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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §167 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der M in H, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 27. August 1990, GZ. 1781-2/89, betreffend Jahresausgleich für 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Anläßlich des Beginns ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als Außendienstmitarbeiterin bei einer Versicherungsanstalt richtete die Beschwerdeführerin einen 12 m2 großen Raum in ihrem Wohnhaus als Büro ein. Als Werbungskosten aus ihrer nichtselbständigen Tätigkeit machte sie im Rahmen des Jahresausgleichsantrages für das Kalenderjahr 1988 u.a. die AfA für diesen Büroraum (S 3.000,--), dessen Einrichtungsgegenstände (S 1.500,--) sowie die Heizung und Beleuchtung (S 2.400,--) geltend. Weiters beantragte sie von im Jahr 1988 angefallenen Telefonkosten von S 12.160,-- nach Abzug eines Privatanteiles von S 1.800,-- den Differenzbetrag von S 10.360,-- als Werbungskosten.
Nachdem im Verwaltungsverfahren die beanspruchten Büroaufwendungen zunächst nur der Höhe nach strittig waren, erkannte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid diese Kosten dem Grunde nach nicht an. Weiters nahm die belangte Behörde eine Kürzung der Telefonkosten um einen Privatanteil von S 6.000,-- vor.
In einem vor Erlassung des angefochtenen Bescheides durchgeführten Vorhaltsverfahren (Vorhalt vom 1. Juni 1990) hatte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin eingeladen, den Nachweis zu erbringen, daß die geltend gemachten Telefonkosten von S 10.360,-- tatsächlich in dieser Höhe erwachsen seien. Es widerspreche nämlich jeder Lebenserfahrung, daß in einem Haushalt mit drei Kindern im Alter von 18, 16 und 13 Jahren bei Gesamttelefonkosten von S 12.160,-- "nur für 1.800 Schilling p.a. privat telefoniert wird". Zum Arbeitszimmer wurde die Beschwerdeführerin - neben der Frage zur Höhe der diesbezüglich geltend gemachten Werbungskosten - vorweg um Beantwortung der Frage gebeten, wo diese im Jahr 1988 ihren Arbeitsplatz gehabt habe und ob ihr beim Arbeitgeber ein Arbeitsplatz (Büro, Schreibtisch) zur Verfügung gestanden sei oder nicht "- wenn nicht, warum nicht?".
Zu den Telefonkosten führte die Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 6. August 1990 im wesentlichen aus, "es dürfte auch eine Erziehungssache sein, ob minderjährige Kinder viel telefonieren". Objektiver werde eine Betrachtung, wenn zwischen Telefonkosten und Provisionserlösen eine Relation hergestellt werde. Zum Arbeitszimmer führte die Beschwerdeführerin aus, sie habe bei ihrem Arbeitgeber (der Landesdirektion der Versicherungsanstalt, der sie zugeteilt gewesen sei) keinen Arbeitsplatz gehabt. Sie habe ihre Tätigkeit von zu Hause aus organisiert und den Raum nur für ihre berufliche Tätigkeit als Versicherungsvertreterin verwendet.
Die Nichtanerkennung der Aufwendungen für das Arbeitszimmer begründete die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid damit, die Beschwerdeführerin habe in der Vorhaltsbeantwortung nicht "dargetan", warum sie beim Arbeitgeber keinen Arbeitsplatz habe und ob die Benutzung eines häuslichen Arbeitszimmer notwendig sei. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, daß die Beschwerdeführerin zwar tatsächlich in ihrem Wohnhaus einen Raum im Ausmaß von 12 m2 als Arbeitszimmer für ihre berufliche Tätigkeit regelmäßig benütze, daß dies aber andererseits nicht notwendig sei und sie "sehr wohl" von ihrem Arbeitgeber einen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt bekommen hätte. Die Beschwerdeführerin habe es demnach aus privaten Gründen vorgezogen, ihrer beruflichen Tätigkeit von "zu Haus aus" nachzugehen und ihrem Arbeitgeber "angeboten", in ihrem Haus ein Büro einzurichten und zu benützen. Zu den Telefonkosten stellte die belangte Behörde fest, die Beschwerdeführerin habe trotz gebotener Gelegenheit weder nachgewiesen noch Argumente vorgebracht, die es wenigstens als glaubhaft hätten erscheinen lassen, daß beruflich veranlaßte Telefonkosten in einem den Betrag von S 6.160,-- übersteigenden Ausmaß erwachsen wären. Privat veranlaßte Telefongebühren von S 1.800,-- bei Gesamtkosten von S 12.160,-- widersprächen bei einem Haushalt mit drei Kindern im Alter von 18, 16 und 13 Jahren jeder Lebenserfahrung.
Die mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehene Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aufwendungen für ein im Wohnhaus des Abgabepflichtigen gelegenes Arbeitszimmer sind als Werbungskosten anzuerkennen, wenn das Arbeitszimmer tatsächlich ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt wird und überdies ein beruflich verwendetes Arbeitszimmer nach der Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen notwendig ist (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 68 zu § 16, Stichwort Arbeitszimmer, mit weiteren Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung). Der beruflichen Nutzung (nahezu) ausschließlich dienende Einrichtungsgegenstände führen ebenfalls zu Werbungskosten (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1994, 91/14/0063).
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die berufliche Nutzung des Arbeitsraumes (und seiner Einrichtungsgegenstände) nicht in Zweifel gezogen, dessen "Notwendigkeit" aber damit bestritten, daß der Arbeitgeber, wenn die Beschwerdeführerin nicht aus privaten Gründen ein häusliches Arbeitszimmer vorgezogen hätte, einen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hätte. Unabhängig davon, ob die belangte Behörde diese Annahme unter Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen hat (laut den die konkrete Möglichkeit eines Arbeitsplatzes beim Arbeitgeber bestreitenden Ausführungen in der Beschwerdeschrift sei dem Vorhalt vom 1. Juni 1990 eine - derart weitgehende - Zielrichtung der Fragestellungen nicht zu entnehmen gewesen), hat die belangte Behörde damit die Rechtslage verkannt. Der Umstand, daß ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer bestimmte Aufwendungen nicht ersetzt oder Arbeitsmittel (so auch ein Arbeitszimmer) nicht zur Verfügung stellt (und die Gründe hiefür), sind für die Beurteilung der Frage, ob diese als Werbungskosten zu berücksichtigen sind oder nicht, nämlich belanglos, wenn die Aufwendungen eindeutig und ausschließlich im Zusammenhang mit der Erzielung der jeweiligen Einnahmen stehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1986, 84/14/0037). Ebenso wie es möglich ist, daß einem Arbeitnehmer Werbungskosten erwachsen, die ihm von seinem Arbeitgeber nicht ersetzt werden, ist es auch möglich, daß ein Arbeitnehmer einen beruflich veranlaßten Aufwand aus eigenem trägt, obwohl sein Arbeitgeber bereit wäre, diesen abzudecken (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 1991, 87/13/0074). Der allein wegen des unterstellten freiwilligen Verzichtes auf die Nutzung eines Arbeitsplatzes beim Arbeitgeber verneinte Werbungskostencharakter der Aufwendungen für das Arbeitszimmer (und die Einrichtungsgegenstände) war daher rechtlich nicht zulässig.
Die Kürzung der geltend gemachten Telefonaufwendungen von insgesamt S 12.160,-- um einen "Privatanteil" von S 6.000,-- läßt hingegen keine Unschlüssigkeit erkennen. Mangels beweiskräftiger Unterlagen über die Zahl und Dauer der beruflichen Gespräche war die belangte Behörde zur Schätzung des Werbungskostenanteiles verhalten (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1992, 90/13/0291). Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daraufhin zu überprüfen, ob der Denkvorgang zu einem den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechenden Ergebnis geführt hat, bzw. daraufhin, ob der Sachverhalt der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 1994, 90/14/0181). Die Annahme eines privaten Telefonanteiles (inkl. anteiliger Grundgebühr) in Höhe von S 6.000,-- jährlich (das sind S 500,-- monatlich) entspricht bei den festgestellten Familienverhältnissen (eine Erwachsene und drei Kinder im Alter von 13 bis 18 Jahren) durchaus der Lebenserfahrung. Daran ändert weder der allgemein gehaltene Hinweis, es sei "eine Erziehungssache, ob minderjährige Kinder viel telefonieren", noch das im Verwaltungsverfahren ansonsten hiezu erstattete Vorbringen etwas. Ein objektiv nachvollziehbarer, das Schätzungsergebnis der belangten Behörde als unschlüssig erscheinen lassender Zusammenhang zwischen den Provisionserlösen (nach der Aktenlage 1988 rund S 216.000,--) und den - ohnedies zu mehr als der Hälfte als Werbungskosten anerkannten - Telefonkosten wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht dargestellt.
Insgesamt war der angefochtene Bescheid wegen der bei der Beurteilung der Aufwendungen für den Arbeitsraum unterlaufenen inhaltlichen Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Sachverhalt BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1990140229.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
09.09.2009