Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §229 Abs1 Z2 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des S in Israel, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Juni 1994, MA 15-II-P 77/92, betreffend Begünstigung gemäß §§ 500 ff ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1020 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom 15. Juli 1992, mit welchem in der Pensionsversicherung des Beschwerdeführers die begünstigte Anrechnung von Versicherungszeiten für die Zeit vom 4. März 1933 bis 31. März 1959 abgelehnt worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der bekämpfte Bescheid aufgrund von § 502 ASVG bestätigt.
Nach der - wesentlichen - Begründung dieses Bescheides habe "nach den eigenen Angaben" der Beschwerdeführer in der Zeit von 1932 bis März 1938 als Gehilfe im "Galanteriegeschäft" (gemeint wohl: Galanteriewarengeschäft) seines Onkel E in M gegen ein monatliches Entgelt gearbeitet. Seine Tätigkeit habe den Verkauf und die Warenübernahme, die Warensortierung, die Kundenbedienung und die Geschäftsreinigung umfaßt. Gemäß § 229 Abs. 1 Z. 2 ASVG würden in der Pensionsversicherung der Angestellten die vor dem 1. Jänner 1939 und nach Vollendung des 15. Lebensjahres gelegenen Zeiten einer Beschäftigung als Angestellter, während derer nach dem Stande der Vorschriften vom 31. Dezember 1938, abgesehen von der Vorschrift über das Mindestalter von 17 Jahren und der Ausnahme der Lehrlinge von der Versicherungspflicht, die Pflichtversicherung in der Angestellten(Pensions)Versicherung begründet worden sei, soweit sie nicht schon als Beitragszeiten zählten, als Ersatzzeiten gelten. Das Bundesgesetz betreffend die gewerbliche Sozialversicherung (GSVG 1938) habe bestimmt, wer vor dem 1. Jänner 1939 angestellten- bzw. arbeiterversicherungspflichtig gewesen sei. Nach der vom Beschwerdeführer geschilderten Tätigkeit als Gehilfe in einem Galanteriewarenbetrieb habe es sich dabei jedoch, auch unter Berücksichtigung der Bestimmungen des GSVG 1938, um eine Tätigkeit als Arbeiter und nicht um die eines Angestellten gehandelt. Damit falle eine allfällige begünstigte Anrechnung von Versicherungszeiten gemäß § 502 Abs. 1 und 4 ASVG nicht in die Zuständigkeit der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, sondern in die der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter. Diese habe jedoch bereits mit Bescheid vom 2. März 1988 die Begünstigung für den Beschwerdeführer mangels Vorliegens einer Vorversicherung rechtskräftig abgelehnt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 502 Abs. 4 ASVG (im Zusammenhalt mit § 500 dieses Gesetzes) können Personen, die in der Zeit vom 4. März 1933 bis 9. Mai 1945 aus politischen Gründen - außer wegen nationalsozialistischer Betätigung - oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung ausgewandert sind und die vorher in der Zeit seit dem 1. Juli 1927 Beitragszeiten gemäß § 226 ASVG oder Ersatzzeiten gemäß §§ 228 oder 229 dieses Gesetzes oder Zeiten nach dem Auslandsrenten-Übernahmegesetz zurückgelegt haben, für die Zeiten der Auswanderung, längstens aber für die Zeit bis 31. März 1959, Beiträge nachentrichten. Im Beschwerdefall ist nicht strittig, daß der Beschwerdeführer weder Beitragszeiten gemäß § 226 ASVG, noch Ersatzzeiten gemäß § 228 dieses Gesetzes oder nach dem Auslandsrenten-Übernahmegesetz zurückgelegt hat. Strittig ist allein, ob die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Beschäftigung im Betrieb seines Onkels eine Ersatzzeit im Sinne des § 229 Abs. 1 Z. 2 lit. a ASVG ist.
Nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle gelten als Ersatzzeiten aus der Zeit vor dem 1. Jänner 1956 in der Pensionsversicherung der Angestellten die vor dem 1. Jänner 1939 und nach Vollendung des 15. Lebensjahres gelegenen Zeiten einer Beschäftigung als Arbeiter, während derer nach dem Stande der Vorschriften vom 31. Dezember 1938, abgesehen von der Vorschrift über das Mindestalter von 17 Jahren und der Ausnahme der Lehrlinge von der Versicherungspflicht, die Pflichtversicherung in der Angestelltenversicherung begründet wurde, soweit sie nicht schon als Beitragszeiten zählen.
Gemäß § 223 Abs. 1 lit. d GSVG 1938, BGBl. Nr. 1, waren nach den für die Angestelltenversicherung geltenden Vorschriften dieses Gesetzes versicherungspflichtig (angestelltenversicherungspflichtig) und für die Fälle der Krankheit, der Berufsunfähigkeit, des Alters und des Todes sowie für die Folgen eines Dienstunfalles versichert (angestelltenversichert), u.a. wer im Inland bei einem oder mehreren Dienstgebern vorwiegend zu Einkaufs-, Verkaufs- und Lagerdiensten, die eine durch das Wesen des Warenumsatzes bedingte Schulung und Fertigkeit voraussetzen, angestellt war. Unter Zugrundelegung der Feststellungen der belangten Behörde, wonach die Tätigkeit des Beschwerdeführers den Verkauf und die Warenübernahme, die Warensortierung, die Kundenbedienung und die Geschäftsreinigung in einem Galanteriewarenbetrieb umfaßt habe, kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß der Beschwerdeführer eine Tätigkeit im Sinne des § 223 Abs. 1 lit. d GSVG 1938 zumindest überwiegend verrichtet hat. Es steht nämlich keineswegs fest, daß die Verkaufstätigkeit in einem Galanteriewarengeschäft (dabei handelt es sich im wesentlichen um den Handel mit modischem Zubehör zur Kleidung) keine "kaufmännische Signatur trägt" und gegenüber nichtkaufmännischen Tätigkeiten (wie etwa Verpackung und Sortieren von Waren) nicht überwogen hat. Ob die Verkaufstätigkeit bzw. die Kundenbedienung durch den Beschwerdeführer die Höhe kaufmännischer Dienste im Sinne der Lehre und Rechtsprechung zum GSVG erreicht hat (vgl. zum Überwiegen der Tätigkeit KERBER, Die gewerbliche Sozialversicherung, 345; zum Begriff der kaufmännischen Hilfsdienste aaO, 352 bzw. zur Verkaufstätigkeit das Stichwort "Verkäufer" aaO im Berufsverzeichnis, Seite 875), wäre vielmehr von der belangten Behörde zumindest durch Befragung des Beschwerdeführers zu Umfang und Art der von ihm verrichteten Tätigkeiten zu klären gewesen.
Da die belangte Behörde die zur Beurteilung der Frage, ob die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Tätigkeit der Angestelltenversicherungspflicht in der genannten Hinsicht entspricht, erforderlichen Feststellungen somit nicht getroffen hat, ist das Verfahren in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Eine Kostenentscheidung hatte zu unterbleiben, da in der Beschwerde ein Kostenzuspruch nicht begehrt wurde.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Parteienvernehmung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche BeurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994080204.X00Im RIS seit
20.11.2000