TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/20 94/04/0110

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Veröffentlicht am 20.12.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde des W in K, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 28. April 1994, Zl. 04-19 Ro 40-1994/4, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 20. August 1993 wurde unter Spruchpunkt I gemäß § 340 Abs. 1 GewO 1973 festgestellt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des am 2. Juli 1993 von Herrn W angemeldeten gebundenen Gastgewerbes in der Betriebsart "Bar" im Standort K, vorliegen (Rechtswirksamkeit der Anmeldung: 19. Juli 1993)", und unter Spruchpunkt II gemäß dem § 87 Abs. 1 Z. 3 und 4 sowie § 361 GewO 1973 dem "Herrn W die oben angeführte Gewerbeberechtigung entzogen". Die im Spruchpunkt II dieses Bescheides ausgesprochene Entziehung der Gewerbeberechtigung begründete die Gewerbebehörde erster Instanz damit, daß mit Strafanzeige des Landesgendameriepostenkommandos Steiermark - Kriminalabteilung vom 11. August 1993 mitgeteilt worden sei, daß in der nicht genehmigten Betriebsanlage am Standort K Prostituierte illegal arbeiteten und dies vom Beschwerdeführer geduldet werde. Da auf Grund der Angaben des Landesgendameriekommandos Steiermark-Kriminalabteilung der Beschwerdeführer die illegale Prostitution unterstütze, sei die bereits entstandene Gewerbeberechtigung zu entziehen gewesen.

In der gegen Spruchpunkt II des vorgenannten Bescheides erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer die Feststellung der Gewerbebehörde erster Instanz, er hätte illegale Prostitution in seinem Hause geduldet. Von der Behörde erster Instanz sei er nicht gehört worden. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens hätte sich eindeutig herausgestellt, daß er keine Prostituierten beschäftige und keine illegale Prostitution in seinem Hause dulde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 20. August 1993, "worin gemäß der §§ 87 Abs. 1 Z. 3 und 4 sowie § 361 GewO 1994 die Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart Bar am Standort K, entzogen wurde," gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben. Nach Darstellung der maßgeblichen Gesetzeslage führte die belangte Behörde in der Begründung aus, mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 16. März 1994 sei der Beschwerdeführer wegen einer Übertretung nach § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und wegen Übertretung nach § 1 der Prostitutionsverordnung bestraft worden. Es bestehe daher der Verdacht der Ausübung der illegalen Prostitution sowie der illegallen Beschäftigung. Auf Grund dieser unbestrittenen Tatsache erübrige sich die Wahrung des Parteiengehörs. Ein allfälliger Mangel des Parteiengehörs im Verfahren der ersten Instanz erscheine jedenfalls im Berufungsverfahren durch die mit der Berufung gegebenen Möglichkeit der Stellungnahme saniert.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid seinem gesamten Vorbringen zufolge im Recht auf Nichtentziehung der Gewerbeberechtigung verletzt. In Ausführung des so verstandenen Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer vor, auf Grund der Anzeige des Landesgendameriekommandos Steiermark vom 11. August 1993 habe die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung zwischenzeitig ein Straferkenntnis erlassen, mit welchem über ihn eine Geldstrafe von insgesamt S 19.000,-- verhängt worden sei. Gegen dieses Straferkenntnis habe der Beschwerdeführer am 1. April 1994 Berufung erhoben, sodaß diese Entscheidung noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Die belangte Behörde habe ebenso wie die Gewerbebehörde erster Instanz "das Bestehen des Verdachtes der Ausübung der illegalen Prostitution sowie der illegalen Beschäftigung als erwiesen angenommen", ohne dem Beschwerdeführer die Möglichkeit des Parteiengehörs zu bieten. Der bloße Hinweis auf das Vorliegen einer Anzeige sei ebenso unzureichend wie die Verweisung auf ein noch nicht in Rechtskraft erwachsenes Straferkenntnis. Hätte die Behörde ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs entsprochen, hätte der Beschwerdeführer darauf hinweisen und ausführen können, daß die gegen ihn erhobenen Vorwürfe jeglicher Grundlage entbehrten. Selbst wenn sich der Inhalt der Anzeige - was vom Beschwerdeführer jedoch ausdrücklich bestritten werde - als richtig darstellen sollte, seien damit die Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bzw. der Prostitutionsverordnung nicht erfüllt, zumal keine Behauptungen des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses bzw. eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses vorlägen. Die Begründung des angefochtenen Bescheides sei insoweit aktenwidrig, als bezüglich des Vorwurfes der illegalen Prostitution sowie der illegalen Beschäftigung von einer unbestrittenen Tatsache ausgegangen werde und sich daher die Wahrung des Parteiengehöres erübrigt hätte.

Die Beschwerde ist aus folgenden Gründen berechtigt:

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Schutzinteressen gemäß Z. 3 sind nach dem Schlußsatz des § 87 Abs. 1 insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs sowie der illegalen Prostitution.

Die für das Vorliegen dieses Gewerbeentziehungsgrundes erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen sind im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu treffen.

Nach § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Nach § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Bereits im Verfahren vor der Gewerbebehörde erster Instanz wurden dem Beschwerdeführer die Ermittlungsergebnisse, welche Grundlage des Ausspruches der Gewerbeentziehung waren, nicht zur Kenntnis gebracht. Dies wurde vom Beschwerdeführer in seiner Berufung ausdrücklich gerügt und die Sachverhaltsannahmen der Gewerbebehörde erster Instanz auch ausdrücklich bestritten. Auch die Ermittlungsergebnisse im Berufungsverfahren wurden dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde nicht zur Kenntnis gebracht. Die belangte Behörde belastete den angefochtenen Bescheid daher mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften deshalb, weil sie dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit gegeben hat, vom Ergebnis der - von ihr ergänzend durchgeführten - Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Dieser Verfahrensmangel mußte gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG schon deshalb zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, weil der Beschwerdeführer diesen Mangel ausdrücklich in der Beschwerde aufgezeigt und die dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten tatsächlichen Feststellungen auch mit dem Hinweis bekämpft hat, daß er bei Gewährung des Parteiengehörs die Unrichtigkeit der Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde nachweisen hätte können. Da die belangte Behörde bei Vermeidung des aufgezeigten Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, ist von einer Wesentlichkeit desselben auszugehen.

Aus den dargelegten Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auch mit einer Aktenwidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Kostenzuspruch erfolgte hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes im begehrten Umfang. Kosten für nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand konnten jedoch nicht zuerkannt werden.

Schlagworte

Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994040110.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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