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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §19 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom 12. August 1994, GZ. 116-3/93, betreffend Einkommensteuer 1988 und 1989 (Mitbeteiligter: Dr. F in V, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Aufwandersatzbegehren des Mitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte bezieht unter anderem Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die er gemäß § 4 Abs 3 EStG 1972 bzw. 1988 ermittelt. Er wurde am 4. Juni 1986 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Gegen den Versicherer des am Unfall Schuldtragenden führte der Mitbeteiligte einen Schadenersatzprozeß. Am 21. Dezember 1988 erfolgte ein außergerichtlicher mündlicher Vergleich mit dem Versicherer, dem wechselseitige Bestätigungsschreiben der Vergleichsparteien an den beiden nächsten Tagen folgten. Verglichen wurde unter anderem Verdienstentgang des Mitbeteiligten für die Zeit vom 4. Juni 1986 bis 7. September 1987 mit S 1,268.642,--. Hievon waren S 318.642,-- bereits durch eine Acontozahlung des Versicherers vom 27. Mai 1988 an den Vertreter des Mitbeteiligten beglichen, der Rest von S 950.000,-- war laut dem Bestätigungsschreiben des Vertreters des Mitbeteiligten an die Versicherung vom 23. Dezember 1988 binnen 14 Tagen von dieser zu bezahlen. Die Einschränkung der Klage auf das Feststellungsbegehren sollte nach Bestätigung dieses Schreibens des Vertreters des Mitbeteiligten durch diesen erfolgen und die Versicherung über das Feststellungsbegehren ein Versäumungsurteil ergehen lassen. Der Betrag von S 950.000,-- ging beim Vertreter des Mitbeteiligten am 11. Jänner 1989 ein. Eine Entschädigung für Verdienstentgang des Mitbeteiligten für den Zeitraum 8. September 1987 bis 31. Dezember 1988 wurde von der Versicherung an den Vertreter des Mitbeteiligten am 16. Oktober 1989 mit einem Betrag von S 900.000,-- entrichtet.
Der Mitbeteiligte erklärte die Entschädigung für Verdienstentgang laut dem außergerichtlichen Vergleich vom 21. Dezember 1988 im Betrag von S 1,268.642,-- zur Gänze als Einnahme des Jahres 1988 und beantragte die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 37 Abs 2 Z. 4 EStG 1972.
Auf Grund der Ergebnisse einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde im wiederaufgenommenen Verfahren die Einkommensteuer für 1988 und 1989 vom Finanzamt neu festgesetzt. Dabei wurde nur der Schadenersatzbetrag von S 318.642,-- für Verdienstentgang als 1988 zugeflossen behandelt, der Rest jedoch als Zufluß des Jahres 1989. Der Hälftesteuersatz wurde wegen einer Verteilung des Zuflusses der Verdienstentgangsentschädigung über mehrere Jahre versagt.
Der Mitbeteiligte erhob Berufung.
Die belangte Behörde gab dieser Berufung Folge und setzte die Einkommensteuer für beide Jahre neu fest. Sie behandelte dabei auch den Restbetrag von S 950.000,-- für die erste Verdienstentgangsperiode als bereits 1988 zugeflossen, weil der Mitbeteiligte schon mit Abschluß des Vergleichs vom 21. Dezember 1988 rechtlich und wirtschaftlich über den Betrag habe verfügen können. Die Einnahmen aus der Entschädigung hätten daher 1988 S 1,268.642,-- betragen. Sie unterlägen als außerordentliche Einkünfte gemäß § 37 Abs 2 Z. 4 in Verbindung mit § 32 Z. 1 EStG 1972 dem Hälftesteuersatz. Der Zufluß eines Verdienstentgangsbetrages von S 900.000,-- für den Zeitraum 8. September 1987 bis 31. Dezember 1988 im Jahre 1989 ändere an der Außerordentlichkeit der 1988 zugeflossenen Verdienstentgangsentschädigung nichts.
Der Präsident der Finanzlandesdirektion für Kärnten ficht diesen Bescheid im Umfang des Berufungserfolges wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit an und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und auf die Einbringung einer Gegenschrift verzichtet.
Der Mitbeteiligte beantragte in seiner Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Einnahmen sind dem Steuerpflichtigen erst dann im Sinne des § 19 Abs 1 EStG 1972 zugeflossen, wenn die Verwirklichung des Anspruches derartig naheliegt und zugesichert ist, daß dies wirtschaftlich dem tatsächlichen Eingang der Leistung, auf die der Anspruch gerichtet ist, gleichzustellen ist (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1986, 86/14/0081, ÖStZB 1987, 275, mit weiteren Nachweisen).
Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß dies auf den Restbetrag von S 950.000,-- für Verdienstentgang während der ersten Periode laut Vergleich vom 21. Dezember 1988 im Jahre 1988 noch nicht zutraf, wurde doch im Bestätigungsschreiben des Vertreters des Mitbeteiligten vom 23. Dezember 1988 eine dem § 409 ZPO entsprechende Leistungsfrist von 14 Tagen gewährt, was der Mitbeteiligte in seiner Gegenschrift neuerdings bestätigt. Unter dieser Frist kann kein "Stehenlassen" eines bereits auf dem Konto des Schuldners für den Gläubiger verfügbaren Betrages durch den Gläubiger erblickt werden. Dies selbst dann nicht, wenn die Leistungsfrist nicht schon anläßlich des mündlichen Vergleichsabschlusses vereinbart wurde. Die Vereinbarung der Leistungsfrist erfolgte nämlich durch die dem mündlichen Vergleichsabschluß zeitlich unmittelbar folgende Korrespondenz. Die tatsächliche Wirksamkeit des mündlichen Vergleichs war aber von übereinstimmender schriftlicher Bestätigung abhängig, was sich bereits dem Umstand entnehmen läßt, daß die Prozeßerklärung der Klagseinschränkung im Schreiben des Vertreters des Mitbeteiligten von der Bestätigung des in diesem Schreiben geschilderten Vergleichsinhaltes durch ein Schreiben der Versicherung abhängig gemacht wurde (vgl. OZ 23 der Verwaltungsakten). Für den Zufluß im Sinne des § 19 Abs 1 EStG 1972 ist aber die tatsächliche Verfügbarkeit des Betrages für den Steuerpflichtigen ausschlaggebend, die hier von der tatsächlichen Wirksamkeit des Vergleiches abhing. Diese wurde erst nach Maßgabe des Inhaltes des Bestätigungsschreibens des Vertreters des Mitbeteiligten herbeigeführt, also unter Einräumung einer 14-tägigen Leistungsfrist, der sich die Versicherung unterwarf.
Vor Ablauf der Leistungsfrist konnte der Mitbeteiligte über den genannten Betrag daher noch nicht wie über einen tatsächlich bei ihm bereits eingegangenen Betrag verfügen. Der Zufluß erfolgte somit insoweit erst 1989.
Soweit die belangte Behörde daher von einem Zufluß des Betrages von S 950.000,-- im Jahre 1988 und nicht im Jahre 1989 ausging, ist der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig.
Für die Verdienstentgangsentschädigungen, die 1989 zuflossen, konnte der ermäßigte Steuersatz gemäß § 37 Abs 2 Z. 4 EStG 1988 nicht angewendet werden, weil der Zeitraum, für den die Entschädigungen gewährt wurden, nicht mindestens sieben Jahre beträgt.
Hinsichtlich des 1988 zugeflossenen Teilbetrages zur Entschädigung des Verdienstentganges vom 4. Juni 1986 bis 7. September 1987 im Ausmaß von S 318.642,-- steht der ermäßigte Steuersatz gemäß § 37 Abs 1 und 2 Z. 4 in Verbindung mit § 32 Z. 1 lit. a EStG 1972 nicht zu, weil der Gesamtentschädigungsbetrag für diese Periode von S 1,268.642,-- nicht in einem Veranlagungsjahr, sondern in zwei Veranlagungsjahren zugeflossen ist. Es fehlt daher die für die Außerordentlichkeit nötige Zusammenballung in einem Veranlagungsjahr.
Der angefochtene Bescheid mußte deshalb gemäß § 42 Abs 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.
Aufwandersatz steht dem Mitbeteiligten gemäß § 47 Abs 3 VwGG nicht zu.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994140140.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
27.01.2010