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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
VwRallg;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 24. Juni 1994, Zl. Senat-KR-93-008, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. Juni 1994 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe seit 12. Juni 1989 im nördlichen Ansatz eines Grabens auf den Grundstücken Nr. 1305/1 und 1305/2, KG E, etwa 20 bis 25 LKW-Fuhren umfassende Ablagerungen von Bauschutt und Erdaushub, vermengt mit geringen Anteilen von Gartenabfällen und Traubentrester durchgeführt, obwohl er nicht im Besitz einer hiefür erforderlichen wasserrechtlichen Bewilligung gewesen sei, es sich bei der Ablagerung von Bauschutt und Erdaushub, vermengt mit geringen Anteilen von Gartenabfällen und Traubentrester um Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffung (gemeint wohl: Beschaffenheit) beeinträchtigen, gehandelt habe - eine bloß geringfügige Einwirkung liege nicht vor - und derartige Einwirkungen nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig seien. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung nach den §§ 32 Abs. 1 und 2 lit. c i.V.m. 137 Abs. 1 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) i.d.F. BGBl. Nr. 683/1988 (vom 12. Juni 1989 bis 30. Juni 1990) und §§ 32 Abs. 1 und 2 lit. c i.V.m. 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 i.d.F.
BGBl. Nr. 185/1993 (vom 1. Juli 1990 bis 19. April 1993) begangen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage) verhängt.
In der Begründung wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in der Zeit vom 12. Juni 1989 bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses erster Instanz im nördlichen Ansatz eines Grabens auf den Grundstücken Nr. 1305/1 und 1305/2 der KG E etwa 20 bis 25 LKW-Fuhren umfassende Ablagerungen von Bauschutt und Erdaushub, vermengt mit geringen Anteilen von Gartenabfällen und Traubentrestern, durchgeführt, ohne im Besitz einer wasserrechtlichen Bewilligung hiefür zu sein.
Der Beschwerdeführer bringe in der Berufung vor, die von ihm getätigte Maßnahme sei wasserrechtlich nicht bewilligungspflichtig, und verweise auf ein zum Zeitpunkt der Berufungseinbringung bei der obersten Wasserrechtsbehörde anhängiges Verfahren. Mit ergänzendem Schriftsatz vom 20. Juni 1994 habe er noch vorgebracht, seine Behauptungen hätten sich anläßlich einer kürzlich stattgefundenen Wasserrechtsverhandlung als richtig erwiesen.
Diesem Vorbringen sei entgegenzuhalten, daß der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft die Bewilligungspflicht der dem Beschwerdeführer angelasteten Verhaltensweise durch Bestätigung eines auf § 138 Abs. 1 WRG 1959 gestützten wasserpolizeilichen Auftrages festgestellt habe. Aufgrund dieser rechtskräftigen Feststellung erübrige sich jede Erörterung der Bewilligungspflicht der vom Beschwerdeführer gesetzten Maßnahmen im Verwaltungsstrafverfahren. Daran könne auch die in der Berufung erwähnte kürzlich stattgefundene Wasserrechtsverhandlung nichts ändern; bei dieser sei nämlich nicht festgestellt worden, daß die Ablagerungen bewilligungsfrei wären, sondern es sei wegen dieser Ablagerungen aufgrund eines nachträglich eingereichten Projektes die Bewilligungsverhandlung durchgeführt worden. Diese Wasserrrechtsverhandlung sei somit ein zusätzlicher Hinweis für das Vorliegen der wasserrechtlichen Bewilligungspflicht und nicht dafür, daß keine Bewilligungspflicht gegeben sei. Es sei daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer den objektiven Tatbestand der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung begangen habe.
Eine Übertretung im Sinne des § 32 WRG 1959 i.V.m. § 137 leg. cit. stelle ein sogenanntes "Ungehorsamsdelikt" dar, da zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens (Verunreinigung) noch der Eintritt einer Gefahr gehöre. Der Beschwerdeführer habe kein einziges Argument dahingehend vorgebracht, daß ihn an der angelasteten Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe. Der Beschwerdeführer habe somit die ihm angelastete Verwaltungsübertretung zu verantworten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe zu Unrecht angenommen, eine Übertretung nach § 32 WRG 1959 i.V.m. § 137 leg. cit. stelle ein Ungehorsamsdelikt dar und habe daher auch keine Feststellungen darüber getroffen, ob eine Einwirkung auf Gewässer tatsächlich vorgenommen worden sei. § 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 fordere eine Einwirkung auf Gewässer. Die Bestimmung pönalisiere ein Verhalten, in welchem kumulativ einerseits die Konsenslosigkeit und andererseits die Einwirkung auf Gewässer als Voraussetzungen vorzuliegen hätten. Bewilligungspflicht nach § 32 WRG 1959 sei schon dann gegeben, wenn nach dem natürlichen Lauf der Dinge mit nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer zu rechnen sei, sohin eine konkrete Gefährdung vorliege. Die Strafnorm des § 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 hingegen setze die (tatsächliche) Einwirkung auf Gewässer voraus. Eine derartige Einwirkung sei aber weder festgestellt worden noch sonst gegeben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im angefochtenen Bescheid wird dem Beschwerdeführer für die Zeit vom 12. Juni 1989 bis 30. Juni 1990 die Übertretung der §§ 32 Abs. 1 und 2 lit. c i.V.m. 137 Abs. 1 WRG 1959 in der Fassung vor der WRG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252, und für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis 19. April 1993 die Übertretung der §§ 32 Abs. 1 und 2 lit. c i.V.m. 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 i. d.F. der WRG-Novelle 1990 zur Last gelegt.
Nach § 32 Abs. 1 WRG 1959 i.d.F. der WRG-Novelle 1990 sind Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs. 2) beeinträchtigen, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Bloß geringfügige Einwirkungen, insbesondere der Gemeingebrauch (§ 8) sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung (Abs. 8), gelten bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung (auf die Unterschiede dieser Bestimmung in ihrer Fassung vor und nach der WRG-Novelle 1990 braucht nicht eingegangen werden, da diese Unterschiede für den Beschwerdefall nicht entscheidend sind).
Nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 bedürfen der Bewilligung im Sinne des Abs. 1 jedenfalls Maßnahmen, die zur Folge haben, daß durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt wird. Diese Bestimmung wurde durch die WRG-Novelle 1990 nicht geändert.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Bewilligungspflicht nach § 32 WRG 1959 immer dann gegeben, wenn nach dem natürlichen Lauf der Dinge mit nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer zu rechnen ist. Der Eintritt einer Gewässerverunreinigung ist für die Bewilligungspflicht irrelevant (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1991, Zl. 91/07/0037 und die dort angeführte Vorjudikatur). Eine die Bewilligungspflicht auslösende "Einwirkung auf Gewässer" im Sinne des § 32 WRG 1959 liegt demnach nicht erst dann vor, wenn durch eine Maßnahme eine Gewässerverunreinigung eintritt, sondern bereits dann, wenn nach dem natürlichen Lauf der Dinge mit nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer zu rechnen ist.
§ 137 Abs. 1 WRG 1959 i.d.F. vor der WRG-Novelle 1990 stellte u.a. Zuwiderhandlungen gegen das WRG 1959 unter Strafe. Da Maßnahmen, von denen nach dem natürlichen Lauf der Dinge mit nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer zu rechnen ist, einer wasserrechtlichen Bewilligung nach § 32 WRG 1959 bedürfen, bedeutet die Durchführung solcher Maßnahmen ohne die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung eine Zuwiderhandlung gegen das WRG 1959 und war daher im zeitlichen Geltungsbereich des § 137 Abs. 1 WRG 1959 in der Fassung vor der WRG-Novelle 1990 strafbar.
Nach § 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 in der Fassung der WRG-Novelle 1990 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ohne die gemäß § 32 Abs. 1 und 2 erforderliche wasserrechtliche Bewilligung oder entgegen einer solchen eine Einwirkung auf Gewässer vornimmt.
§ 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 knüpft an § 32 leg. cit. an; der Begriff der "Einwirkung" ist demnach derselbe wie in § 32 WRG 1959. Dies bedeutet, daß eine Einwirkung auf Gewässer nicht erst dann vorliegt, wenn das Gewässer bereits verunreinigt ist. Die vom Beschwerdeführer getätigten Ablagerungen erfüllten - auch wenn noch keine Gewässerverunreinigung eingetreten ist - dann den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 32 und 137 Abs. 1 bzw. 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959, wenn nach dem natürlichen Lauf der Dinge mit nachteiligen Einwirkungen von diesen Ablagerungen auf Gewässer zu rechnen ist.
Der angefochtene Bescheid erweist sich aber aus folgenden Gründen als inhaltlich rechtswidrig:
Die die Bewilligungspflicht auslösende Einwirkung auf Gewässer kann in verschiedenen Formen erfolgen. Dazu zählen unter anderem "Maßnahmen, die zur Folge haben, daß durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt wird" (§ 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959). Diese Form der Einwirkung auf die Beschaffenheit von Gewässern hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer angelastet; dies ergibt sich aus der Anführung des § 32 Abs. 2 lit. c als übertretene Norm im angefochtenen Bescheid. Wegen Übertretung des § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 konnte der Beschwerdeführer aber nicht bestraft werden:
Mit 1. Juli 1990, also während jenes Zeitraumes, in welchem der Beschwerdeführer den Annahmen der belangten Behörde zufolge die ihm angelastete Verwaltungsübertretung begangen hat, trat die WRG-Novelle 1990 in Kraft. Mit dieser Novelle wurde der mit "Abfalldeponien" überschriebene § 31b in das WRG 1959 eingefügt.
Nach § 31b Abs. 1 WRG 1959 bedarf die Ablagerung von Abfällen - ausgenommen solcher, bei deren ungeschützter Lagerung eine Verunreinigung der Gewässer einschließlich des Grundwassers nicht zu besorgen ist - sowie die Errichtung und der Betrieb der hiezu dienenden Anlagen einer wasserrechtlichen Bewilligung durch den Landeshauptmann; § 32 Abs. 2 lit. c findet keine Anwendung. Keiner Bewilligung bedarf das ein Jahr nicht überschreitende ordnungsgemäße Bereithalten von Abfällen zum Abtransport, zur Verwertung oder zur sonstigen Behandlung.
§ 31b Abs. 1 WRG 1959 erfaßt die Ablagerung von Abfällen sowie die Errichtung und den Betrieb der hiezu dienenden Anlagen. Die Bewilligungspflicht nach § 31b Abs. 1 WRG 1959 dauert solange, als die Abfälle gelagert sind. Diese Bestimmung erfaßt daher auch bereits vor ihrem Inkrafttreten ohne wasserrechtliche Bewilligung gelagerte Abfälle (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juli 1994, Zl. 92/07/0154).
Der Beschwerdeführer hat auf den Parzellen Nr. 1305/1 und 1305/2 der KG E etwa 20 bis 25 LKW-Fuhren Bauschutt und Erdaushub, vermengt mit geringen Anteilen von Gartenabfällen und Traubentresten gelagert. Bei diesen Materialien handelt es sich um Abfall. Es liegt demnach eine Ablagerung von Abfall vor; diese wird vom § 31b Abs. 1 WRG 1959 erfaßt. Zugehörige Strafnorm ist § 137 Abs. 3 lit. f WRG 1959. Danach begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine gemäß §§ 31a, 31b oder 31c bewilligungspflichtige Anlage ohne Bewilligung oder entgegen einer solchen errichtet oder betreibt. Eine Abfalldeponie - wie sie im Beschwerdefall vorliegt - ist eine Anlage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1993, Zl. 92/07/0180).
Verwirklichte aber die vom Beschwerdeführer gesetzte Maßnahme ab 1. Juli 1990 den Tatbestand des § 31b Abs. 1 iVm § 137 Abs. 3 lit. f WRG 1959, dann war ab diesem Zeitpunkt insoweit eine Verwirklichung des Straftatbestandes nach § 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 rechtlich ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer benötigte für die konsenslose Anlage ab dem 1. Juli 1990 nämlich keine Bewilligung nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959, sondern eine solche nach § 31b Abs. 1 leg. cit. Er hatte damit eine andere Verwaltungsübertretung als die begangen, deren er für den Zeitraum ab dem 1. Juli 1990 schuldig erkannt wurde.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff und 59 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994070116.X00Im RIS seit
12.11.2001