Abschnitt 4 beschrieben, vorzunehmen.
Auf die ordnungsgemäße Durchführung und Wirksamkeit dieser Entwässerungsmaßnahmen basieren die weiteren Überlegungen dieses Gutachtens, zu denen im Detail folgendes auszuführen ist:
Sicherheiten während des Bauzustandes (Beilagen 6,9,10)
Nach Aushub der Baugrube ergibt sich im ungünstigsten Geländeschnitt eine theoretische Standsicherheit von 1,0. Diese zu geringe Standsicherheit sollte bei der Durchführung der Aushubarbeiten insofern erhöht werden, als der talseitige Kelleraushub dem bergseitigen vorzuziehen ist. Darüberhinaus ist der talseitige Kellerbereich mit einer entsprechenden Einbindung der Bodenplatte herzustellen, damit die in weiterer Folge herzustellende bergseitige Baugrubenböschung auf den Keller abgestützt werden kann.
Die durch diese Arbeitsweise bedingte Standsicherheitsanhebung während des Bauzustandes können den Beilagen 9 und 10 entnommen werden.
Sicherheiten nach Errichtung des Wohnhauses (Beilagen 7 u. 8)
Würde man das geplante Haus ohne Verzahnung bzw. Fundamenteinbindung in die Baugrube stellen, so ergibt sich eine theoretische Standsicherheit des Bauwerkes von 1,2 (Beil. 7). Um diese Standsicherheit auf die normgemäße Größe von 1,3 zu bringen, ist eine Einbindung der Fundamentplatte durch zwei 0,9 m tiefe Riegel, wie dies Beilage 8 zeigt, erforderlich, wenn die ungünstige geotechnische Annahme zutrifft, daß das Lockergestein bis zur Gründungssohle reicht.
7. SCHLUSSBEMERKUNG
Die hier gemachten Aussagen stützen sich zunächst auf Schätzungen. Deshalb sind während der Aushubarbeiten die angetroffenen Bodenschichten mit den vorgenommenen Schätzungen aus Sicherheitsgründen zu überprüfen, damit gegebenenfalls eine entsprechende Anpassung der Gründung und Entwässerung an die tatsächlichen Gegebenheiten rechtzeitig erfolgen kann. Weiters wurde angenommen, daß das Hanggrundstück nicht zusätzlich durch Aushubmaterial belastet wird.
..."
Am 16. September 1992 erstattete der Beschwerdevertreter namens der Beschwerdeführer zu diesem Gutachten eine Stellungnahme, in der er zunächst kritisierte, daß das Gutachten keinen ausreichenden Befund enthalte, technisch zum Teil nicht nachvollziehbar sei (dies wird näher ausgeführt) und sich auf Schätzungen stütze. Wenn man jedoch "für so einen Rutschhang" ein solches überdimensioniertes Hauptgebäude mit zwei Garagen von seiten der Baubehörde genehmigen wollte, könne man sich nicht auf bloße Schätzungen verlassen, sondern man müsse sich Gewißheiten verschaffen. Dies werde nach Mitteilung von Fachleuten nur dadurch möglich sein, daß man an mehreren Stellen des Hanges ausreichend tief angesetzte Bohrungen durchführe. Dadurch könne der genaue Bodenaufbau, die Verteilung des vom Sachverständigen geschätzten anstehenden Materials und der durchfeuchteten Bodenschichten festgestellt werden. Man sei daher nicht mehr in diesem Ausmaß auf Schätzungen angewiesen sondern könne das Gutachten auf Fakten gründen. Die Stellungnahme setzt sich des weiteren mit den nach Auffassung der Beschwerdeführer erforderlichen Aufschüttungen auseinander und beantragt, den Bauwerbern die Vorlage weiterer (in der Stellungnahme näher beschriebener) Unterlagen aufzutragen. Der geotechnische Sachverständige erstattete dazu eine ergänzende Stellungnahme vom 9. Dezember 1992, in der er den Ausführungen der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegentritt und unter anderem folgendes ausführt:
"zu Punkt b) und c)
Das Projekt ZT, welches bei mir am 7.12.92 eingegangen ist, sieht an der Westgrenze des Grundstücks (des Erstmitbeteiligten) den Neubau einer kräftigen Winkelstützmauer vor, welche mit den im Gutachten vom 16.3.92 genannten Bodenkenndaten, die auf der sicheren Seite liegen, bemessen werden soll. Nach Informationen (im Ziviltechnikerbüro) ist vorgesehen, diese Stützmauer vor Beginn des Hausbaues zu errichten und im Anschluß daran mit dem Aushubboden zu verfüllen. Diese Vorgangsweise ist aus geotechnischer Sicht in Ordnung, weil sie keinerlei Probleme für das Nachbargrundstück (des Erstbeschwerdeführers) erkennen läßt.
...
Bei der weiteren Vorgangsweise würde ich der Gemeinde empfehlen:
1)
Dem Bauwerber die Baugenehmigung für die Winkelstützmauer zur Grundgrenze (des Erstbeschwerdeführers) hin zu erteilen und
2)
nach Bau der Winkelstützmauer und unter Beachtung der dort gewonnenen Erfahrungen die Baugenehmigung für Wohnhaus und Garage ins Auge zu fassen."
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, über die sich jedoch lediglich ein Aktenvermerk in den Verwaltungsakten befindet (demzufolge die Beteiligten - darunter auch die Beschwerdeführer - auf eine ordnungsgemäße Niederschrift darüber verzichtet hätten), erließ der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde den Bescheid vom 10. Mai 1993, mit welchem der Berufung der Beschwerdeführer (neuerlich) keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vom 28. Februar 1991 vollinhaltlich bestätigt wurde. Nach der Begründung dieses Bescheides stehe aufgrund des neuerlichen, bodenmechanischen Gutachtens vom 16. März 1992 fest, "daß bei sachgemäßer Ausführung des Baues und unter Berücksichtigung der vorzunehmenden Entwässerung die Standsicherheit des Gebäudes jedenfalls gegeben" sei.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, in der sie darauf hinwiesen, daß in der letzten Stellungnahme des geotechnischen Sachverständigen der Auffassung der Beschwerdeführer beigepflichtet werde, daß es sich um gefährdete Flächen handle, daß nach einer Stellungnahme der Wildbach- und Lawinenverbauung das Gutachten eines Geologen, Bodenmechanikers oder anderer zuständiger Stellen einzuholen seien (die den Beschwerdeführern niemals zur Kenntnis gebracht worden seien, weshalb ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege) sowie, daß auch ein ergänzendes Gutachten des Sachverständigen vom 9. Dezember 1992 den Beschwerdeführern niemals zur Kenntnis gebracht worden sei. Die Berufungsbehörde sei zwar der Ansicht, daß keine Gefahr vom Grundstück Nr. 981/2 im Falle einer allfälligen Verbauung ausgehe, sofern die vom geotechnischen Sachverständigen vorgeschlagenen Bau- und Sicherungsmaßnahmen beim Bau eingehalten würden, es gehe doch aus dem Bescheid nicht hervor, welche Bau- und Sicherungsmaßnahmen eingehalten werden sollten und inwiefern es dem Bauwerber überlassen bleibe, die Bau- und Sicherungsmaßnahmen durchzuführen und einzuhalten, weiters, inwieweit es bei diesen Bau- und Sicherungsmaßnahmen bei bloßen Vorschlägen des Sachverständigen bleibe und inwieweit dem Erstmitbeteiligten in diesem Zusammenhang zwingende Auflagen gemacht werden sollten. Wenn die Berufungsbehörde meine, sie könne es bei einer vollinhaltlichen Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides vom 28. Februar 1991 bewenden lassen, dann wäre nach Auffassung der Beschwerdeführer die Ergänzung des Verfahrens "sinnlos gewesen."
Mit Bescheid vom 6. Dezember 1993 hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Nach einer Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens führt die belangte Behörde begründend aus, daß die Beschwerdeführer mit ihrer Stellungnahme zum Sachverständigengutachten diesem nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten seien. Der (erstinstanzliche) Bescheid des Bürgermeisters vom 28. Februar 1991 trage dem Gutachten insofern Rechnung, als die vom Sachverständigen für die Standsicherheit als notwendig erachteten Maßnahmen als Auflagen in den Bescheid aufgenommen worden seien. Der Erkenntnis, es sei erforderlich, eine einwandfreie Entwässerung des Hanges vorzunehmen und auf Höhe der Fundamente eine Drainageleitung zu verlegen, sei durch Auflage 1 entsprochen, jener, zur Erreichung einer normgemäßen Standsicherheit sei eine Einbindung der Fundamentplatte durch zwei 0,9 m tiefe Riegel erforderlich, wenn die ungünstige geotechnische Annahme zuträfe, daß das Lockergestein bis zur Gründungssohle reiche, sei durch Auflage 2 entsprochen worden. Was die während des Baues zu treffenden Maßnahmen anlange, sei auf die Auflage 6 zu verweisen, mit welcher vorgeschrieben werde, daß die Bauarbeiten "sach- und fachgemäß von einem hiezu befugten Unternehmer ... auszuführen" seien. Von einem befugten Unternehmer sei die im Gutachten während des Baues zu beachtende Arbeitsweise anzuwenden, um Schaden für das in Bau befindliche Gebäude oder Nachbarliegenschaften zu vermeiden - nur eine solche Arbeitsweise sei "sach- und fachgemäß". Diese Umschreibung sei hinreichend konkret um einem befugten Unternehmer die während des Baues zu treffenden Maßnahmen vorzuschreiben. Aufgrund seiner Ausbildung, Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrung könne die Behörde davon ausgehen, daß einem solchen Fachmann nicht jedes technische Detail während der Bauausführung ausdrücklich vorzuschreiben sei. Die technischen Maßnahmen, die während des Baues auftreten könnten, müsse die beauftragte Baufirma treffen und nicht die Baubehörde ausdrücklich vorschreiben. Die Errichtung der Stützmauer sei nicht Gegenstand des Bauverfahrens gewesen - ein eigenes Verfahren sei darüber anhängig - und könne daher nicht im Vorstellungsverfahren behandelt werden. Dem Einwand, das Bauvorhaben hinsichtlich der Winkelstützmauer lasse sich nicht abgesondert vom Verfahren über die Errichtung des Dreifamilienwohnhauses durchführen, könne schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil von der Vorstellungsbehörde der Bescheid, den der Gemeindevorstand als Berufungsbehörde erlassen habe, zu überprüfen sei, nicht jedoch ein in einem anderen Verfahren ergangener Bescheid.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, dürfen bauliche Anlagen nur auf Grundstücken errichtet werden, die sich nach ihrer Widmung, Lage, Form, Größe und Bodenbeschaffenheit für die vorgesehene Bebauung eignen und eine dieser Bebauung entsprechende, rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung bereits in seinem Erkenntnis vom 23. September 1981, Zl. 06/2533/79 = Slg. Nr. 10550/A (nur Leitsatz) ausgeführt, daß die Einwendung der drohenden Hangrutschung eine zulässige Nachbareinwendung im Sinne des § 30 Abs. 4 TBO sei.
Soweit die Beschwerdeführer daher geltend machen, es seien bei Erteilung der Baubewilligung (d.h. des vom Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der zweitmitbeteiligten Gemeinde bestätigte Bescheid des Bürgermeistes vom 28. Februar 1991) keine ausreichenden Auflagen zur Hintanhaltung einer Gefährdung der Beschwerdeführer vorgeschrieben worden, machen sie subjektiv-öffentliche Rechte im Sinne der genannten Gesetzesstellen zulässigerweise geltend.
Die Beschwerde ist auch berechtigt:
Die Frage, ob und welche konkreten Auflagen bei Erteilung einer Baubewilligung erforderlich sind, um eine Gefährdung der Nachbargrundstücke hintanzuhalten, ist zunächst eine technische, und damit eine Sachverständigenfrage, die daher der zuständige Sachverständige zu klären hat, und nicht - ohne Beiziehung eines solchen Sachverständigen - die Behörde alleine.
Das aufgrund des im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheides der belangten Behörde im fortgesetzten Berufungsverfahren eingeholte Gutachten vom 16. März 1992 gibt nicht an, welche konkreten Auflagen der Sachverständige für erforderlich hält. Er führt lediglich aus, daß eine "einwandfreie Entwässerung des Hanges" vorzunehmen, der talseitige Kelleraushub dem bergseitigen vorzuziehen und eine entsprechende Einbindung der Bodenplatte beim talseitigen Kellerbereich herzustellen sei. Schließlich sei eine Einbindung der Fundamentplatte (offenbar gemeint: in den Untergrund) durch zwei 0,9 m tiefe Riegel erforderlich. Es ist zwar der belangten Behörde beizupflichten, daß jedenfalls Auflage 2 dem zuletzt genannten Erfordernis Rechnung trägt; ob dies hinsichtlich der Vorgangsweise beim Kelleraushub der Fall ist, vermag der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht nachzuvollziehen.
Schließlich geht auch das Argument der belangten Behörde, über die Errichtung der Stützmauer sei in diesem Verfahren nicht abzusprechen gewesen, an dem von den Beschwerdeführern in ihrer Vorstellung aufgezeigten Sachproblem vorbei: Sie beriefen sich nämlich darauf, daß der Sachverständige in einer ergänzenden Stellungnahme vom 9. Dezember 1992 dafür eingetreten sei, zuerst die Winkelstützmauer zu errichten und erst danach die Erteilung der Baubewilligung "ins Auge zu fassen": Ob der Sachverständige diese Vorgangsweise aus technischen Gründen (zur Abwehr möglicher Schäden für die Beschwerdeführer) für erforderlich, oder bloß für zweckmäßig hielt, läßt sich seinen Ausführungen nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Bei dieser Sachlage hätte die Berufungsbehörde entweder auf eine weitere Aufklärung durch den Sachverständigen dringen oder sicherstellen müssen, daß von der Baubewilligung erst nach dem Bau der Winkelstützmauer Gebrauch gemacht werden kann. Dies hätte durch Beifügung einer entsprechenden Bedingung erfolgen können.
Diese Mängeln des Berufungsverfahrens werden - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - auch nicht dadurch beseitigt, daß Auflage 6 des erstinstanzlichen Bescheides anordnet, daß die Bauarbeiten entsprechend den genehmigten Plänen sach- und fachgemäß von einem hiezu befugten Unternehmer auszuführen seien. Es trifft zwar die Auffassung der belangten Behörde zu, daß es nicht Aufgabe der Baubehörde ist, einem sachkundigen Bauunternehmer alle technischen Maßnahmen im Detail vorzuschreiben. Wenn aber - wie im Beschwerdefall - auf Grund der besonderen geologischen Verhältnisse besondere Maßnahmen erforderlich sind, dann ist sicherzustellen, daß der "befugte Unternehmer" ohne neuerliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, die auf diesem Grundstück bestehende Gefahr und die zur Abwendung dieser Gefahr nach dem Ergebnis des Bauverfahrens erforderlichen Maßnahmen zu erkennen. Dies kann aber nur durch Aufnahme entsprechend präziser Auflagen bzw. Bedingungen in den Baubewilligungsbescheid sichergestellt werden, sieht doch § 31 Abs. 10 TBO ausdrücklich vor, daß eine Baubewilligung mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen ist, soweit es erforderlich ist, damit den von der Behörde zu wahrenden öffentlichen Interessen und den öffentlichen Nachbarrechten entsprochen wird. Diese Auflagen müssen insoweit ausreichend bestimmt sein, daß sie - entsprechend ihrer Eigenschaft als "bedingte Polizeibefehle" (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 1966, Slg. Nr. 7028/A) gegebenenfalls auch vollstreckt werden können (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1985, Zl. 85/06/0074 mit weiteren Hinweisen auf die Vorjudikatur). Ebensowenig wie die Formulierung, ein bestimmtes Ergebnis sei durch "geeignete Maßnahmen" sicherzustellen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. April 1989, Zl. 87/04/0080) kann eine Auflage, wonach "sach- und fachgemäß" zu arbeiten sei, nicht als ausreichend präzise erkannt werden.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; dieser war daher gemäߧ 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Inhalt des Spruches Diverses Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994060022.X00Im RIS seit
11.07.2001