TE Vfgh Beschluss 1992/9/29 B1247/91

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Veröffentlicht am 29.09.1992
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art116 Abs2
B-VG Art118 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Tir GemeindeO 1966 §12 Abs5
Tir GemeindeO 1966 §26
Tir GemeindeO 1966 §41
Tir GemeindeO 1966 §43
Tir GemeindeO 1966 §54

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde einer Gemeinde vertreten durch den Bürgermeister mangels Vorliegen eines Gemeinderatsbeschlusses zur Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Matrei in Osttirol vom 25. August 1988, Zl. 3-GV-18/9, wurde der Übertragung des Eigentumsrechtes an näher bezeichneten Grundstücken in der KG Matrei in Osttirol-Markt sowie in der KG Matrei in Osttirol-Land von der beschwerdeführenden Marktgemeinde auf eine Ges.m.b.H entsprechend dem Kaufvertrag vom 26. Jänner, 28. Jänner und 12. Februar 1988 gemäß den §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 (im folgenden: GVG 1983) - also idF vor der Novelle LGBl. für Tirol 74/1991 (diese Novelle ist gemäß ihrem ArtII Abs1 mit 1. Oktober 1991, also nach Abschluß des diesem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Verwaltungsverfahrens in Kraft getreten) - die grundverkehrsbehördliche Zustimmung versagt.

2. Die dagegen erhobenen Berufungen beider Vertragsteile wurden mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 16. August 1991, Zl. LGv - 587/4-88, als unbegründet abgewiesen.

3. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der "MARKTGEMEINDE Matrei in 9971 Matrei i.O., vertreten durch den Bürgermeister, Dr. A K, Geschäftsführer in 9971 Matrei i.O.", in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

4. Die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung als belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, in eventu die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Erhebung einer Beschwerde nach Art144 Abs1 B-VG gegen den abweislichen Berufungsbescheid der Landesgrundverkehrsbehörde ist eine in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallende Angelegenheit (da es sich hier um die Gemeinde als Trägerin privater Rechte handelt: Art116 Abs2 und Art118 Abs2 B-VG iVm. §54 Abs2 und §12 Abs5 Tiroler Gemeindeordnung 1966, in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novellierung durch das Landesgesetz LGBl. für Tirol 98/1991 - im folgenden: TGO 1966), deren Besorgung dem Gemeinderat vorbehalten ist (§26 iVm. §41 TGO 1966).

2. Aus der Beschwerde ergab sich nicht, ob sich der an sich zur Vertretung der Gemeinde nach außen befugte Bürgermeister (§54 Abs1 TGO 1966) auf einen Beschluß des Gemeinderates stützen kann, mit dem die Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde beschlossen wurde. Deshalb wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, ua. den "Auszug aus dem Sitzungsprotokoll jener Gemeinderatssitzung, in der die Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde beschlossen wurde (gegebenenfalls Nachweise über Übertragungsbeschlüsse)" unter Androhung von Säumnisfolgen binnen vier Wochen vorzulegen. Daraufhin legte die Beschwerdeführerin fristgerecht den "Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderates der Marktgemeinde Matrei in Osttirol am Samstag, dem 07. Dezember 1991, um 10.00 Uhr ...", vor; laut dieser Niederschrift (Pkt. 3 der TO, lita) ersuchte der Bürgermeister nachträglich um Zustimmung des Gemeinderates zu der in seinem Auftrag eingebrachten Verfassungsgerichtshofbeschwerde, da "innerhalb der eingeräumten Beschwerdefrist keine GR.-Sitzung mehr stattgefunden habe, ...". Der Inhalt dieser Beschwerde wurde dem Gemeinderat durch Verlesen zur Kenntnis gebracht. Daraufhin faßte dieser den mehrheitlichen Beschluß,

"die vom Bgm. Dr. A K getroffene Maßnahme zur Einhaltung der eingeräumten Einbringungsfrist - nämlich die Einbringung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof in obiger Angelegenheit durch Rechtsanwalt Dr. H S aus Lienz - nachträglich zu bewilligen und auch inhaltlich die gegenständliche Beschwerde vom 06.11.1991 vollinhaltlich zustimmend zur Kenntnis zu nehmen."

3. Da aus dem Hinweis in der genannten Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderates am 7. Dezember 1991 allein, daß innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist keine Sitzung des Gemeinderates stattgefunden hat, keine Gründe erkennbar schienen, aus denen die vorliegende Beschwerde gemäß §43 TGO 1966 ("Verfügungen in dringenden Fällen") anstelle des Gemeinderates vom Bürgermeister erhoben werden konnte, forderte der Verfassungsgerichtshof die beschwerdeführende Marktgemeinde auf, bekanntzugeben, ob und wenn ja wann innerhalb der Beschwerdefrist Sitzungen des Gemeinderats stattgefunden haben, und wenn nicht, aus welchem Grund die rechtzeitige Einberufung einer solchen unterblieben ist.

Von der beschwerdeführenden Gemeinde wurde daraufhin mitgeteilt, daß am 11. Oktober 1991 und am 7. Dezember 1991 Sitzungen des Gemeinderates stattgefunden hätten. Die Entscheidung der Landesgrundverkehrsbehörde sei der Marktgemeinde am 7. Oktober (richtig jedoch in der Beschwerde selbst schon: 27. September 1991) zugestellt worden, doch habe sich der Gemeindeamtsleiter zu dieser Zeit auf Urlaub befunden, sodaß der Bescheid erst nach der Gemeinderatssitzung vom 11. Oktober 1991 dem Bürgermeister zur Kenntnis gebracht worden sei, der seinerseits zur Wahrung der Beschwerdefrist dem Rechtsanwalt den Auftrag zur Einbringung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erteilt und die Angelegenheit bei der nächstfolgenden Gemeinderatssitzung am 7. Dezember 1991 dem Gemeinderat unterbreitet habe.

4. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich zunächst veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß das Vorbringen der beschwerdeführenden Gemeinde in wesentlichen Punkten aktenwidrig ist. So wurde ihr der bekämpfte Bescheid nicht am 7. Oktober, sondern laut Übernahmsbestätigung am 27. September 1991 zugestellt. Entgegen der Aussage in der - dem Gerichtshof zunächst ohne nähere Erklärung übermittelten - Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderates am 7. Dezember 1991 (s. zu Pkt. 3, lita der TO) fand innerhalb der Frist zur Erhebung der Beschwerde eine Sitzung, und zwar am 11. Oktober 1991 statt.

Im übrigen können allfällige gemeindeinterne Unzulänglichkeiten der geschilderten Art, daß nämlich für die Zeit des Urlaubes des Gemeindeamtsleiters keine entsprechenden Vorkehrungen getroffen wurden, jedenfalls in der Regel und ohne zusätzliche Besonderheiten nicht zur Folge haben, daß das Vorliegen eines "dringenden Falles" iSd. §43 TGO 1966 zu bejahen wäre. Vielmehr haben juristische Personen in Fällen dieser Art solche - vermeidbaren - Unzulänglichkeiten zu vertreten.

Insbesondere aber ist aus den Ausführungen der beschwerdeführenden Marktgemeinde nicht ersichtlich, aus welchen Gründen zwischen dem Tag der Kenntnisnahme des Bürgermeisters vom Ergehen des angefochtenen Bescheides (erste Hälfte des Oktobers 1991) und dem letzten Tag der Beschwerdefrist (8. November 1991) die Möglichkeit der Einberufung einer Sitzung des Gemeinderates nicht bestanden hätte. Die Ladung zu den Sitzungen hat der Bürgermeister allen Mitgliedern zeitgerecht, in der Regel drei Tage vorher, unter schriftlicher Bekanntgabe der Tagesordnung zukommen zu lassen (§29 Abs2 TGO 1966), der Gemeinderat ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist (§31 leg.cit.).

In keiner Weise ist dargelegt, daß es ausgeschlossen gewesen wäre, innerhalb der zur Verfügung stehenden Frist die Gemeinderatsmitglieder zu einer Sitzung des Gemeinderates, mit deren Notwendigkeit bereits seit dem Tag der Zustellung des Bescheides (27. September 1991) gerechnet werden mußte, einzuberufen (vgl. im einzelnen auch VfSlg. 10646/1985).

Da der Mangel, daß die Beschwerde nicht von dem hiefür zuständigen Gemeinderat erhoben worden war, nicht behoben werden konnte, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Vertretung nach außen (Gemeinderecht), Gemeinderecht, Bürgermeister, Gemeinderat, Wirkungsbereich eigener, Grundverkehrsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B1247.1991

Dokumentnummer

JFT_10079071_91B01247_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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