Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AHG 1949 §11 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Landesgerichtes Wels vom 19. September 1994, GZ. 3 Cg 338/93b, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 3. Dezember 1992, Zl. VwSen-420022/15/Gf/Hm, betreffend unmittelbare behördliche Befehls- und Zwangsgewalt (weitere Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens: J in S, Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I, Singerstraße 17 - 19, und unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich), zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 67 VwGG wird festgestellt, daß der Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 3. Dezember 1992, Zl. VwSen-420022/15/Gf/Hm, rechtswidrig war.
Begründung
Beim Landesgericht Wels ist zur Zl. 3 Cg 338/93b, ein Rechtsstreit zwischen J als Kläger und der Republik Österreich als Beklagter anhängig, in welchem der Kläger von der beklagten Partei aus dem Titel der Amtshaftung die Bezahlung eines Betrages von S 107.880,-- samt Anhang mit der Begründung begehrt, er sei Eigentümer eines näher bezeichneten Luftfahrzeuges. Am 24. August 1992 sei ihm von den in der Flugsicherungshilfsstelle Wels diensthabenden Beamten der "Bundesgendarmerie" der Weiterflug nach Salzburg untersagt worden. Trotz zwischenzeitiger Änderung der Kennzeichen an dem Luftfahrzeug sei eine Freigabe desselben erst wieder am 18. September 1992 erfolgt. Durch diese vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in der Folge als rechtswidrig erkannten Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sei ihm ein Schaden in der Höhe des Klagsbetrages entstanden.
Aus Anlaß dieses Rechtsstreites stellte das Landesgericht Wels mit Schreiben vom 19. September 1994 gemäß § 11 Abs. 1 AHG, Art. 131 Abs. 2 B-VG und §§ 64 ff VwGG beim Verwaltungsgerichtshof den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge "die allfällige Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich VwSen-420022/15 feststellen".
Dem Bescheid liegt die von J an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gerichtete Beschwerde gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG zugrunde, in der begehrt wird, es möge festgestellt werden, "daß das am 24. August 1992 über das Luftfahrzeug Type Cessna FR 172 mit dem Kennzeichen N 61 ST verhängte Flugverbot rechtswidrig war".
Der über diese Beschwerde ergangene Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 3. Dezember 1992 enthält folgenden Spruch:
I. Das vom Bundesamt für Zivilluftfahrt über das Luftfahrzeug des Beschwerdeführers vom 24. August 1992 bis zum 18. September 1992 verhängte Betriebsverbot wird gemäß § 67c Abs. 3 AVG für rechtswidrig erklärt.
II. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt als belangte und hinsichtlich der festgestellten Rechtswidrigkeit für den Bund tätig gewordene Behörde ist gemäß § 79a AVG verpflichtet, dem Beschwerdeführer die mit 16.870 S zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig bestimmten Kosten zu Handen seines Vertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."
In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging der unabhängige Verwaltungssenat davon aus, J verfüge gemäß dem Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 2. August 1989 über eine luftfahrtbehördliche Bewilligung zur gewerbsmäßigen Vermietung u.a. auch des gegenständlichen Luftfahrzeuges, welches die Seriennummer X und die US-amerikanische Registrierungsnummer Y trage. Am 24. August 1992 habe sich der Beschwerdeführer mit diesem Luftfahrzeug anläßlich der fällig gewordenen jährlichen Überprüfung in Begleitung eines US-amerikanischen Prüfers ("Administrator") auf einem Flug von St. Pölten über Linz und Wels nach Salzburg befunden. Bereits beim Verlassen des Flughafens Linz sei J von der Flugsicherungsstelle Linz über Funk darauf aufmerksam gemacht worden, die auf dem Luftfahrzeug angebrachte Kennzeichnung der Registrationsnummer (im folgenden kurz: "Kennzeichen") sei zu klein - nämlich lediglich etwa 8 cm anstatt der vorgeschriebenen 30 cm hoch - und daher vom Kontrollturm aus nicht lesbar. Dennoch habe er für diesen Flug die Startfreigabe erhalten. Nach seiner Landung in Wels sei der Beschwerdeführer aber gegen 16.40 Uhr in den dortigen Kontrollturm beordert worden. Dort sei ihm schließlich von den zwei in der Flugsicherungsstelle Wels (Grenzkontrollstelle - Flugfeld) diensthabenden Beamten der Bundespolizeidirektion Wels, die sich auf eine entsprechende Weisung der Flugsicherungsstelle Linz bzw. des Bundesamtes für Zivilluftfahrt berufen hätten, der geplante Weiterflug nach Salzburg untersagt worden. Für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnung sei dem Beschwerdeführer die Festnahme bzw. die Ausübung von Waffengewalt angedroht worden. J habe sich daher dieser Anordnung gefügt. In der Folge habe J die US-amerikanische Luftfahrtbehörde um eine Genehmigung dafür ersucht, auf seinem Luftfahrzeug größere, nämlich 30 cm hohe Kennzeichen anbringen zu dürfen. Diese Genehmigung habe er auch erhalten. Nachdem er am 28. August 1992 die größeren Kennzeichen auf seinem Luftfahrzeug angebracht gehabt habe, sei ihm nach einem entsprechenden Telefonat am 4. September 1992 von der Flugsicherungsstelle Wels mitgeteilt worden, das Luftfahrzeug dürfe auf Grund einer Verfügung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt weiterhin nicht benützt werden (es sei als "gegroundet" anzusehen). Eine Startfreigabe sei J erstmals wieder am 18. September 1992 erteilt worden.
In rechtlicher Hinsicht teilte der unabhängige Verwaltungssenat die Beurteilung J, das in Rede stehende Handeln der eingeschrittenen Organe sei dem Bundesamt für Zivilluftfahrt zuzurechnen und das unter der Androhung der Festnahme unter Anwendung von Waffengewalt gegen ihn ausgesprochene Verbot des Weiterfliegens habe eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dargestellt. Da das verfahrensgegenständliche Luftfahrzeug im Luftfahrzeugregister der Vereinigten Staaten von Amerika eingetragen gewesen sei, habe es daher die Nationalität dieses Staates aufgewiesen. Da das Luftfahrzeug offenkundig auch den Rechtsvorschriften dieses Staates entsprechend eingetragen gewesen sei, habe es J gemäß § 12 Abs. 1 lit. c LFG auch in Österreich im Flug verwenden dürfen. Damit sei für ihn aber auch die Verpflichtung verbunden gewesen, u.a. auch die Anordnung des § 16 ZLLV über die Kennzeichnung von Luftfahrzeugen einzuhalten. Denn die Frage der Erkennbarkeit der auf dem Luftfahrzeug angebrachten Registrierungsnummer sei grundsätzlich von wesentlicher Bedeutung für die Sicherheit des Luftverkehrs im Bundesgebiet, könnte doch ansonsten durch die Flugsicherungsstelle vom Kontrollturm aus vor der Freigabe eines Fluges nicht überprüft werden, ob es sich dabei auch tatsächlich um jenen Piloten und jenes Luftfahrzeug handle, von dem zuvor der Flugplan erstellt und beantragt sowie in der Folge von der Flugsicherungsstelle auch genehmigt worden sei. Damit sei aber gemäß § 1 Abs. 1 Z. 3 ZLLV auch die Anwendbarkeit der österreichischen Rechtsvorschriften für das ausländische Luftfahrzeug gegeben und die Höhe der auf dem Luftfahrzeug angebrachten Kennzeichen hätte demnach 30 cm und nicht bloß 8 cm betragen müssen. Es sei daher objektiv zum fraglichen Zeitpunkt ein Verstoß gegen § 16 ZLLV vorgelegen. Zum Zweck der Ahndung derartiger Verstöße sehe das Luftfahrtgesetz in Verbindung mit der ZLLV grundsätzlich die Durchführung eines "normalen" Administrativverfahrens vor. Dies werde schon aus § 139 letzter Satz LFG deutlich, wonach das Bundesamt für Zivilluftfahrt die Verwaltungsverfahrensgesetze anzuwenden habe. In der Folge ordne auch § 43 ZLLV für den Fall der amtswegigen Untersagung des Betriebes eines Zivilluftfahrzeuges in der Regel die Erlassung eines Bescheides und damit auch die vorhergehende Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens an. Bei Gefahr im Verzug könne nach der allgemeinen Vorschrift des § 57 Abs. 1 AVG die Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens entfallen und statt dessen zur Setzung unaufschiebbarer Maßnahmen ein Mandatsbescheid erlassen werden. Schließlich ermächtige § 58 ZLLV die Luftfahrtbehörde und deren Organe in Fällen erkannter, unmittelbar drohender Gefahr für die Betriebssicherheit von Zivilluftfahrzeugen zur Setzung von geeigneten Zwangsmaßnahmen, die in Verbindung mit § 119 Abs. 2 LFG bis zur Festnahme aus den im § 35 VStG festgelegten Gründen reichen können. Die für den vorliegenden Sachverhalt maßgeblichen Rechtsvorschriften ließen somit im Zusammenhang gesehen ganz eindeutig und offenkundig den durch den Gesetz- bzw. den Verordnungsgeber zum Ausdruck gebrachten politischen Willen erkennen, die Luftfahrtbehörden sollten für den Fall der Verletzung der von ihnen zu vollziehenden luftfahrtrechtlichen Vorschriften vom Regelfall eines normalen Administrativverfahrens ausgehend die Zwangsmaßnahmen gleichsam stufenweise (Mandatsbescheid; administrative Zwangsmaßnahmen wie Betriebsverbot und Entziehung der Luftfahrzeugdokumente; und zuletzt Festnahme) nur bei entsprechend konkretisierter Gefahr und jedenfalls dieser Gefahr jeweils angemessen zur Anwendung bringen. Dies schon deshalb, weil seitens des Betroffenen damit entsprechende rechtliche Duldungspflichten verbunden seien und für ihn stets ein umso größerer Teil des präventiven Rechtsschutzes verloren gehe, je unmittelbarer die gesetzte behördliche Maßnahme sei. Zu dieser Sichtweise zwinge im vorliegenden Fall insbesondere der Umstand, daß das von der belangten Behörde über das Luftfahrzeug des J verhängte Betriebsverbot zudem unmittelbar in dessen durch Art. 6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung eingreife, weil ihm dadurch für die Zeit des aufrechten Betriebsverbotes die Ausübung des ihm bescheidmäßig eingeräumten Rechtes zur gewerbsmäßigen Vermietung dieses Luftfahrzeuges unmöglich geworden sei. Ein Eingriff in dieses Grundrecht durch die Verwaltungsbehörde sei aber nur dann zulässig, wenn sich der Eingriff insgesamt als verhältnismäßig erweise. Es seien daher schon aus diesem Grund die diesen Eingriff ermöglichenden materiellen und Verfahrensvorschriften stets in dem Sinn verfassungskonform auszulegen, daß sie der Behörde bloß den Einsatz jenes Eingriffsmittels, das im konkreten Fall zur Erreichung des beabsichtigten Zweckes gerade noch geeignet und daher insgesamt gesehen adäquat und verhältnismäßig sei, gestatten. Auf der anderen Seite folge daraus, daß die Behörde durch ihren Eingriff die verfassungsmäßig geschützte Rechtssphäre des Einzelnen verletze, wenn sie diesen Rechtsvorschriften einen verfassungswidrigen Inhalt unterstelle und sie in diesem Sinne denkunmöglich anwende oder eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im dargelegten Sinn von vornherein nicht anstelle. Gerade letzteres treffe aber im vorliegenden Fall zu. Obwohl es offenkundig gewesen sei und auch für die einschreitenden Organe erkennbar gewesen sein müsse, daß J durch das über ihn verhängte Betriebsverbot unmittelbar in seiner Erwerbsfreiheit beeinträchtigt werde, seien von diesen offensichtlich keinerlei Überlegungen dahin angestellt worden, wie der durch J begangenen Verletzung der Kennzeichnungsvorschriften in adäquater und damit rechtskonformer Weise zu begegnen sei. Damit sei weder die Erlassung eines auf § 42 Abs. 1 ZLLV gestützten Bescheides - von einer Fristsetzung gemäß § 32 Abs. 2 ZLLV ganz zu schweigen - noch die Möglichkeit der Erlassung eines Mandatsbescheides gemäß § 57 Abs. 1 AVG in Betracht gezogen worden. Vielmehr sei - allerdings keineswegs bewußt, sondern lediglich intuitiv - sofort in Entsprechung zu § 58 Abs. 2 ZLLV ein Betriebsverbot über das Luftfahrzeug ausgesprochen worden, ohne daß eine erkannte, unmittelbar drohende Gefahr für dessen Betriebssicherheit im Sinne dieser Bestimmung oder wenigstens eine konkrete Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 AVG für die Sicherheit der Luftfahrt im allgemeinen bestanden hätte. Objektiv gesehen sei die Gefahr, deren Vorliegen die belangte Behörde angenommen habe, tatsächlich überhaupt nicht aktueller, sondern bloß potentieller Natur gewesen. Denn es sei zwar einsichtig, daß im allgemeinen die Sicherheit der Luftfahrt gefährdet werden könne, wenn die Flugsicherungsstelle vom Kontrollturm aus die Identität jener Person und jenes Luftfahrzeuges, für die bzw. für das sie den beantragten Flugplan genehmigt habe, nicht überprüfen könne. Nichts deute jedoch darauf hin, daß sich diese abstrakte Gefahr im gegenständlichen Fall auch tatsächlich realisiert habe. Im Gegenteil, J sei auf eine entsprechende Aufforderung hin im Kontrollturm vor den Organen der Flugsicherungsstelle Wels erschienen und habe somit von den Sicherheitsorganen persönlich identifiziert werden können. Tatsächlich sei das Betriebsverbot J gegenüber auch nie mit einer Gefährdung der Luftfahrt, sondern lediglich mit dem begangenen Verstoß gegen Kennzeichnungsvorschriften, also einem bloß formalen Vergehen, bzw. dessen weitere Aufrechterhaltung über den 28. August 1992 hinaus auch mit dem Erfordernis begründet worden, Nachforschungen bei der amerikanischen Luftfahrtbehörde über eine mögliche mißbräuchliche Verwendung des Luftfahrzeuges durch J anzustellen. Zur Ahndung dieser J angelasteten Vergehen wäre aber allenfalls nach Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens die Erlassung eines Bescheides gemäß § 43 ZLLV oder letztlich gar nur die Einleitung eines Strafverfahrens gemäß § 146 LFG rechtlich zulässig gewesen. Die Anordnung einer Zwangsmaßnahme gemäß § 58 Abs. 2 ZLLV am 24. August 1992 und deren Aufrechterhaltung bis zum 18. September 1992 sei aus diesen Gründen hingegen jedenfalls rechtswidrig gewesen und habe J nicht nur in seinem aus dem Luftfahrtgesetz in Verbindung mit der ZLLV gewährleisteten subjektiven Recht auf Anordnung eines Betriebsverbotes in Form eines Bescheides anstelle einer Zwangsmaßnahme, sondern darüber hinaus auch in seinem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit gemäß Art. 6 StGG verletzt.
In seinem vorliegenden Antrag an den Verwaltungsgerichtshof führte das antragstellende Gericht aus, es habe gegen die Rechtsansicht des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich Bedenken, da auch ein Kraftfahrzeug ohne ordnungsgemäßes Kennzeichen nicht zur Teilnahme am öffentlichen Verkehr berechtigt sei, obwohl technisch eine ordnungsgemäße Kennzeichnung zur bestimmungsgemäßen Verwendung nicht notwendig sei. Ein Kraftfahrzeuglenker, der ein solches Kraftfahrzeug benütze, sei an der Weiterfahrt zu hindern, unabhängig davon, ob sich der Betreffende identifizieren könne oder nicht. Das Kennzeichen diene in beiden Fällen der Identifizierung sowie der reibungslosen und sicheren Abwicklung des Lande- und Abflugverkehrs im Bereich des Flughafens. Unterstützend zu den sonstigen Vorrichtungen müsse deshalb für die zuständigen Organe die Kontrolle des Flugverkehrs vom Kontrollturm aus durch Sichtkontakt möglich sein. Diese Möglichkeit sei jedoch nicht gegeben, wenn, wie in concreto, ein Flugzeug mit nicht ordnungsgemäßer Kennzeichnung am Luftverkehr teilnehme. Die Tatsache, daß es im konkreten Fall den Organen der Flugsicherungsstelle Wels möglich gewesen wäre, J zu identifizieren, ändere nichts daran, daß sich bei einem geplanten Weiterflug bzw. bei einer Landung auf einem anderen Flughafen eine Gefährdung der Sicherheit des Flugverkehrs aktuell gestellt hätte und daher die getroffenen Maßnamen gerechtfertigt gewesen seien.
Da aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten nicht erkennbar war, ob der gemäß § 11 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz gefaßte Unterbrechungsbeschluß des Landesgerichtes Wels der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, zugestellt worden war, stellte es der Verwaltungsgerichtshof dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich frei, ergänzende Ausführungen zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu machen. In seiner daraufhin ergangenen Stellungnahme brachte der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, es sei ihm der Unterbrechungsbeschluß tatsächlich nicht zugestellt worden. Er habe in seinem Bescheid auch keinesfalls in Zweifel gezogen, daß die Teilnahme am Flugverkehr mit einer nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Kennzeichnung rechtswidrig gewesen sei. Zu klären sei aber ausschließlich die Frage gewesen, ob auch die Ahndung dieser Rechtsverletzung in jener Form, wie sie gegenständlich durch die einschreitenden Sicherheitsorgane erfolgt sei, nämlich im Wege der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, dem Gesetz entsprochen habe. In diesem Zusammenhang sei der unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung gelangt, die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften eröffneten der Behörde eine Vielfalt von Handlungsmöglichkeiten, die jedoch nicht beziehungslos nebeneinander stünden, sondern es ergebe sich aus ihnen eine zwingende Rangfolge. Konkret bedeute dies, daß die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt als das eingriffsintensivste Mittel rechtmäßigerweise nur dann hätte zum Einsatz kommen dürfen, wenn der Verstoß gegen die Kennzeichnungsvorschriften bzw. dessen Sanierung nicht auch auf einem anderen Weg, aber weniger eingriffsintensiv hätte erreicht werden können. Es mache überdies einen erheblichen Unterschied aus, ob überhaupt keine oder, wie im vorliegenden Fall, lediglich zu kleine Kennzeichen verwendet worden seien. In diesem Zusammenhang sei neben dem Umstand, daß J seitens des unabhängigen Verwaltungssenates eine Gefährdung der Luftfahrt überdies zu keiner Zeit vorgehalten worden sei, auch darauf hinzuweisen, daß sich die Identität des Flugzeugführers im Flugbetrieb letztlich nicht bloß aus dem Kennzeichen ergebe. Anders als bei der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges habe nämlich der Flugzeugführer zuvor einen detailierten Flugplan zu erstellen, der der Flugleitstelle bekanntzugeben sei und auf Grund dessen die Zuweisung einer Route und schließlich die Startfreigabe erfolge. Der Kennzeichnung komme somit nur insofern eine Bedeutung zu, als vom Kontrollturm erkennbar sein müsse, ob jenes Flugzeug, das sich auf die Rollbahn hinausbewege, mit dem, das gerade die Startfreigabe erhalten habe, identisch sei. Im vorliegenden Fall sei dies aber insofern unproblematisch gewesen, weil J ja bereits zuvor bei der Flugleitstelle persönlich vorgesprochen habe und in diesem Zusammenhang zweifelsfrei identifiziert worden sei. Die Untersagung des Weiterfluges sei daher tatsächlich auch nicht, wie das Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ergeben habe, wegen einer Gefährdung der Sicherheit der Luftfahrt, sondern nur deshalb erfolgt, um J über diesen Umweg dazu zu zwingen, größere Kennzeichen an seinem Luftfahrzeug anzubringen. Dieser Zweck hätte jedoch, wenngleich nicht in vergleichbar kurzer Zeit, auch durch eine entsprechende bescheidmäßige Vorschreibung anstelle der Setzung einer faktischen Amtshandlung erreicht werden können. Der vom antragstellenden Gericht herangezogene Vergleich des Flugverkehrs mit dem Straßenverkehr sei somit nicht nur mangels analoger Voraussetzungen unzutreffend, sondern gehe nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates am eigentlichen Problem vorbei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 119 Abs. 2 LFG in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des in Rede stehenden Sachverhaltes hier anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes vom 31. Juli 1992, BGBl. Nr. 452/1992, obliegt den Flugsicherungsorganen (neben den im Abs. 1 im einzelnen aufgezählten Aufgaben) weiters die Überwachung der Einhaltung der im Luftverkehr einzuhaltenden Rechtsvorschriften und die luftfahrtbehördliche Abfertigung der Luftfahrzeuge und ihrer Besatzungen. In diesen Angelegenheiten sind sie Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (§ 35 VStG) gleichzuhalten.
Nach § 120 leg. cit. obliegt die Flugsicherung dem Bundesamt für Zivilluftfahrt. Dieses hat für Zwecke der Flugsicherung Außenstellen zu errichten, soweit dies zur sicheren und raschen Abwicklung des Luftverkehrs erforderlich ist (Abs. 1). Es kann geeignete Personen, die nicht seinem Personalstand angehören, insbesondere Bedienstete der Flugplatzhalter oder mit Zustimmung des Bundesministeriums für Inneres Angehörige der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie zur Wahrnehmung von Aufgaben auf dem Gebiet der Flugsicherung ermächtigen (Abs. 2).
Mit Bundesgesetz BGBl. Nr. 898/1993 trat an die Stelle des Bundesamtes für Zivilluftfahrt die Austria Control GmbH.
Gemäß § 12 Abs. 1 lit. c LFG darf ein Zivilluftfahrzeug im Fluge grundsätzlich nur dann verwendet werden, wenn dessen Zulassung in einem anderen Staat auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen als anerkannt gilt.
Nach Art. 17 des Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt, BGBl. Nr. 97/1949, besitzen die Luftfahrzeuge die Nationalität des Staates, in deren Luftfahrzeugrolle sie eingetragen sind.
Nach Art. 19 dieses Abkommens erfolgt die Eintragung eines Luftfahrzeuges und die Übertragung derselben innerhalb aller Vertragsstaaten nach den Gesetzen und Vorschriften des betreffenden Staates.
Zufolge Art. 11 dieses Abkommens sind, vorbehaltlich der Bestimmungen des vorliegenden Abkommens, die Gesetze und sonstigen Vorschriften eines Vertragsstaates, betreffend den Ein- und Ausflug der im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeuges in sein, bzw. aus seinem Gebiet oder den Betrieb und die Führung der erwähnten Luftfahrzeuge während ihres Aufenthaltes in seinem Gebiet, auf die Luftfahrzeuge aller Vertragsstaaten ohne Unterschied ihrer Nationalität anzuwenden; die erwähnten Luftfahrzeuge habe sich ihnen beim Einflug wie beim Ausflug sowie während ihres Aufenthaltes innerhalb des Gebietes dieses Staates zu unterwerfen.
Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 3 der Zivilluftfahrzeug- und Luftfahrtgerät-Verordnung - ZLLV 1983, BGBl. Nr. 415/1983, gelten die Bestimmungen dieser Verordnung sinngemäß für Zivilluftfahrzeuge fremder Staatsangehörigkeit einschließlich ihrer Ausrüstung, für welche die Aufsicht den österreichischen Luftfahrtbehörden übertragen worden ist oder soweit dies sonst im Sicherheitsinteresse bei einer Verwendung in Österreich geboten erscheint.
Nach § 8 Abs. 1 dieser Verordnung müssen im Luftfahrzeugregister eingetragene oder in Erprobung stehende Luftfahrzeuge, die im Fluge (§ 11 Abs. 3 des LFG) verwendet werden, gemäß §§ 9 bis 19 gekennzeichnet sein.
Nach § 16 dieser Verordnung muß die Höhe der Schriftzeichen auf Tragflächen von Zivilluftfahrzeugen schwerer als Luft mindestens 50 cm betragen. Sie soll vier Fünftel der geringsten Breite der Tragfläche im Bereich des Schriftfeldes nicht überschreiten (Abs. 1). Die Höhe der Schriftzeichen, die auf dem Rumpf, auf den dem Rumpf entsprechenden Bauteilen oder auf den Triebwerksgondeln von Zivilluftfahrzeugen schwerer als Luft angebracht werden, muß so gewählt sein, daß das Schriftfeld die sichtbaren Umrißlinien der Bauteile nicht berührt. Die Schriftzeichen müssen jedoch mindestens 30 cm hoch sein (Abs. 2). Die Höhe der Schriftzeichen auf den Flächen des Seitenleitwerks von Zivilluftfahrzeugen schwerer als Luft muß so gewählt sein, daß das Schriftfeld einen mindestens 10 cm breiten Rand längs aller Kanten der Leitwerksfläche frei läßt. Die Schriftzeichen müssen jedoch mindestens 30 cm hoch sein (Abs. 3).
Gemäß § 43 der Verordnung hat das Bundesamt für Zivilluftfahrt, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß ein Zivilluftfahrzeug für einen im Lufttüchtigkeitszeugnis angeführten Verwendungszweck nicht mehr lufttüchtig ist, von Amts wegen dessen Betrieb zu untersagen (Abs. 1). Zugleich mit der Untersagung des Betriebes kann das Bundesamt für Zivilluftfahrt eine angemessene Frist bestimmen, innerhalb derer die festgestellten Mängel zu beheben sind (Abs. 2).
Zufolge § 58 Abs. 1 der Verordnung haben in Fällen erkannter, unmittelbar drohender Gefahr für die Betriebssicherheit von Zivilluftfahrzeugen Flugplatzhalter, Luftfahrzeughalter sowie Personen, denen Zivilluftfahrzeuge zur Beaufsichtigung, Verwahrung, Inbetriebnahme oder Wartung übertragen wurden, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Gefahr abzuwenden. Ist dies nicht möglich, haben diese Personen die zuständige Luftfahrtbehörde zu verständigen.
Nach dem Abs. 2 dieser Bestimmung kann die Luftfahrtbehörde erforderlichenfalls unter gleichzeitiger Verständigung des Halters oder jener Person, die jeweils die tatsächliche Verfügungsgewalt über das betroffene Luftfahrzeug hat, auch ohne vorangegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides gemäß § 43 geeignete Maßnahmen an Ort und Stelle treffen. Insbesondere kann sie ein sofortiges Betriebsverbot mit allfälliger Entziehung der Luftfahrzeugdokumente verfügen.
Ausgehend von dieser im Zeitpunkt der Verwirklichung des in Rede stehenden Sachverhaltes geltenden Rechtslage hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen die Rechtsansicht des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich, das in Rede stehende Handeln der eingeschrittenen Organe sei dem Bundesamt für Zivilluftfahrt zuzurechnen gewesen, keine Bedenken. Gleiches gilt für die Annahme, trotz des Umstandes, daß das gegenständliche Luftfahrzeug im Luftfahrzeugregister der Vereinigten Staaten von Amerika eingetragen ist, seien im vorliegenden Fall die österreichischen Rechtsvorschriften über die Kennzeichnung von Luftfahrzeugen anzuwenden, wonach im vorliegenden Fall die fraglichen Kennzeichen eine Höhe von mindestens 30 cm haben müßten, anzuwenden. Auch von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurden gegen diese Rechtsansicht keine Bedenken erhoben.
Der Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates erweist sich allerdings, soweit darin ein "bis zum 18. September 1992 verhängtes Betriebsverbot" für rechtswidrig erklärt wird, schon deshalb als mit Rechtswidrigkeit behaftet, weil nach dem darin festgestellten Sachverhalt mit der - nach dem Inhalt des an den unabhängigen Verwaltungssenat gerichteten Antrages allein den Gegenstand des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat bildenden - am 24. August 1992 gesetzten Amtshandlung ein in die Zukunft wirkendes Flugverbot nicht verhängt wurde. Nach diesen Feststellungen wurde an diesem Tag J vielmehr lediglich "der geplante Weiterflug nach Salzburg" untersagt. Daß ihm in der Folge auch noch zu anderen Zeitpunkten die Inbetriebnahme des fraglichen Luftfahrzeuges untersagt wurde, vermag daran nichts zu ändern.
Was aber das am 24. August 1992 punktuell verhängte Abflugverbot betrifft, vermag der Verwaltungsgerichtshof zwar die Rechtsansicht des unabhängigen Verwaltungssenates, die in Rede stehende Maßnahme unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt finde in § 58 ZLLV 1983 keine Rechtfertigung, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Nach dem diesbezüglich zu keinem Zweifel Anlaß gebenden Wortlaut dieser Norm setzt die Zulässigkeit einer darauf gestützten Zwangsmaßnahme das Vorliegen einer "erkannten, unmittelbar drohenden Gefahr für die Betriebssicherheit" voraus. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Rechtsansicht des unabhängigen Verwaltungssenates, der festgestellte Sachverhalt rechtfertige nicht die Annahme, es sei im konkreten Fall eine solche qualifizierte Gefahr gegeben gewesen.
Der in diesem Zusammenhang vom antragstellenden Gericht gemachte Hinweis auf die Möglichkeit des Einschreitens der Organe der Straßenaufsicht gegen nicht dem Gesetz gemäß gekennzeichnete Kraftfahrzeuge geht schon wegen der unterschiedlichen Rechtslage fehl, sieht doch § 102 Abs. 12 lit. b KFG 1967 für den Fall einer drohenden Übertretung des § 36 lit. b leg. cit. das von keiner weiteren Voraussetzung abhängige Recht der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht vor, Personen am Lenken oder an der Inbetriebnahme eines Fahrzeuges zu hindern.
Der unabhängige Verwaltungssenat übersah allerdings, daß die in Rede stehende Zwangsmaßnahme ihre Rechtfertigung in § 70 Abs. 2 der Luftverkehrsregeln 1967 - LVR 1967, BGBl. Nr. 56/1967 in der hier anzuwendenden Fassung der LVR-Novelle 1990, BGBl. Nr. 228/1990, finden könnte. Nach dieser Bestimmung sind Flugverkehrsleiter berechtigt, den Abflug von Luftfahrzeugen vorläufig zu verbieten, wenn dies erforderlich ist, um die Verletzung von Rechtsvorschriften zu verhindern. Sie sind weiters berechtigt, vorläufige Sicherungsmaßnahmen zu treffen, die aus Gründen der Sicherheit der Luftfahrt unverzüglich erforderlich erscheinen.
Nach § 2 Z. 16 dieser Verordnung sind Flugverkehrsleiter Organe des Bundesamtes für Zivilluftfahrt, die mit Aufgaben der Flugverkehrskontrolle betraut sind.
Wie schon im Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates zutreffend dargestellt wird, hätte die Durchführung des von J am 24. August 1992 geplanten Fluges von Wels nach Salzburg wegen der vorschriftswidrigen Kennzeichnung dieses Luftfahrzeuges jedenfalls einen Verstoß gegen § 8 Abs. 1 i.V.m.
§ 16 Abs. 2 und 3 ZLLV 1983, also eine Verletzung von Rechtsvorschriften im Sinne des § 70 Abs. 2 LVR 1967, bedeutet.
Ein Flugverbot nach dieser Bestimmung darf allerdings, wie sich aus dem oben wiedergegebenen Wortlaut ergibt, nur von einem Flugverkehrsleiter, also einer im Sinne des § 2 Z. 16 LVR 1967 qualifizierten Person verhängt werden. Da es der unabhängige Verwaltungssenat unterlassen hat, in seinem Bescheid Feststellungen darüber zu treffen, ob den im vorliegenden Fall eingeschrittenen Beamten der Bundespolizeidirektion Wels diese Qualifikation zukam, ist es dem Verwaltungsgerichtshof jedoch verwehrt, die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Zwangsmaßnahme abschließend zu beurteilen. Der Bescheid erweist sich daher wegen der in dieser Unterlassung gelegenen Verletzung von Verfahrensvorschriften auch hinsichtlich des Abspruches über das am 24. August 1992 punktuell verhängte Abflugverbot als rechtswidrig.
Aus den dargelegten Gründen war gemäß § 67 VwGG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 AHG die Rechtswidrigkeit des Bescheides (zur Gänze) festzustellen.
Schlagworte
Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die SacheZurechnung von OrganhandlungenSachverhalt VerfahrensmängelUmfang der Abänderungsbefugnis Allgemein bei Einschränkung der Berufungsgründe beschränkte ParteistellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994030268.X00Im RIS seit
05.04.2001Zuletzt aktualisiert am
23.10.2015