TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/20 91/07/0083

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.1994
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwGG §42 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der S-GmbH in T, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 29. April 1991, Zl. 511.558/02-I B/91, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. Juni 1982 hatte der Landeshauptmann von Niederösterreich (LH) der damaligen V-AG als Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin den auf § 138 Abs. 2 WRG 1959 gestützten Auftrag erteilt, um nachträgliche Genehmigung für die konsenslos durchgeführte Beseitigung des Beizereischlammes aus dem Rohrwerk (Ablagerung von Beizschlämmen auf Gp. 734/1, KG D), anzusuchen oder diese eigenmächtige Neuerung zu entfernen.

Am 10. August 1982 hatte die V-AG beim LH um wasserrechtliche Bewilligung für diese Schlammdeponie (Schlammteiche) angesucht.

Am 10. Mai 1988 stellte die V-AG bei der belangten Behörde einen auf § 73 AVG 1950 gestützten Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht. Diesen Antrag wies die belangte Behörde nach Erhebung einer Säumnisbeschwerde seitens der Beschwerdeführerin innerhalb der ihr vom Verwaltungsgerichtshof für die Nachholung des versäumten Bescheides eingeräumten Frist mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. April 1991 gemäß § 73 AVG ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, auf Grund der Untätigkeit des LH in bezug auf den Bewilligungsantrag der V-AG vom 10. August 1982 sei dem Devolutionsantrag zunächst Berechtigung zugekommen, sodaß die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Bewilligungsantrag zu jenem Zeitpunkt auf die belangte Behörde übergegangen sei. Im Rahmen des weiteren Verfahrens sei aber bekannt geworden, daß seit 1982 auch andere Stoffe als die dem Antrag zugrundeliegenden Beizereischlämme abgelagert worden seien. Die V-AG sei daher im Jahre 1989 darauf hingewiesen worden, daß für die nachträgliche Bewilligung des in der Natur vorhandenen Zustandes beim LH als zuständiger Behörde anzusuchen sei, weil sich durch die zusätzlichen Lagerungen der Bewilligungsgegenstand gegenüber dem Jahre 1982 geändert habe. Da die V-AG auf ihren Anträgen beharrt habe, sei sie zur Vorlage weiterer Unterlagen eingeladen worden. Aus diesen in der Folge vorgelegten Unterlagen und deren Begutachtung durch den Amtssachverständigen habe sich ergeben, daß entgegen der dem Ansuchen aus 1982 zugrundeliegenden Planung nunmehr nicht nur eine vorübergehende Lagerung der Schlämme beabsichtigt sei, sondern daß nunmehr sowohl die deponierten Schlämme als auch die anderen abgelagerten Stoffe auf Dauer auf dem angeführten Grundstück verbleiben sollten. Nach Auffassung der belangten Behörde werde durch diese Änderung des Vorhabens nunmehr ein anderer Antrag verfolgt als der, der 1982 gestellt worden und dem Devolutionsantrag zugrunde gelegen sei. Die Ablagerung anderer Materialien und das Ziel einer endgültigen Ablagerung gegenüber einer bloßen Zwischendeponie könnten nicht als bloße Projektsmodifikationen gesehen werden, weil durch diese Änderungen der Antrag in inhaltlich wesentlicher und für fremde Rechte sowie öffentliche Interessen bedeutsamer Weise verändert worden sei. Der dem Devolutionsantrag zugrunde gelegene Antrag sei daher nicht mehr in der ursprünglichen Form gegeben, sodaß zu seiner weiteren Behandlung nicht mehr die belangte Behörde, sondern der LH zuständig sei. Die Angelegenheit sei daher gemäß § 6 AVG an den LH abgetreten, das Devolutionsverfahren formlos eingestellt und die Beschwerdeführerin hievon schriftlich verständigt worden.

Auf Grund der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Säumnisbeschwerde der Beschwerdeführerin sei klar geworden, daß die Beschwerdeführerin auf der Erlassung eines Bescheides im Devolutionsverfahren bestehe. Dieser sei innerhalb der seitens des Verwaltungsgerichtshofes hiefür eingeräumten Frist zu erlassen gewesen, wobei hiefür die bereits dargestellten Erwägungen auschlaggebend gewesen seien. Wenn auch der seinerzeitige Antrag gegenüber dem nunmehrigen ein "minus" darstelle, dürfe nicht übersehen werden, daß die belangte Behörde für die Behandlung des "plus" nicht zuständig sei, wobei der Antrag ein unteilbares Ganzes darstelle. Der seinerzeitige Antrag auf Bewilligung der vorübergehenden Lagerung von Beizschlämmen finde in der nunmehr angestrebten Bewilligung des in der Natur hergestellten Zustandes auf Dauer keinen Platz und könne daher nicht gesondert verfolgt werden. Der in seiner ursprünglichen Form nicht mehr bestehende seinerzeitige Antrag sei im geänderten Antrag aufgegangen. Dieser geänderte Antrag sei aber niemals Gegenstand eines erstinstanzlichen Verfahrens gewesen und daher nicht von der belangten Behörde zu behandeln.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt sowie zu einem ergänzenden Schriftsatz der Beschwerdeführerin eine ergänzende Stellungnahme abgegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen geht, wenn der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt wird, auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Unbestritten ist im Beschwerdefall, daß der LH als zuständige Wasserrechtsbehörde erster Instanz aus ihm zurechenbarem Verschulden den Antrag der V-AG vom 10. August 1982 nicht innerhalb der Frist des § 73 Abs. 1 AVG erledigt hat. Die belangte Behörde hat somit zu Recht zunächst den Übergang der Entscheidungspflicht bejaht. Durch die mit Eingabe vom 30. Oktober 1989 seitens der V-AG vorgelegten Unterlagen ergaben sich aber inhaltliche Änderungen des ursprünglichen Antrages. Die Wesentlichkeit dieser Änderungen liegt, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, vor allem in dem Umstand, daß nunmehr auch andere Stoffe - insbesondere Schlacke und Bauschutt - als die ursprünglich ausschließlich vorgesehenen Beizereischlämme gelagert werden. Aber auch der Umstand, daß nunmehr im Gegensatz zum Ansuchen aus 1982 nicht mehr nur eine Zwischenlagerung, sondern eine Endlagerung des Deponiegutes beabsichtigt ist, stellt eine in gleicher Weise gravierende Abänderung des ursprünglichen Bewilligungsansuchens dar.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kommt es für die Beurteilung dieser Projektsänderungen weder darauf an, ob der angeführte, auf § 138 Abs. 2 WRG 1959 gestützte, rechtskräftige Auftrag vom 11. Juni 1982 zu Recht ergangen ist, noch ist es im gegebenen Zusammenhang von Bedeutung, welche Art der Ablagerung dem LH als zulässig erschienen sein mag. Ebensowenig kann der Beschwerdeführerin gefolgt werden, wenn sie meint, es wäre Aufgabe des LH gewesen, sie zu einer Projektsänderung (Umwandlung in ein Endlager) aufzufordern, da klar geworden sei, daß es der Beschwerdeführerin nicht gelingen werde, die Bewilligung für ein anderwärtiges Endlager zu erlangen. Auch mit ihrem Einwand, der LH habe noch zu einem Zeitpunkt, zu dem ihr Devolutionsantrag schon bei der belangten Behörde anhängig gewesen sei, eine mündliche Verhandlung durchgeführt und somit eine ihm nicht mehr zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen, vermag die Beschwerdeführer keinen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Umstand aufzuzeigen.

Soweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, der Bewilligungsantrag vom 10. August 1982 habe keine Einschränkung auf eine Zwischenlagerung enthalten, sodaß durch die Einreichung der angeführten ergänzenden Unterlagen der Prozeßgegenstand nicht geändert worden sei, ist ihr zu erwidern, daß dieses Ansuchen auf den ihm beigeschlossenen technischen Bericht verweist und auch nur im Zusammenhang mit diesem verstanden werden kann. In diesem technischen Bericht vom 21. Juli 1982 ist als Zweck der Anlage (Schlammdeponie) ausdrücklich die Zwischenlagerung der angeführten Industrieschlämme (Schlamm der Edelstahlbeizerei (Rohrwerk) und Schlamm aus den Naßentstaubungen des Stahlwerkes (Elektroofen V und Stahlentgasungsanlage VHF)) genannt, wobei die Verführung der durch Verdunstung des Wassers eingedickten Schlämme auf eine außerhalb des Werkes gelegene Deponie vorgesehen ist. Demgegenüber hat die Beschwerdeführerin anläßlich der Vorlage (an die belangte Behörde gerichtete Eingabe vom 30. Oktober 1989) von ergänzenden Unterlagen ihr Projekt dahin modifiziert, daß nunmehr die Belassung der abgelagerten Abfälle an Ort und Stelle (Endlagerung), deren Abdeckung und Rekultivierung, die Ableitung von Oberflächenwässern sowie ein Kontroll- und Beweissicherungsprogramm vorgesehen sind. Angesichts dieses sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergebenden Sachverhaltes kann aber der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, daß das ursprüngliche Ansuchen um wasserrechtliche Bewilligung der Beizschlammdeponie in wesentlichen Punkten abgeändert worden ist. Der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Problematik der Anwendung des WRG 1959 in der Fassung vor und nach der Novelle 1990 kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu, weil es für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Projektsänderung in erster Linie darauf ankommt, in welcher Hinsicht und in welchem tatsächlichen Umfang ein Vorhaben geändert wird. Zu bemerken ist allerdings, daß der Umstand der Einführung eines eigenen Tatbestandes für das Bereithalten von Abfällen zum Abtransport oder zur Verwertung oder Behandlung durch die angeführte Novelle (§ 31 b Abs. 1 WRG 1959) durchaus auch als Indiz für die Wesentlichkeit einer Projektsänderung, die anstelle eines Zwischenlagers von schlammförmigen Abfällen eine endgültige Deponierung vorsieht, angesehen werden kann.

Ändert eine Partei, die die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde mit Devolutionsantrag angerufen hat, ihren dem Verfahren zugrundeliegenden ursprünglichen Antrag in einem wesentlichen Punkt ab, so hat über diesen geänderten Antrag die gemäß § 73 Abs. 1 AVG zuständige Behörde erster Instanz zu entscheiden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1979, Zl. 814/78). Daraus folgt, daß die belangte Behörde, deren Zuständigkeit sich ausschließlich auf den durch den ursprünglichen Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin zunächst bewirkten Übergang der Entscheidungspflicht stützen konnte, verpflichtet gewesen wäre, den solcherart geänderten Antrag zurückzuweisen. Wenn auch die belangte Behörde demgegenüber durch die Abweisung des Devolutionsantrages eine meritorische Erledigung getroffen hat, hat sie dadurch, daß sie sich in der prozessualen Form vergriffen hat, die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. September 1987, Zl. 87/02/0100).

Die sich sohin insgesamt als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Parteistellung Parteienantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991070083.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten