TE Vwgh ErkenntnisVS 1994/12/22 91/17/0015

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Veröffentlicht am 22.12.1994
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Index

L34006 Abgabenordnung Steiermark;
L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82006 Bauordnung Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs1;
BAO §288 Abs1 litb;
BauO Stmk 1968 §2 idF 1974/130;
BauO Stmk 1968 §6a Abs1 idF 1974/130;
BauO Stmk 1968 §6a Abs2 idF 1974/130;
BauO Stmk 1968 §6a idF 1974/130;
BauONov Stmk 1974;
B-VG Art7 Abs1;
LAO Stmk 1963 §212 litb;
StGG Art2;
VwGG §13 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck, Dr. Höß, Dr. Gruber, Dr. Fellner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde der A in Graz, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadt Graz vom 13. September 1990, Zl. A 8-K 58/1986-12, betreffend Aufschließungsbeitrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes in Graz, K-Straße, EZ 306 KG W, mit den Grundstücken Nr. 106/2 und

307.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz - Magistrat Graz, Baurechtsamt - vom 13. Juli 1983 wurde der Beschwerdeführerin die Widmung der genannten Grundstücke als Bauplatz bewilligt.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz - Magistrat Graz, Finanzabteilung - vom 25. August 1983 wurde sodann der Beschwerdeführerin gemäß § 6a der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, idF LGBl. Nr. 55/1977 (Stmk BauO 1968), in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz A 17-102/23-1980 vom 15. Dezember 1980 auf Grund der genannten Widmungsbewilligung für das Grundstück EZ 306 KG W ein Aufschließungsbeitrag von S 203.083,-- vorgeschrieben und ausgesprochen, daß dieser Aufschließungsbeitrag mit Rechtskraft des Widmungsbewilligungsbescheides zur Gänze fällig werde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, mit Bescheid der Gemeinde S vom 19. November 1926 sei dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin im Eigentum der genannten Liegenschaft die Bewilligung zur Errichtung eines Wohn- und Wirtschaftsgebäudes erteilt und mit Bescheid des Baupolizeiamtes des Stadtsenates Graz vom 26. September 1958 ein Verandaanbau genehmigt worden. Diese Baubewilligung beinhalte bereits eine Widmung für die genannten Grundstücke, weil eine Baubewilligung nur dann erteilt werden dürfe, wenn es sich um gewidmete Grundstücke handle. Mit dem Bescheid des Stadtsenates Graz - Baurechtsamt vom 13. Juli 1983 sei daher nicht erstmalig die Widmung der Grundstücke für Bauzwecke erteilt, sondern lediglich der bisherige Verwendungszweck aufgrund der Nutzung geändert worden.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 13. Oktober 1983 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 11. November 1983 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, ihre Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen. Sie brachte darin ergänzend vor, wenn auch für das Grundstück Nr. 106 Garten der KG W Widmungsentscheidungen der ehemaligen Gemeinde S nicht vorlägen, müsse doch auf Grund der Bauvorschriften und der Praxis der Baubehörde angenommen werden, daß für dieses Grundstück vor Erteilung der Baubewilligung ein Widmungsverfahren durchgeführt worden sei.

Noch vor Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde mit weiterem Bescheid vom 24. Juni 1986 der oben bezeichnete Aufschließungsbeitrag von S 203.083,-- mit 18. April 1986 fälliggestellt. Auch dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, über die - nach Ergehen der abweisenden Berufungsvorentscheidung vom 17. April 1987 und Vorlageantrag vom 5. Mai 1987 - nach der Aktenlage bislang nicht entschieden wurde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies - nachdem eine gleichlautende Berufungsentscheidung vom 5. Februar 1987 mit hg. Erkenntnis vom 20. April 1990, Zl. 87/17/0137, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben worden war - der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz "die durch das Anbringen vom 11.11.1983 ergänzte Berufung vom 19.9.1983" der Beschwerdeführerin als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides nach Hinweis auf § 6a Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 idF LGBl. Nr. 55/1977, im wesentlichen aus, aus der vom Gemeindeamt S am 7. Mai 1926 erteilten Genehmigung zur Errichtung eines Wohn- und Wirtschaftsgebäudes auf der Parzelle Nr. 106, KG W, bzw. aus dem mit Bescheid vom 26. September 1958 "erteilten Verandazubau" (richtig offenbar: aus der Bewilligung zur Errichtung eines Verandazubaus) zum bestehenden Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. 307 KG W sei das Vorhandensein einer bereits bestehenden Widmungsbewilligung nicht abzuleiten, zumal mit den vorangeführten Bescheiden nur Baubewilligungen erteilt und keine Verbauungsvorschriften für die Liegenschaft festgesetzt worden seien. Aus dem Widmungsakt gehe hervor, daß die Beschwerdeführerin, weil für die gegenständliche Liegenschaft keine Widmungsbewilligung vorgelegen sei, mit Antrag vom 15. April 1983 um die Erteilung einer Widmungsbewilligung für die Grundstücke Nr. 106/2 und 307, EZ 306 KG W, angesucht habe. Durch die erstmalige Widmungsbewilligung mit Bescheid vom 13. Juli 1983 sei der abgabenrechtliche Tatbestand für die Einhebung des Aufschließungsbeitrages ausgelöst worden.

Diesen Bescheid bekämpfte die Beschwerdeführerin zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 27. November 1990, B 1212/90-4, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens in ihrem Recht verletzt, daß ihr gegenüber der genannte Aufschließungsbeitrag nicht vorgeschrieben werde. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG verstärkten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, im Spruch des angefochtenen Bescheides "vom 5.2.1987" (gemeint offenbar: vom 13. September 1990) werde lediglich ausgeführt, daß die durch das Anbringen vom 11. November 1983 ergänzte Berufung vom 19. September 1983 als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt werde. Es finde sich im Spruch dieses Bescheides nicht der geringste Hinweis darauf, gegen welchen Bescheid sich die Berufung der Beschwerdeführerin gerichtet habe. Abgesehen davon, daß dieser Mangel allein schon zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen müßte, wäre die Anführung des angefochtenen Bescheides umso eher notwendig gewesen, als ja vom Magistrat Graz mehrere Bescheide erlassen worden seien, die die Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages zum Inhalte hätten.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf.

Richtig ist zwar, daß gemäß § 212 lit. b der Steiermärkischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 158/1963 idgF., die Berufungsentscheidung unter anderem die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides zu enthalten hat, was die belangte Behörde im Beschwerdefall außer acht ließ. Jedoch konnte die Beschwerdeführerin auf Grund der Nennung des Datums der Berufung im Spruch des angefochtenen Bescheides und durch das ausdrückliche Zitat des erstinstanzlichen Bescheides in der Begründung desselben nicht im Unklaren darüber sein, worüber die belangte Behörde entschieden hat (vgl. hiezu die zur BAO ergangenen hg. Erkenntnisse vom 18. Februar 1982, Zl. 82/15/0004, und vom 16. Dezember 1982, Zl. 15/3565/80).

Nicht zielführend ist auch das weitere Beschwerdevorbringen, wonach das gegenständliche Grundstück ausschließlich von der K-Straße aufgeschlossen werde, bei der sowohl die Fahrbahn als auch die Oberflächenentwässerung und die Straßenbeleuchtung seit Jahrzehnten hergestellt seien. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die Aufschließungsbeitragspflicht von der Erbringung von Aufschließungsarbeiten durch die Gemeinde nicht abhängig ist. Solche Beiträge sind zwar im Rahmen des Haushaltes der Gemeinde zweckgebunden, müssen aber keineswegs dem betreffenden Grundstück zugute kommen. Lediglich für die im Beschwerdefall nicht strittige Fälligkeit des Beitrages ist es von Bedeutung, ob sich die Aufschließungsarbeiten auf das aufzuschließende Grundstück beziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1990, Zl. 88/17/0057, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1987, G 142/87-8 (VfSlg. 11466) und vom 1. Dezember 1987, B 549/85-12 (VfSlg. 11556) bringt die Beschwerdeführerin weiters vor, für in früheren Zeiten bebaute Grundstücke könne deshalb kein Erschließungsbeitrag gefordert werden, weil seinerzeit eine formelle Widmungsbewilligung entbehrlich oder einfach unterblieben sei. Die Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages, obwohl die Liegenschaft bei Erteilung der Widmungsbewilligung längst bebaut gewesen sei, sei denkunmöglich.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.

Der durch die am 1. November 1974 in Kraft getretene Bauordnungsnovelle 1974, LGBl. Nr. 130, eingefügte § 6a der Stmk BauO 1968 in der hier anzuwendenden Fassung VOR der am 1. März 1989 in Kraft getretenen Steiermärkischen Bauordnungsnovelle 1988, LGBl. Nr. 14/1989, lautet:

"(1) Für die im Bauland (§ 23 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127) gelegenen Grundstücke hat die Gemeinde aus Anlaß der erstmaligen Widmungsbewilligung, soweit nicht eine Verpflichtung nach anderen gesetzlichen Bestimmungen besteht, einen Aufschließungsbeitrag für Fahrbahnherstellung, Oberflächenentwässerung und Straßenbeleuchtung zu erheben. Der Aufschließungsbeitrag ist gleichzeitig mit der Erteilung der Widmungsbewilligung vorzuschreiben. Der Aufschließungsbeitrag wird zu einem Drittel mit Rechtskraft des Widmungsbescheides, zu einem Drittel zu Beginn der Aufschließungsarbeiten und zu einem Drittel einen Monat nach Fertigstellung der Aufschließung fällig. Ist die Aufschließung zum Zeitpunkt der Erteilung der Widmungsbewilligung fertiggestellt, wird der Aufschließungsbeitrag zur Gänze mit Rechtskraft des Widmungsbescheides fällig.

(2) Für die im Bauland gelegenen Grundstücke, für die eine Widmungsbewilligung, jedoch keine Baubewilligung vorliegt, ist der Aufschließungsbeitrag gleichzeitig mit der Baubewilligung vorzuschreiben. Hinsichtlich der Fälligkeit gilt Abs. 1 sinngemäß. Der Aufschließungsbeitrag darf für dasselbe Grundstück nur einmal vorgeschrieben werden ..."

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Auslegung dieser Gesetzesstelle u.a. in seinen Erkenntnissen vom 22. November 1982, Zl. 81/17/0055, vom 28. Jänner 1983, Zl. 82/17/0176, und vom 30. November 1984, Zl. 83/17/0170, befaßt. Allen diesen Erkenntnissen lagen Fälle zu Grunde, in denen sich auf der betreffenden Liegenschaft bauliche Altbestände befanden, sei es - wie in den beiden erstgenannten Fällen - aus dem 19. Jahrhundert, sei es wie im zuletzt genannten Fall um jahrhundertealte Häuser im Zentrum von Graz. In allen diesen Fällen hatten die Eigentümer Um- und Zubauten dieses Altbestandes beantragt; dem Vorbringen der damaligen Beschwerdeführer konnte entnommen werden, daß nach einer beim Magistrat der Landeshauptstadt Graz herrschenden Praxis die Stellung eines Ansuchens um Widmungsbewilligung (§§ 2 und 3 der Stmk BauO 1968) zur Voraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung für die Um- bzw. Zubauten gemacht wurde. An die sodann erteilte Widmungsbewilligung knüpfte in den genannten Fällen die Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages nach § 6a Stmk BauO 1968 in der genannten Fassung an.

In seinem erstgenannten Erkenntnis vom 22. November 1982, Zl. 81/17/0055, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, wie sich aus der Regelung des § 6a Abs. 2 Stmk BauO 1968 ergebe, verstehe der Gesetzgeber unter dem Begriff der Widmungsbewilligung im Sinne des § 6a leg. cit. nicht nur - wie die damals belangte Behörde vermeine - solche Widmungsbewilligungen, die nach dem Inkrafttreten des § 6a leg. cit. am 1. November 1974 rechtskräftig erteilt gewesen seien, sondern auch jene aus der Zeit vor dem Geltungsbeginn dieser Norm. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen ging der Verwaltungsgerichtshof sodann davon aus, daß auch (gemeint: NUR) eine solche - sei es auch VOR dem 1. November 1974 erteilte - Widmungsbewilligung die Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages nach § 6a Abs. 1 leg. cit. hindern könne. Das bloße Vorhandensein einer (eine Widmungsbewilligung nicht einschließenden) Baubewilligung aus dem Jahre 1858 könne daran nichts ändern.

Auch den beiden weiteren oben genannten Erkenntnissen legte der Verwaltungsgerichtshof stillschweigend die Auffassung zugrunde, daß nur eine - in jenen Fällen nicht vorliegende - Widmungsbewilligung aus der Zeit vor dem 1. November 1974 die Entstehung der Abgabenschuld hindern könne und daß auch bei Altbeständen eine erst nach Inkrafttreten des § 6a leg. cit. erteilte Widmungsbewilligung die Pflicht zur Entrichtung eines Aufschließungsbeitrages auslöse. In beiden Fällen wurde die Rechtsansicht der damals wie heute belangten Behörde als nicht rechtswidrig erkannt, wobei auch bei im 19. Jahrhundert errichteten Gebäuden bzw. bei solchen, die schon seit mehreren Jahrhunderten bestünden, eine in den Jahren 1980 bzw. 1981 erteilte Widmungsbewilligung als "erstmalige Widmungsbewilligung" im Sinne des § 6a Abs. 1 Stmk BauO 1968 anzusehen sei, falls nicht das Vorliegen einer früheren Widmungsbewilligung nachgewiesen werde. Eine solche sei in einer bloßen Baubewilligung aus dem Jahre 1896 (Zl. 82/17/0176) nicht zu erblicken.

Demgegenüber hat der Verfassungsgerichtshof in seinem bereits mehrfach erwähnten, auch in der Beschwerde weiterhin ins Treffen geführten Erkenntnis vom 1. Oktober 1987, G 142/87-8, Slg. Nr. 11466, mit welchem § 6a Stmk BauO 1968 in der angegebenen Fassung NICHT als verfassungswidrig aufgehoben wurde, ausgeführt, bei verfassungskonformer Auslegung der Abs. 1 und 2 der genannten Gesetzesstelle sei unter "erstmaliger Widmungsbewilligung" in Abs. 1 nur die Schaffung eines Bauplatzes NACH Einführung der Abgabepflicht, unter "Widmungsbewilligung" in Abs. 2 jedoch eine solche VOR Einführung dieser Rechtsfolge zu verstehen. Den die Abgabepflicht auslösenden Tatbeständen der Abs. 1 und 2 stehe die im Gesetz nicht erfaßte Fallgruppe der bei Inkrafttreten der Novelle schon bebauten Grundstücke mit der Folge gegenüber, daß sie der Abgabepflicht nicht unterlägen. Eine "erstmalige Widmungsbewilligung" vor Inkrafttreten der Novelle komme weder als Abgabentatbestand im Sinne des § 6a Abs. 1 noch als ein die Abgabepflicht vermeidender (einer neuen Widmung das "Vorrecht" der erstmaligen nehmender) Sachverhalt in Betracht, weil sie unter "erstmaliger Widmungsbewilligung" den entscheidenden Akt einer Bauplatzschaffung sehe, DIE EINE BEBAUUNG ERST EINLEITEN SOLLE, und daher Altbauten von vornherein ausklammere. Dies entspreche auch der Absicht des Gesetzgebers, wie sich aus den Erläuterungen zum Entwurf der Bauordnungsnovelle 1974 ergebe.

Dort werde nämlich ausgeführt:

"Durch die Ausweisung als Bauland erfahren die in dieses Gebiet fallenden Grundstücke eine wesentliche Wertsteigerung. Gerade im Bauland fallen für die Gemeinden wesentliche finanzielle Aufwendungen für die erforderlichen Aufschließungen an. Es erscheint gerechtfertigt, daß diejenigen, denen die Wertsteigerung zugute kommt, auch an den Aufschließungskosten des Baulandes beteiligt werden ...

Vom in Abs. 1 festgelegten Grundsatz, daß der Aufschließungsbeitrag gleichzeitig mit der Widmungsbewilligung vorzuschreiben ist, soll im Abs. 2 insoferne abgegangen werden, als der Aufschließungsbeitrag auch gleichzeitig mit der Baubewilligung vorgeschrieben werden kann, wenn für die Grundstücke nur eine Widmungsbewilligung vorliegt und ein Aufschließungsbeitrag noch nicht vorgeschrieben wurde. Diese Bestimmung soll jedoch nur für die Übergangszeit wirksam sein."

Hiezu führte der Verfassungsgerichtshof weiter aus, eine solche abzuschöpfende Wertsteigerung bewirke eben nach dem für die Zukunft klar ausgesprochenen Konzept des Gesetzes nur die BAUPLATZSCHAFFUNG, nicht eine sonstige, den bestehenden Zustand festschreibende oder abändernde nachträgliche Widmung. § 6a Abs. 2 leg. cit. sei deshalb nur als Übergangsvorschrift verständlich, die jene kleine Gruppe von Grundeigentümern erfasse, die auf Grund der früheren Widmung vielleicht erst jetzt (über die Baubewilligung) Vorteile schöpften. Einen solchen Vorteil biete eine für Altbauten notwendige nachträgliche Widmung nicht. Abgeschlossene Entwicklungen sollten unberührt bleiben. Es sei auch kein vernünftiger Grund hervorgekommen, der es rechtfertigen könnte, für Grundstücke, die in früheren Zeiten bebaut worden seien, nur deshalb jetzt einen Aufschließungsbeitrag zu fordern, weil seinerzeit eine förmliche Widmungsbewilligung entbehrlich gewesen oder einfach unterblieben sei. Das Fehlen der Widmungsbewilligung möge baurechtlich ein Mangel sein und für den Fall neuer baubewilligungspflichtiger Maßnahmen die Notwendigkeit einer nachträglichen (und insoweit "erstmaligen") Widmungsbewilligung auslösen, ein Sachzusammenhang mit der Leistung von Aufschließungsbeiträgen bestehe aber nicht. Es führe zu einer unverständlichen Ungleichbehandlung, wenn die Nichtanwendung des § 6a Abs. 1 Stmk BauO (arg.: "erstmalige ...") vom Ergebnis einer Nachforschung nach Widmungsbewilligungen oder einer Prüfung des Inhaltes einer alten Baubewilligung auf ihre Vergleichbarkeit mit Widmungsbewilligungen abhänge.

In seinem Erkenntnis vom 1. Dezember 1987, VfSlg. Nr. 11556, hat der Verfassungsgerichtshof sodann zusammenfassend ausgesprochen, daß als eine die Zahlungspflicht auslösende "erstmalige Widmungsbewilligung" im Sinne des § 6a Abs. 1 Stmk BauO 1968 nur eine BAUPLATZSCHAFFUNG nach Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 1974 in Frage kommt.

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes insoweit an, als dieser eine Auslegung des Abgabentatbestandes nach § 6a Abs. 1 Stmk BauO 1968 in der Fassung der Novelle 1974 vertritt, "für die eine "erstmalige Widmungsbewilligung" vor Inkrafttreten der Novelle weder als Abgabentatbestand im Sinne des § 6a Abs. 1 noch als ein die Abgabepflicht vermeidender (einer neuen Widmung das "Vorrecht" der erstmaligen nehmender) Sachverhalt in Betracht kommt". Auch nach - nunmehriger - Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes erfaßt der Abgabentatbestand nach § 6a Abs. 1 leg. cit. nur Widmungsbewilligungen nach Inkrafttreten der Novelle am 1. November 1974 und bezieht sich auch die "Sperrwirkung" früherer Widmungsbewilligungen (das Wort "erstmalig" dient zur Umschreibung des ersten Ereignisses in einer Reihe von aufeinanderfolgenden gleichen Ereignissen - vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1990, Zl. 88/17/0059, zur NÖ BauO) lediglich auf Widmungsbewilligungen nach diesem Zeitpunkt. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung im Jahr 1974 ein für die Zukunft wirksames System der Erhebung eines Aufschließungsbeitrages geschaffen, von dem lediglich Abs. 2 als eine Art Übergangsvorschrift eine den Anwendungsbereich des Abs. 1 erweiternde Ausnahmebestimmung enthält, die einen Aufschließungsbeitrag auch für den Fall vorsieht, daß eine Widmungsbewilligung aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Novelle 1974 vorliegt, eine Baubewilligung jedoch erst nachher erteilt wird. Dem Begriff "erstmalig" im § 6a Abs. 1 leg. cit. bleibt auch bei dieser Auslegung ein Anwendungsbereich, und zwar in jenen Fällen, in denen es, aus welchen Gründen immer, aus Anlaß der Widmungsbewilligung (im Anwendungsbereich des Abs. 1) oder der Baubewilligung (im Anwendungsbereich des Abs. 2) nicht zur Abgabenvorschreibung kommt. § 6a Abs. 1 Stmk BauO 1968 in der Fassung der Novelle aus 1974 erfaßt somit unter dem Begriff "erstmalige Widmungsbewilligung" nur nach diesem Zeitpunkt erteilte Widmungsbewilligungen, dies sowohl was das positive Tatbestandsmoment der Erteilung einer Widmungsbewilligung als auch das negative Tatbestandselement der "Sperrwirkung" vorangegangener Widmungsbewilligungen betrifft. Soweit der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung, insbesondere in seinem hg. Erkenntnis vom 22. November 1982, Zl. 81/17/0055, eine andere Auslegung vertreten hat, vermag er diese nicht aufrechtzuerhalten.

Anders als der Verfassungsgerichtshof ist der Verwaltungsgerichtshof allerdings der Auffassung, daß der Begriff der Widmungsbewilligung im § 6a Abs. 1 leg. cit. nicht auf eine Widmungsbewilligung, die der (erstmaligen) BauplatzSCHAFFUNG dient, "die eine Bebauung erst einleiten soll", dient, reduziert werden darf. Der Verwaltungsgerichtshof teilt somit auch die daraus vom Verfassungsgerichtshof abgeleitete Folgerung nicht, die "daher Altbauten von vornherein ausklammert". Den Begriff der Widmungsbewilligung nur auf jene Widmungsbewilligungen zu beziehen, die ein noch nicht - auf Grund einer Baubewilligung oder faktisch - bebautes Grundstück zum Bauplatz macht, wird dem Begriffsinhalt nicht gerecht. Die Widmungsbewilligung ist nach der Stmk BauO 1968 eine behördliche Bewilligung, die die Ausnützbarkeit eines Bauplatzes zum Gegenstand hat und mit der formell und verbindlich ausgesprochen wird, daß die von der Widmung erfaßte Grundfläche geeignet ist, nach Maßgabe der im Widmungsbescheid festgelegten Beschränkungen und unter Einhaltung der Bauordnung bebaut zu werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1973, Slg. N.F. Nr. 8523/A, und vom 17. Dezember 1993, Zl. 90/17/0411), dies gleichgültig, ob der Bauplatz bebaut oder unbebaut ist. Das Gesetz stellt aber auf Rechtsakte (Widmungsbewilligung im § 6a Abs. 1 und 2, Baubewilligung im Abs. 2) und nicht auf faktische Gegebenheiten ab (vgl. in diesem Sinne bereits das hg. Erkenntnis vom 17. November 1993, Zl. 90/17/0400). Wenn die Stmk BauO-Nov 1974 in § 6a den Begriff der Widmungsbewilligung verwendet, dann tut sie dies so, wie er im § 2 gebraucht wird. Nach dieser Bestimmung wird unter "Widmungsbewilligung" ein Rechtsakt verstanden, und zwar sowohl die Bewilligung der Widmung eines Grundes zum Bauplatz als auch die Bewilligung einer Widmungsänderung. Versteht man entsprechend der Terminologie des § 2 leg. cit. unter "Widmungsbewilligung" im Anwendungsbereich des § 6a leg. cit. nicht nur die Bewilligung der Widmung von Grund zu einem oder mehreren Bauplätzen, sondern auch die Widmungsänderungsbewilligung - insofern geht der Verwaltungsgerichtshof von seiner im Erkenntnis vom 17. Dezember 1993, Zl. 90/17/0411, zum Ausdruck kommenden Rechtsanschauung ab -, dann ist ein Abstellen auf die "erstmalige" Widmungsbewilligung im § 6a Abs. 1 leg. cit. durchaus nicht sinnlos. Eine Argumentation, das Gesetz enthalte ohnedies im § 6a Abs. 2 letzter Satz die Regel, daß der Aufschließungsbeitrag für dasselbe Grundstück nur einmal vorgeschrieben werden dürfe, und dies lasse ein Abstellen auf die ERSTMALIGE Widmungsbewilligung überflüssig erscheinen, würde nämlich außer acht lassen, daß der Eigentümer durch diese Regel NUR gegen eine Doppelvorschreibung geschützt ist. Mit der Regel, daß nur an die erste Widmungsbewilligung nach 1974 angeknüpft werden darf, wird aber angeordnet - und dies geht über den Inhalt des § 6a Abs. 2 letzter Satz leg. cit. hinaus -, daß die belangte Behörde bei UNTERLASSEN einer Abgabenvorschreibung bei der ersten Widmungsbewilligung nach 1974 dann nicht die nächste Widmungsänderung zum Anlaß einer Abgabenvorschreibung nehmen darf, was ohne die Einschränkung auf die "erstmalige" Widmungsbewilligung nach 1974 nach dem Wortlaut nicht ausgeschlossen erschiene.

Der Verwaltungsgerichtshof ist somit der Auffassung, daß weder das Vorhandensein eines (bewilligten oder faktischen) Gebäudealtbestandes noch das Vorliegen einer Baubewilligung die Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages anläßlich der ersten, nach Inkrafttreten der Novelle 1974 erteilten Widmungsbewilligung hindert. Soweit der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, der Abgabentatbestand nach § 6a Abs. 1 leg. cit. sei nur verwirklicht, wenn weder eine Widmungsbewilligung noch eine Baubewilligung aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Novelle 1974 vorliege (hg. Erkenntnis vom 17. November 1993, Zl. 90/17/0400), wird diese nicht aufrechterhalten.

Hinsichtlich der vom Verfassungsgerichtshof erörterten Gleichheitsproblematik wird bemerkt, daß das nunmehrige Ergebnis den Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes insofern Rechnung trägt, als es auf den vermuteten Konsens und die Zufälligkeit der Auffindbarkeit eines in der Vergangenheit liegenden Widmungsaktes nicht mehr ankommt. Auch wird eine Ungleichbehandlung von Grundeigentümern mit bebauten Grundstücken, je nachdem, ob sie über eine Widmungsbewilligung aus der Zeit vor 1974 verfügen (diese "auffinden") oder nicht, ausgeschlossen. Darüber hinaus vermeidet die hier vertretene Auslegung, nämlich die Sicht eines Regelungssystems, welches sukzessive und abhängig von antragsbedürftigen Bewilligungen der Widmung oder Widmungsänderung auch den Gebäudealtbestand für die Aufschließung des Baulandes der Gemeinde heranzieht, die vom Verfassungsgerichtshof offenbar hingenommene Privilegierung des (bewilligten oder bloß faktischen) Altbestandes gegenüber den Eigentümern erst zu schaffender Bauplätze bei der Tragung der Aufschließungslasten. Immerhin kommen ja den Eigentümern und Benützern von Liegenschaften mit Gebäudealtbestand insgesamt und für das gesamte Bauland der Gemeinde gesehen die Aufschließungsvorteile, für die noch keine der Regelung der Novelle 1974 entsprechenden Leistungen erbracht wurden, zu. Auch den Altbestand, den der Verfassungsgerichtshof von vornherein ausgeklammert sieht, zur Abgabenleistung nach Maßgabe eines antragsbedürftigen Rechtsaktes, der seine weitere Nutzung bzw. eine Nutzungsänderung oder Erweiterung ermöglicht, heranzuziehen, erscheint nicht unsachlich und überschreitet die Grenzen des rechts- und finanzpolitischen Handlungsspielraumes des Abgabengesetzgebers jedenfalls nicht. Eine unsachliche Unterscheidung zwischen den Eigentümern bereits bebauter Liegenschaften, deren Heranziehung an sich ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz zur erstmaligen Entrichtung von Aufschließungsbeiträgen festgelegt werden kann (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 1983, Slg. Nr. 9874), liegt hier nicht vor.

Da der Beschwerdeführerin eine Widmungsbewilligung nach Inkrafttreten der Stmk BauO-Nov 1974 erteilt wurde und diese die erste nach Inkrafttreten der Novelle erteilte Widmungsbewilligung ist, wurde der Abgabentatbestand des § 6a Abs. 1 leg. cit. verwirklicht.

Zum Einwand der Beschwerdeführerin, es handle sich um ein bereits aufgeschlossenes Grundstück, so daß der Gemeinde keinerlei Aufschließungskosten entstünden, wird auf die Rechtsprechung hingewiesen, daß die Abgabepflicht nicht davon abhängig ist, daß das betreffende Grundstück einen Aufschließungsvorteil erfährt; vielmehr stellt der Aufschließungsbeitrag eine einmalige Abgabe zur zweckgebundenen Deckung der Kosten für die Herstellung von Fahrbahn, Oberflächenentwässerung und Straßenbeleuchtung im Bauland dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1985, Zl. 83/17/0250).

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifende Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Einhaltung der Formvorschriften

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991170015.X00

Im RIS seit

01.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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