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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/11/0394Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerden des H in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen 1) den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 28. Oktober 1994, Zl. 577.802/4-2.7/94, betreffend Feststellung des Wegfalls von Befreiungsgründen (hg. Zl. 94/11/0393), und 2) den Bescheid des Militärkommandos Wien vom 24. November 1994, Zl. W/65/22/08/19, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst (hg. Zl. 94/11/0394),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.
2. Den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid wird zurückgewiesen.
Begründung
Aus dem Vorbringen in den Beschwerden und dem Inhalt der angefochtenen Bescheide ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 23. Dezember 1983 wurde der Beschwerdeführer von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes aus öffentlichen Interessen von Amts wegen befreit. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß der Bescheid mit dem Wegfall der für die Befreiung maßgeblichen Voraussetzungen seine Wirksamkeit verliere. Mit dem erstangefochtenen Bescheid stellte der belangte Bundesminister für Landesverteidigung gemäß § 36a Abs. 4 im Zusammenhalt mit Abs. 1 Z. 1 des Wehrgesetzes 1990 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 690/1992 fest, daß die für die seinerzeitige Befreiung maßgebenden Voraussetzungen weggefallen seien und der Bescheid vom 23. Dezember 1983 seine Wirksamkeit verloren habe. Mit dem zweitangefochtenen Bescheid des belangten Militärkommandos Wien wurde der Beschwerdeführer zur Ableistung des Grundwehrdienstes im Bundesheer beginnend ab "6. Februar 1993" einberufen.
In seinen an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerden macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide geltend und beantragt deren kostenpflichtige Aufhebung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Zum Feststellungsbescheid:
Nach der Begründung dieses Bescheides beruhte die amtswegige Befreiung des Beschwerdeführers von der Präsenzdienstpficht darauf, daß er zum Befreiungszeitpunkt bei der Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung in seiner Funktion als Fernmeldemonteur nicht ersetzt werden konnte. Laut Mitteilung des Arbeitgebers vom 9. Mai 1994 gehöre der Beschwerdeführer nunmehr einer Gruppe von Bediensteten an, die nicht mehr als Fernmeldemonteure verwendet werden. Damit seien nach Auffassung der belangten Behörde die für die seinerzeitige Befreiung des Beschwerdeführers maßgeblichen Voraussetzungen weggefallen.
Der Beschwerdeführer hält die Begründung des angefochtenen Bescheides für unzureichend und vertritt die Auffassung, die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht hinreichend geklärt. Der Beschwerdeführer sei nach wie vor im Fernmeldebereich tätig und in seiner nunmehrigen Verwendung gänzlich unabkömmlich. Das eminente öffentliche Interesse an seiner weiteren Befreiung ergebe sich aus dem beigelegten Schreiben seines "eigentlichen Arbeitgebers", der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland vom März 1994. Die seinerzeitige Befreiung des Beschwerdeführers habe nicht auf seine Verwendung als Fernmeldemonteur abgestellt, sondern sei im öffentlichen Interesse schlechthin erfolgt. Dieses Interesse sei nach wie vor gegeben, da er weiterhin im Bereich des Fernmeldewesens tätig sei, wenngleich nunmehr in einem wesentlich erweiterten und qualifizierteren Sinne.
Dem Beschwerdevorbringen ist entgegenzuhalten, daß nicht schon die Beschäftigung im öffentlichen Dienst, in welcher Funktion immer, ein öffentliches Interesse im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 1 WG an der amtswegigen Befreiung des Betreffenden von der Präsenzdienstpflicht darstellt. Das Weiterbestehen oder den Wegfall eines solchen Interesses zu beurteilen obliegt zunächst den für die Aufrechterhaltung des betreffenden, im Interesse der Allgemeinheit gelegenen Dienstes Verantwortlichen, letztlich dem Bundesminister für Landesverteidigung bei der von ihm zu treffenden Entscheidung nach § 36a Abs. 1 Z. 1 leg. cit. (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Zlen. 94/11/0098, 0099). Die Verwendung (Tätigkeit) eines Wehrpflichtigen, deretwegen seine amtswegige Befreiung ausgesprochen wurde, bildet ein für diese Entscheidung maßgebendes Sachverhaltselement (neben jenem der Unabkömmlichkeit des Wehrpflichtigen von der von ihm ausgeübten Tätigkeit). Endet diese Verwendung, so liegt darin eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes, der Befreiungsbescheid verliert damit seine Wirksamkeit. Das schließt nicht aus, daß auch die geänderte Verwendung ein öffentliches Interesse an seiner Befreiung begründet. Nur läge dann ein anderer Befreiungsgrund vor. Dieser könnte zwar die Grundlage eines neuerlichen Befreiungsbescheides sein, er stünde aber der Erlassung eines Bescheides, mit dem der Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen und die Unwirksamkeit des seinerzeitigen Befreiungsbescheides festgestellt wird, nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1994, Zl. 94/11/0287).
Die Annahme der belangten Behörde, zufolge der geänderten Verwendung des Beschwerdeführers seien die Voraussetzungen für die seinerzeitige Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes weggefallen, ist schon im Hinblick auf das eigene Vorbringen des Beschwerdeführers unbedenklich. Diesem zufolge war er 1983 als Fernmeldemonteur tätig. Nach einer in der Zwischenzeit erfolgten Ausbildung in EDV ist er seit nunmehr 4 Jahren als Systemadministrator für den Bauamtsrechner und Koordinator im Rahmen des EDV-Projektes CIPS beschäftigt. Es liegt auf der Hand, daß es sich dabei um zwei unterschiedliche Verwendungen handelt. Darauf, daß beide dem "Fernmeldebereich" zuzuordnen sind, kommt es nicht an. Da die besagte Verwendungsänderung eine Änderung des für die Befreiung des Beschwerdeführers maßgeblichen Sachverhaltes darstellt, ist die belangte Behörde zu Recht vom Wegfall der seinerzeitigen Befreiungsvoraussetzungen ausgegangen.
Es kann im Hinblick auf die zuvor dargestellte Rechtslage dahinstehen, ob auch die nunmehrige Tätigkeit des Beschwerdeführers ein öffentliches Interesse an seiner Befreiung begründet; dies wäre bei der Entscheidung über eine weitere amtswegige Befreiung zu prüfen. Es bewirkt daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, daß die belangte Behörde zur behaupteten Unabkömmlichkeit des Beschwerdeführers keine weiteren Erhebungen gepflogen hat.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
2. Zum Einberufungsbefehl:
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer zur Ableistung des Grundwehrdienstes beginnend ab 6. Februar 1993 einberufen.
Der normative Gehalt eines Einberufungsbefehls liegt in der Begründung der Verpflichtung, den Präsenzdienst (hier in Form des Grundwehrdienstes) unter anderem zu einem bestimmten Zeitpunkt anzutreten (Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 1993, Zl. 93/11/0169). Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Einberufungstermins gemäß § 62 Abs. 4 AVG vorliegen. Solange eine Berichtigung nicht erfolgt ist, ist von dem im Spruch genannten Zeitpunkt auszugehen (vgl. die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Unterlaufen eines Schreibfehlers im Spruch eines Straferkenntnisses - Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 27. Juni 1984, Slg. 11478/A).
Die Einberufung zu einem in der Vergangenheit gelegenen Termin berührt die Rechtssphäre eines Wehrpflichtigen nicht. Eine rückwirkende Verpflichtung zum Antritt eines Präsenzdienstes gibt es begrifflich nicht. Ein derartiger Einberufungsbefehl geht ins Leere. Er kann nicht befolgt werden. An ihn dürfen daher ebensowenig rechtliche Konsequenzen geknüpft werden wie an einen Aufforderungsbescheid nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 mit einem in der Vergangenheit gelegenen Termin (vgl. zu letzterem die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. März 1990, Zl. 89/11/0115, vom 4. Juni 1991, Zl. 91/11/0034, und vom 31. Mai 1994, Zl. 94/11/0128).
Da der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Einberufungsbefehl in seinen Rechten nicht verletzt sein kann, ist die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
3. Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerden erübrigt sich eine gesonderte Entscheidung über die - zu den hg. Zlen. AW 94/11/0112 und AW 94/11/0113 protokollierten - Anträge, den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994110393.X00Im RIS seit
11.07.2001