TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/20 94/07/0082

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Veröffentlicht am 20.12.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §68 Abs1;
VwRallg;
WRG 1959 §111 Abs1;
WRG 1959 §111;
WRG 1959 §121 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §14;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der T-AG in I, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 18. April 1994, Zl. 14.620/20-I4/93, betreffend wasserrechtliche Überprüfung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid traf die belangte Behörde folgende Absprüche:

"I. Gemäß §§ 100 Abs. 2 und 121 WRG 1959 wird festgestellt, daß die (Beschwerdeführerin) den Auflagepunkt 9) des Bescheides (der belangten Behörde) vom 27.2.1958, Zl. 96.161/29-32.930/58, insoweit dem Grunde nach erfüllt hat, als sie die Uferstraßen Ost und West errichtet hat; im übrigen bleibt der diesbezügliche Auflagenpunkt bis zur Erfüllung der im Spruchabschnitt II. dieses Bescheides der (Beschwerdeführerin) aufgetragenen Ersatzmaßnahmen aufrecht.

II. Gemäß §§ 9, 14, 100 Abs. 2, 121 und 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 wird die (Beschwerdeführerin) verpflichtet, in Erfüllung des Auflagepunktes 9) des Bescheides (der belangten Behörde) vom 27.2.1958, Zl. 96.161/29-32.930/58, bis 31.12.1994 im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft ein im Einvernehmen mit den Sachverständigen (der belangten Behörde) ausgearbeitetes Detailprojekt über nachstehende oder andere im Ergebnis gleichwertige Ersatzmaßnahmen bei der Uferstraße Ost zur wasserrechtlichen Bewilligung einzureichen:

a)

Errichtung von insgesamt 1750 m Lawinengalerien in nachstehenden Bereichen:

...;

b)

Errichtung einer 85 m langen Steinschlaggalerie im Bereich ...;

c)

Errichtung eines Wildholz- und Grobgeschiebefanges im Bereich ...;

    d) Errichtung einer Brücke im Bereich ... sowie einer

       Brücke im Bereich ... mit einer lichten Weite von

       jeweils 5 m und einer Höhe von jeweils 3 m;

e)

Errichtung von Fahrbahnverbreiterungen (Ausweichen) auf ein Ausmaß von 5,50 m Fahrbahn und 0,50 m Spitzgraben in nachstehenden Bereichen:

..."

Zur Begründung dieses Bescheidspruches führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im wesentlichen folgendes aus:

Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. Februar 1958, Zl. 96.161/29-32.930/58, sei der Beschwerdeführerin die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb des Kraftwerkes K. erteilt worden. Auflagepunkt 9) habe in seinem dritten Satz wie folgt gelautet:

"Als Ersatz für den überstauten Fahrweg ist am linken Hang des Stausees ein neuer Fahrweg zum G.-Haus, am rechten Hang ein einfacher Holzbringungsweg mit der für einen solchen üblichen Breite von etwa 2,50 m anzulegen."

In der Kollaudierungsverhandlung vom 19. bis zum 22. September 1972 hätten verschiedene Stellen die "Uferstraße West" nicht als geeigneten Ersatz bezeichnet, woraufhin diese Verhandlung nicht abgeschlossen worden sei. Ein Kollaudierungsbescheid sei bis heute nicht erlassen worden. Auf Grund eines Ersuchens der Beschwerdeführerin um wasserrechtliche Bewilligung der Uferstraße Ost habe am 19. Oktober 1982 die wasserrechtliche Bewilligungsverhandlung stattgefunden; trotz positivem Verhandlungsergebnis sei ein Bewilligungsbescheid allerdings nicht erlassen worden. Die Beschwerdeführerin habe in der Folge den auf der rechten Seite des Stausees errichteten Forstweg auf eine Uferstraße (heutige Uferstraße Ost) ausgebaut und am 12. August 1986 um wasserrechtliche Überprüfung der Ausführung dieser Uferstraße angesucht. Eine solche sei freilich nicht möglich, weil kein Bewilligungsbescheid vorliege, mit welchem die ausgeführten Anlagen verglichen werden könnten.

Rechtsgrundlage für die Überprüfung der Ausführung der in Auflagepunkt 9) des Bescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. Februar 1958 sei die Bestimmung des § 121 Abs. 1 WRG 1959. Festzuhalten sei vorweg, daß die Beschwerdeführerin den verfahrensgegenständlichen Auflagepunkt insoweit erfüllt habe, als sie die Uferstraßen Ost und West in der vorgeschriebenen Breite errichtet hatte. Es sei von der Wasserrechtsbehörde im Sinne des Auflagepunktes allerdings zu prüfen, ob die angelegten Straßen einen adäquaten Ersatz für den überstauten alten Fahrweg zum G.-Haus darstellten; zur Beurteilung dieser Frage sei die der Auflage zugrundeliegende Rechtsnorm heranzuziehen, worunter § 14 WRG 1959 zu verstehen sei. Die zentrale Frage, ob die angelegten Straßen einen vollwertigen Ersatz darstellten, sei somit im Vergleich zu den am alten Talweg bestandenen Sicherheitsverhältnissen anhand der öffentlichen Sicherheitsinteressen zu beurteilen. Die Amtssachverständigen hätten schlüssig nachgewiesen, daß die von der Beschwerdeführerin errichtete Uferstraße Ost im Hinblick auf die derzeit gewünschte Nutzung öffentlichen Interessen nicht vollständig entspreche, weshalb im öffentlichen Interesse die der Beschwerdeführerin im Spruchabschnitt II. dieses Bescheides vorgeschriebenen Maßnahmen zu setzen seien. Die Beschwerdeführerin habe lediglich die Erfüllung des Auflagepunktes behauptet, sei jedoch dem Gutachten der beigezogenen Amtssachverständigen inhaltlich nicht entgegengetreten. Wenn die Beschwerdeführerin ins Treffen geführt habe, daß sich erst durch das nach Errichtung des Kraftwerkes geschaffene Gletscherschigebiet die Ansprüche an die Lawinensicherheit wesentlich geändert hätten, sei dazu auszuführen, daß sich die infolge einer Diskrepanz der Anlage mit dem Bewilligungsbescheid von der Wasserrechtsbehörde vorzuschreibende Beseitigung von Mängeln nur an den Konsensinhaber richten könne, weshalb in der gegenständlichen Angelegenheit ausschließlich die Beschwerdeführerin zu verpflichten gewesen sei. Die Verpflichtung zur Ausarbeitung eines Detailprojektes und dessen Einreichung zur wasserrechtlichen Bewilligung bedeute aber nicht, daß die Beschwerdeführerin sämtliche Kosten der Errichtung und der Instandhaltung der Anlagen zu tragen haben würde. Ein Kostenaufteilungsschlüssel könne in diesem Verfahren allerdings noch nicht festgelegt werden; mangels gütlicher Einigung zwischen den Interessenten werde die Wasserrechtsbehörde im Bewilligungsverfahren über das vorzulegende Detailprojekt auch über die Kostentragung zu entscheiden haben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise auch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides mit der Erklärung begehrt, sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Feststellung der Erfüllung auch des Auflagenpunktes 9) des Bescheides vom 27. Februar 1958 und in ihrem Recht darauf, nicht ohne Vorliegen gesetzlicher Voraussetzungen zur Vorlage eines Straßen-Detailprojektes verpflichtet zu werden, als verletzt zu erachten.

Die belangte Behörde hat Teile der Akten ihres Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid entbehrt jeder rechtlichen

Grundlage.

Die von der belangten Behörde zur rechtlichen Begründung ihrer Absprüche herangezogene Bestimmung des § 121 Abs. 1 WRG 1959 hat folgenden Wortlaut:

"§ 121 (1) Unmittelbar nach erfolgter Ausführung einer nach diesem Bundesgesetz bewilligungspflichtigen Wasseranlage hat sich die zur Erteilung der Bewilligung in erster Instanz zuständige Wasserrechtsbehörde in einem nach den Bestimmungen der §§ 40 bis 44 AVG 1950 auf Kosten des Unternehmers durchzuführenden Verfahren von der Übereinstimmung der Anlage mit der erteilten Bewilligung, bei Trieb- und Stauwerken insbesondere auch von der richtigen und zweckmäßigen Setzung der Staumaße zu überzeugen, die Messungsergebnisse in der Verhandlungsschrift festzulegen, das Ergebnis dieser Überprüfungsverhandlung durch Bescheid auszusprechen und die Beseitigung der dabei etwa wahrgenommenen Mängel und Abweichungen zu veranlassen. Geringfügige Abweichungen, die öffentlichen Interessen oder fremden Rechten nicht nachteilig sind oder denen der Betroffene zustimmt, können im Überprüfungsbescheid nachträglich genehmigt werden. Wird bei einer Fristüberschreitung die Bewilligung nicht ausdrücklich für erloschen erklärt, so gilt die Anlage als fristgemäß ausgeführt (§ 112 Abs. 1)."

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig in seinem Spruchpunkt I., weil die Bestimmung des § 121 Abs. 1 WRG 1959 einer Feststellung der Erfüllung eines Auflagepunktes bloß "dem Grunde nach" keine Grundlage bietet. Gegenstand eines nach der zitierten Gesetzesstelle zu erlassenden Bescheides ist die Feststellung, daß die ausgeführte Anlage der erteilten Bewilligung entweder entspricht oder nicht entspricht; wahrgenommene Abweichungen vom Bewilligungsbescheid sind entweder unter den Bedingungen des zweiten Satzes des § 121 Abs. 1 WRG 1959 nachträglich zu genehmigen oder zum Gegenstand eines Beseitigungsauftrages zu machen. Ein Spruch der von der belangten Behörde im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vorgesehenen Art ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig in seinem Spruchpunkt I. auch deswegen, weil er, soweit ihm die Feststellung entnommen werden kann, daß der Bescheid der belangten Behörde vom 27. Februar 1958 in seinem Auflagepunkt 9) noch nicht erfüllt sei, mit einem unauflösbaren Widerspruch zwischen Spruch und Gründen belastet ist. Die in der Begründung getroffene Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin mit dieser Auflage des Bewilligungsbescheides verpflichtet gewesen sei, als Ersatz für den überstauten Fahrweg u.a. am rechten Hang einen einfachen Holzbringungsweg mit der für einen solchen üblichen Breite von etwa 2,50 m anzulegen, und die des weiteren getroffene Feststellung, daß die Beschwerdeführerin die Uferstraße Ost in der vorgeschriebenen Breite errichtet hatte, stehen zu einer nach § 121 Abs. 1 WRG 1959 getroffenen Feststellung, daß der in Rede stehende Auflagenpunkt nicht erfüllt sei, in diametralem Gegensatz. Wenn die Beschwerdeführerin, wie von der belangten Behörde festgestellt, auflagengemäß am rechten Hang des Stausees einen einfachen Holzbringungsweg mit der für einen solchen üblichen Breite von etwa 2,50 m angelegt hat, dann hat sie die ihr im Bewilligungsbescheid vom 27. Februar 1958 erteilte Auflage erfüllt. Davon ausgehend sind alle den Gegenstand der Begutachtung durch die Amtssachverständigen der belangten Behörde bildenden Fragen für die nach § 121 Abs. 1 WRG 1959 gebotene Bescheiderlassung irrelevant. Die Bestimmung des § 14 WRG 1959 hat ihren Anwendungsbereich im Bewilligungsverfahren und bietet keinen rechtlichen Grund für eine die Rechtskraft des Bewilligungsbescheides durchbrechende zusätzliche Belastung des Konsenswerbers mit neuen Auflagen im wasserrechtlichen Überprüfungsbescheid nach § 121 Abs. 1 WRG 1959. Privatrechtliche Vereinbarungen der Beschwerdeführerin mit Dritten sind mangels bescheidmäßiger Beurkundung nach § 111 Abs. 3 WRG 1959 - eine solche wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt - für den Beschwerdefall ebenso irrelevant wie ein von der Beschwerdeführerin zu einem späteren Zeitpunkt gestelltes und nicht den Gegenstand dieses Überprüfungsverfahrens bildendes anderes wasserrechtliches Bewilligungsansuchen.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig schließlich auch in seinem Spruchpunkt II., weil sich weder der Bestimmung des § 121 Abs. 1 WRG 1959 noch jener des § 138 Abs. 1 lit. a leg. cit. der geringste rechtliche Grund dafür entnehmen läßt, dem Konsensinhaber einen Auftrag zur Vorlage eines Projektes zu erteilen.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen der Bestimmung des § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; an Stempelgebühren war nur ein Betrag von S 180,-- für die Beilage und ein solcher von S 240,-- für die nur in zweifacher Ausfertigung zu überreichende Beschwerde zuzusprechen.

W i e n , am 20. Dezember 1994

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994070082.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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