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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des F in K, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. August 1992, Zl. MD-VfR-B XVIII-16/92, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: B & B GmbH in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der Mitbeteiligten in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der Mitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Am 16. März 1990 beantragte der frühere Eigentümer der Liegenschaft EZ 448 (Wien, H-Gasse 98) die Baubewilligung zum Abbruch des auf den Grundstücken Nr 554/110 und Nr 554/205 befindlichen Gebäudes. Es handelt sich dabei um das Portierhaus mit Heizkammer im dritten Keller, die Waschküche, Kammer und Kohlendepot im zweiten Keller, die Hausbesorgerwohnung im ersten Keller, die Wagenremise (Garage) und den Glashausteil im Erdgeschoß sowie das Glashaus im Dachgeschoß. Die Kellergeschoße sind gegenüber dem Erd- und Obergeschoß insoferne verschoben, als sie sich unmittelbar an der Grenze zu den Grundstücken des Beschwerdeführers Nr. 554/206 (H-Gasse 96) bzw. 554/299 (an der Grundgrenze errichtete Garage) befinden. Der Beschwerdeführer wendete ein, er sei Miteigentümer des abzutragenden Gebäudes und er erteile keine Zustimmung. Im übrigen machte er gegen den Abbruch geltend, daß das Gebäude kulturhistorisch bedeutsam und erhaltungswürdig sei.
Mit Bescheid vom 28. Jänner 1992 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, dem mitbeteiligten Bauwerber die Bewilligung zum Abbruch für das gesamte Gebäude "mit Ausnahme der Kellerwände gegen die rechte Grundgrenze und der Kellerwände im Vorgartenbereich". Die Einwendung des Beschwerdeführers, Miteigentümer zu sein, wurde als unzulässig zurückgewiesen bzw. als privatrechtlich erklärt und auf den Zivilrechtsweg verwiesen. In diesem Bescheid erfolgte eine Reihe von Vorschreibungen; Pkt. 11 dieser Vorschreibungen lautet: "Der Abbruch der unter angrenzenden Niveau befindlichen Gebäudeteile, welche somit als Stützmauern fungieren, darf nur Zug um Zug mit dem Neubau bzw. der Herstellung der Baugrubensicherung so erfolgen, daß ein Abrutschen von Erdreich oder Bauteilen wirksam verhindert wird".
In seiner dagegen erstatteten Berufung verwies der Beschwerdeführer auf die von ihm anhängig gemachte Klage, gerichtet auf Einverleibung eines Teiles der Fläche, auf der sich das gegenständliche Gebäude befinde. Wegen dieser Vorfrage habe die Behörde das Verfahren nicht nur nicht unterbrochen, sie habe diese Vorfrage überhaupt übergangen. Der Abbruch widerspreche § 60 Abs. 1 lit. d der Bauordnung für Wien, weil mit der Festsetzung der Schutzzone, dieses Gebäude miteinschließend, in den nächsten Monaten zu rechnen sei. Die Auflage zur Baugrubensicherung sei unzureichend; dem Bauwerber hätte der Nachweis der Absicherung der Liegenschaft des Beschwerdeführers auferlegt werden müssen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge; hinsichtlich der Absprüche über Einwendungen führte sie Modifizierungen durch. Die Klärung der Eigentumsverhältnisse sei eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG, die die Behörde trotz eines zivilgerichtlichen Verfahrens betreffend den strittigen Grenzverlauf selbst lösen könne. Nach dem dortigen Klagsvorbringen sei der Bereich der Kellermauern der Grenze strittig. Nach dem Plan, der der Bewilligung der Garage auf dem Grundstück des Beschwerdeführers zugrundelag, ging die belangte Behörde davon aus, daß sich sämtliche vom Abbruch betroffenen Teile nicht im Eigentum des Beschwerdeführers befänden. Soweit sich der Beschwerdeführer auf die beabsichtigte Schaffung einer Schutzzone berief, entgegnete ihm die belangte Behörde, daß die Vorschriften, die der Wahrung des örtlichen Stadtbildes und der schönheitlichen Rücksichten dienten, nicht zu jenen Bestimmungen gehörten, die außer dem öffentlichen Interesse auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Das Vorbringen hinsichtlich der Baugrubensicherung beziehe sich auf die Tätigkeit der Bauführung als solche, welche nicht Gegenstand der Baubewilligung sein könne.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Einhaltung der Flächenwidmungs- und Bebauungsbestimmungen, auf Versagung der Abtragungsbewilligung bei unmittelbar bevorstehender Schutzzonenfestsetzung, auf Unverletzlichkeit seines Eigentums, auf Beachtung gesetzlich normierter Kriterien bei Ermessensentscheidungen, auf Parteiengehör und auf Bescheiderlassung - soweit nicht Gerichte zur Entscheidung berufen sind - verletzt. Er begehrt Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete wie die Mitbeteiligte eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 1 lit. b der Bauordnung für Wien (LGBl. Nr. 11/1930 in der zuletzt durch die Novelle LGBl. Nr. 39/1987 geänderten Fassung; im folgenden: BO) hat der Bauwerber die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer) dem Ansuchen anzuschließen. Die Frage, wer Eigentümer des Baugrundes ist, hat die Behörde als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Gemäß § 38 AVG ist die Behörde im allgemeinen berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheide zugrundezulegen. Damit können auch Vorfragen, die als Hauptfragen bei Gericht entschieden werden, von den Verwaltungsbehörden selbständig gelöst werden. Von einer Unzuständigkeit, weil gemäß § 1 JN allein die Gerichte zuständig wären, kann somit keine Rede sein.
In der Beschwerde wird weiters gerügt, daß die belangte Behörde - obwohl in der Berufung der erstinstanzlichen Behörde der Vorwurf gemacht wird, sie wäre auf die Vorfrage nicht eingegangen - nunmehr diese Vorfrage gelöst habe. Dazu war die belangte Behörde entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers berechtigt, darf doch gemäß § 66 Abs. 4 AVG die Berufungsbehörde sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde setzen und demgemäß den angefochenen Bescheid nach jeder Richtung abändern. Die belangte Behörde setzte an die Stelle der Rechtsaufassung der ersten Instanz, es liege eine privatrechtliche Einwendung vor (§ 70 Abs. 2 letzter Halbsatz BO), ihre Ansicht, wonach es sich bei der Frage eines bestimmten Grenzverlaufes um eine Vorfrage des Baubewilligungsverfahrens handle. Es kann somit auch von einer funktionellen Unzuständigkeit keine Rede sein.
Eingangs seiner Rechtsrüge macht der Beschwerdeführer geltend, daß der abweisende Teil des erstinstanzlichen Bescheides nicht hinreichend präzisiert sei. Gegenstand dieses Bescheides ist der mit dem Genehmigungsvermerk versehene Bauplan; an Hand des Bauplans läßt sich aber ohne jeden Zweifel erkennen, welche Kellerwände von der Abruchbewilligung nicht erfaßt sind; darüberhinaus ist die Festlegung "gegen die rechte Grundgrenze" eindeutig. In der Rechtsrüge behauptet der Beschwerdeführer weiters, Eigentümer eines "an und unter dem vom Bescheid erfaßten Gebäude liegenden Flächenteilstückes" zu sein; ob der rund 30 bis 40 cm breite Grenzstreifen, dessen Einverleibung er mit seiner Klage begehrte, die von der Baubewilligung ausgenommenen Kellerwände überschreitet, läßt er jedoch offen. Überhaupt läßt er jede Auseinandersetzung darüber vermissen, inwieweit die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf die auf dem Grundstück des Beschwerdeführers laut Bewilligungsbescheid vom 24. Jänner 1956 an der linken Grundgrenze errichtete Garage die Vorfrage falsch gelöst hätte.
Jedenfalls vermag der Beschwerdeführer vor allem unter Berücksichtigung der ohnehin erfolgten Abweisung im erstinstanzlichen Bescheid eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch eine Ermessensüberschreitung durch die selbständige Lösung der Vorfrage nicht erkennen. Bemerkt sei schließlich, daß hinsichtlich des hier gegenständlichen Grenzbereiches das Einverleibungsbegehren des Beschwerdeführers inzwischen rechtskräftig abgewiesen wurde (Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 30. Dezember 1992, GZ. 7 C 112/92b-29, bestätigt durch das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 22. Juni 1993, GZ. 45 R 326/93).
Weder dem § 134 Abs. 3 BO noch dem § 60 Abs. 1 lit. d BO sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß die Bestimmungen über die Versagung der Bewilligung für den Abbruch von Gebäuden vor Festsetzung der Schutzzone "dem Schutz der Nachbarn dienen" und diesen daher im Verfahren über die Erteilung der Abbruchbewilligung in dieser Hinsicht ein Mitspracherecht zustehe (ständige hg. Rechsprechung, zuletzt Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 93/05/0170). Die belangte Behörde hat daher völlig zu Recht ein Nachbarrecht auf Versagung der Abbruchbewilligung aus diesem Grunde nicht angenommen.
Dem erstinstanzlichen Bauverfahren ist nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer hinsichtlich des gegenständlichen Abbruches Rutschgefahr oder sonstige Einwendungen betreffend Einfluß auf die Tragfähigkeit des Untergrundes erhoben hätte; seine im Akt erliegende Eingabe vom 24. Jänner 1993 bezieht sich, wie nicht nur aus der Geschäftszahl, sondern auch aus dem Text dieser Eingabe hervorgeht, nicht auf den gegenständlichen Abbruch, sondern auf ein geplantes neues Gebäude. Auf seine in der Berufung erhobene Einwendung, die Auflage betreffend die Baugrubensicherheit sei unzureichend, hätte daher gemäß § 42 Abs. 1 AVG gar nicht eingegangen werden müssen; durch die trotzdem erfolgte Behandlung im angefochtenen Bescheid konnte eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers nicht eintreten.
Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 AVG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; da der Schriftsatzaufwand pauschal honoriert wird, kommt ein gesonderter Ersatz hinsichtlich der Stellungnahme zum Antrag auf aufschiebende Wirkung nicht in Betracht. Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.
Schlagworte
Baurecht NachbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992050262.X00Im RIS seit
03.05.2001