TE Vfgh Erkenntnis 1992/9/29 B793/92

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Veröffentlicht am 29.09.1992
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8500 Straßen

Norm

StGG Art5
Stmk LStVG 1964
BStG 1971 §20a

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Abweisung eines Antrags auf Rückübereignung eines Grundstückes wegen Fehlens des Rechtsinstituts der Rückübereignung im Stmk LStVG 1964; Rückgängigmachung der Enteignung bei Nichtverwirklichung des als Enteignungsgrund genannten öffentlichen Zwecks dem Eigentumsrecht immanent

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Steiermark ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden der Beschwerdevertreter die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 4. Mai 1992, Zl. 03 - 20 Ko 82 - 87/4, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin aus dem Jahre 1987 auf Rückübereignung eines seinerzeit für Straßenzwecke enteigneten Grundstückes in Schrems abgewiesen; diese Entscheidung wurde wie folgt begründet:

"Mit Schreiben vom 15. Juni 1987 hat Frau G K einen Antrag auf Rückübereignung des Grundstückes Nr. 1/1, KG Schrems, von der Bundesstraßenverwaltung gestellt. Auf Grund dieses Ansuchens wurde der Tochter der Frau G K, G O, mit ha. Schreiben vom 3. August 1987 mitgeteilt, daß es sich bei der seinerzeitigen Einlöse des Grundstückes 1/1, KG Schrems, um die Grundeinlöse für den Ausbau einer Landesstraße handelte, und eine Rückübereignung aus rechtlichen Erwägungen deshalb nicht möglich sei, da das Landesstraßenverwaltungsgesetz der Steiermark eine Rückübereignung nicht vorsähe. Dieses Ansuchen werde daher als Kaufansuchen betrachtet und an die Landesstraßenverwaltung weitergeleitet. In weiterer Folge hat sodann der Vertreter der Frau K an das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten einen Devolutionsantrag gestellt und darin beantragt, über den am 15.6.1987 eingebrachten Antrag auf Rückübereignung einen stattgebenden Bescheid zu erlassen. Diesen Devolutionsantrag hat er offensichtlich in der Absicht gestellt, daß das vorliegende Ansuchen vom 15. Juni 1987 auf die Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes gestützt sei.

In seiner nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Säumnisbeschwerde richtet sich die Säumnis der Behörde offensichtlich gegen die Steiermärkische Landesregierung als für die Rückübereignung zuständige Behörde.

Mit Bescheid vom 6. Mai 1971, GZ: 3-328 Sche 4/24-1970, wurden der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, Frau C R, für den Ausbau der Landesstraße Nr. 10 vom damaligen Grundstück Nr. 1/1 4.521 m2 und als Restflächen südlich und nördlich zu beiden Seiten der Landesstraße vom Grundstück Nr. 1/1 2.679 m2 abgelöst.

Nach dem Ausbau der oben angeführten Landesstraße wurde diese von der Republik Österreich, Bund, Bundesstraßenverwaltung als Bundesstraße übernommen und vom Land Steiermark die für die seinerzeitige Landesstraße eingelösten Grundflächen der Republik Österreich, Bund, Bundesstraßenverwaltung, übertragen.

Wenn man nun davon ausgeht, wie in der Säumnisbeschwerde behauptet, daß die für die Rückübereignung zuständige Behörde die Landesstraßenverwaltungsbehörde sei, und somit auch die Bestimmungen des Landesstraßenverwaltungsgesetzes zur Anwendung kämen, ist darauf hinzuweisen, daß das Steiermärkische Landesstraßenverwaltungsgesetz 1964 in der derzeit gültigen Fassung das Rechtsinstitut der 'Rückübereignung', wie sie im Bundesstraßengesetz §20 a BStG 1971 vorgesehen ist, nicht kennt.

Es war daher der Antrag auf Rückübereignung, soweit es sich auf die Landesstraßenbehörde bezieht, mangels einer gesetzlichen Regelung, abzuweisen.

Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang noch festzuhalten, daß nach Fertigstellung der Straßenbauarbeiten eine Neuvermessung der Landesstraße erfolgte, wobei die Restflächen verschiedener Grundstücke zu einem einzigen zusammengefaßt wurden. Das heutige Grundstück Nr. 1/1 ist daher nicht identisch mit dem seinerzeit abgelösten Grundstück 1/1, KG Schrems. Weiters ist in diesem Zusammenhang noch zu bedenken, daß es sich bei der seinerzeitigen Ablöse des Grundstückes 1/1, soweit dieses nicht für den Straßenausbau benötigt wurde, um die Einlöse von Restflächen über Antrag der seinerzeitigen Liegenschaftseigentümerin handelt."

2. Gegen diesen abweislichen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid im einzelnen verteidigt und beantragt, die Beschwerde - kostenpflichtig - als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Wie der oben wörtlich wiedergegebenen Begründung des bekämpften Bescheides zu entnehmen ist und durch den Verfahrensablauf iVm. den Verwaltungsakten im einzelnen belegt wird, stützt sich die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Rückübereignung eines Grundstückes darauf, daß das Steiermärkische Landesstraßenverwaltungsgesetz 1964 das Rechtsinstitut der Rückübereignung - anders als das Bundesstraßengesetz 1971 - nicht kennt. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß im bekämpften Bescheid noch angedeutet wird, daß es sich bei dem von der Beschwerdeführerin begehrten Grundstück um eine Restfläche handle, die seinerzeit auf Antrag der Liegenschaftseigentümerin (der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin) eingelöst worden sei; denn diese nicht durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen abgestützten Überlegungen vermögen in der vorliegenden Form keine taugliche Bescheidbegründung abzugeben. Gleiches gilt für das diesbezügliche Vorbringen in der Gegenschrift der belangten Behörde, weil die Gegenschrift nicht eine fehlende Begründung eines Bescheides nachzuholen vermag (vgl. VfSlg. 10997/1986, 12141/1989).

2. Wie nun aber der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 8981/1980 (vgl. ferner VfSlg. 8982/1980, 11017/1986, 11033/1986, 11160/1986) ausgeführt und näher begründet hat, ist dem durch Art5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht von vornherein die Einschränkung immanent, daß eine Enteignung zu einem vom Gesetz bestimmten öffentlichen Zweck möglich ist, diese Einschränkung aber ihrer Natur nach an die Voraussetzung geknüpft sei, daß der vom Gesetz bestimmte Zweck verwirklicht werde. In der Eigentumsgarantie des Art5 StGG sei somit auch die Rückgängigmachung der Enteignung für den Fall grundgelegt, daß die enteignete Sache dem vom Gesetz als Enteignungsgrund genannten öffentlichen Zweck nicht zugeführt wird, sei es, weil dieser Zweck überhaupt nicht, sei es, weil er nicht in dem ursprünglich beabsichtigten Umfang verwirklicht wird. Auch eine einfachgesetzliche Regelung, die eine Enteignung für einen bestimmten öffentlichen Zweck (dem Art5 StGG entsprechend) für zulässig erklärt, enthalte wesensgemäß den Vorbehalt, daß es unzulässig sei, die Enteignung aufrecht zu erhalten, wenn der öffentliche Zweck vor dieser Verwirklichung wegfällt. Dieser Inhalt einer Enteignungsnorm fließe auch in den Enteignungsbescheid ein. Jeder bescheidmäßig verfügten Enteignung hafte daher in der Wurzel der Vorbehalt an, daß sie erst endgültig wirksam sei, wenn der vom Gesetz als Enteignungsgrund normierte öffentliche Zweck verwirklicht sei, daß sie aber rückgängig zu machen sei, wenn dieser Zweck nicht verwirklicht werde.

3. Der angefochtene Bescheid setzt sich über das solcherart aufzufassende, durch Art5 StGG (und Art1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK) verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentumes hinweg und verletzt sohin die Beschwerdeführerin in diesem Recht; er war daher aufzuheben.

Angesichts der prinzipiellen Verkennung der Verfassungsrechtslage durch die belangte Behörde konnte es dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für die Rückübereignung auch wirklich gegeben sind. Die belangte Behörde wird daher im fortzusetzenden Verwaltungsverfahren zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für die Rückübereignung vorliegen, insbesondere auch, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß Teile der Liegenschaft in der Zwischenzeit auf den Bund für Zwecke der Bundesstraßenverwaltung übertragen worden sind (vgl. zur Frage der Zuständigkeit für die Aufhebung des Enteignungsbescheides VfSlg. 8981/1980, S 378, 8982/1980, S 387).

III. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Prozeßkosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von

S 2.500,-- enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne vorangehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Enteignung, Rückgängigmachung (Enteignung), Straßenverwaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B793.1992

Dokumentnummer

JFT_10079071_92B00793_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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