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41/04 Sprengmittel Waffen Munition;Norm
WaffG 1986 §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des R in K, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 16. April 1993, Zl. Wa-96/93, betreffend Entziehung des Waffenpasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 16. April 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 18. Dezember 1992 ausgesprochenen Entzug des am 15. Oktober 1987 ausgestellten Waffenpasses gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Die Entscheidung ist im wesentlichen damit begründet, daß im Strafregister des Beschwerdeführers folgende Verurteilungen aufscheinen:
1.
Bezirksgericht Baden: rechtskräftig am 8. Mai 1969, wegen § 411 StG (vorsätzliche und bei Raufhändeln vorkommende körperliche Beschädigungen), § 36 Abs. 1 Z. 2 (früher lit. b) Waffengesetz (unbefugter Besitz von Waffen);
2.
Kreisgericht Wiener Neustadt: rechtskräftig am 16. Mai 1969, wegen § 83 (öffentliche Gewalttätigkeit durch gewaltsamen Einfall in fremdes unbewegliches Gut) und § 411 StG;
3.
Amtsgericht München: Urteil vom 9. November 1972, wegen §§ 223, 230, 232 StGB (fahrlässige Körperverletzung);
4.
Amtsgericht München: Urteil vom 26. Juli 1985, wegen § 242 Abs. 1 StGB (Diebstahl);
5.
Amtsgericht München: Urteil vom 20. Juni 1986, wegen §§ 242, 274, 22, 23, 25 Abs. 2 StG (gemeinschaftlicher Diebstahl und versuchte Urkundenunterdrückung);
6.
Bezirksgericht Landeck: Urteil vom 18. Dezember 1985, wegen § 83 Abs. 1 StGB (vorsätzliche Körperverletzung);
7.
Amtsgericht München: Urteil vom 30. August 1989, wegen §§ 223 Abs. 1, 232, 185, 194 StGB (Körperverletzung, Beleidigung).
Ausländische Verurteilungen seien unter den Voraussetzungen des § 73 StGB inländischen Verurteilungen gleichzuhalten und seien daher bei der Beurteilung der waffenrechtlichen Verläßlichkeit zu berücksichtigen. Aufgrund der zahlreichen, durch strafgerichtliche Verurteilungen erwiesenen Straftaten des Beschwerdeführers gegen die körperliche Sicherheit und gegen fremdes Vermögen und seiner dadurch manifestierten Neigung zu Aggressionsdelikten komme die Berufungsbehörde zu dem Schluß, der Beschwerdeführer besitze die waffenrechtliche Verläßlichkeit nicht mehr. Die Verurteilungen seien vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Es sei zulässig, auch bereits getilgte Verurteilungen bei der Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Da bereits aus dem aus den Straftaten hervorleuchtenden Gesamtverhalten des Beschwerdeführers die mangelnde waffenrechtliche Verläßlichkeit offensichtlich sei, sei der Berufung ohne weiteres Verfahren keine Folge zu geben.
In der dagegen erhobenen Beschwerde, die nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 30. Juni 1993, B 1032/93-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde, wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 Waffengesetz 1986, BGBl. Nr. 443, hat die Behörde spätestens alle 5 Jahre die Verläßlichkeit des Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen. Ergibt sich hiebei oder aus anderem Anlaß, daß er nicht mehr verläßlich ist, so hat die Behörde diese Urkunden zu entziehen. Gemäß § 6 Waffengesetz ist eine Person als verläßlich im Sinne dieses Bundesgesetzes anzusehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie
1.
Waffen nicht mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
2.
mit Waffen vorsichtig und sachgemäß umgehen und diese sorgfältig verwahren wird;
3.
Waffen nicht an Personen überlassen wird, die zum Besitz von Waffen nicht berechtigt sind.
Gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. ist eine Person keinesfalls als verläßlich anzusehen, wenn sie u.a. wegen eines unter Anwendung oder Androhung von Gewalt vorgenommenen vorsätzlichen Angriffes gegen Leib und Leben, die Freiheit oder fremdes Vermögen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder zu einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder öfter als zweimal zu geringeren Strafen rechtskräftig verurteilt wurde.
Bei der Auslegung des § 6 Abs. 1 des Waffengesetzes ist dem Wortlaut und Sinn der Regelung zufolge ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 15. November 1977, Zl. 1560/77). Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften, zumal auch solche, die sich in der manifesten Neigung zu Rechtsbrüchen spezifischer Art äußern, können durchaus die Folgerung rechtfertigen, die vom Waffengesetz geforderte Verläßlichkeit im Umgang mit Waffen sei nicht mehr gewährleistet. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes "Verläßlichkeit" muß auf die gesamte Geisteshaltung und Sinnesart einer Person Bedacht genommen werden (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis).
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, daß ihm der Waffenpaß am 15. Oktober 1987 ausgestellt worden sei und im Ausstellungszeitpunkt im Strafregister 6 der sieben angeführten Vorstrafen bereits aufschienen, wobei die Strafen aus dem Jahr 1969 und jene von 1972 bereits tilgungsfähig gewesen seien. Dieser Rüge kommt nur in bezug auf die vor der Ausstellung des Waffenpasses im Jahr 1979 ergangenen Verurteilungen Berechtigung zu. Dem Beschwerdeführer wurde von der Bezirkshauptmannschaft Baden der Waffenpaß am 13. Juli 1979 für zwei Faustfeuerwaffen ausgestellt. Am 14. Oktober 1987 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung eines Ersatzdokumentes im Sinne des § 28 Waffengesetz. Gemäß § 28 Waffengesetz hat die Behörde einen Waffenpaß durch eine neue Urkunde zu ersetzen, wenn die behördlichen Eintragungen, Unterschriften oder Stempel unkenntlich geworden sind, das Lichtbild fehlt oder den Inhaber nicht mehr einwandfrei erkennen läßt. Am 15. Oktober 1987 wurde dem Beschwerdeführer ein solches Ersatzdokument ausgestellt. Grundlage der Berechtigung des Beschwerdeführers zum Erwerb, Besitz und Führen zweier Faustfeuerwaffen ist daher nach wie vor die im Jahr 1979 erteilte Berechtigung. Es ist somit nicht zutreffend, daß die belangte Behörde bereits bei Ausstellung des verfahrensgegenständlichen Waffenpasses gemäß §§ 16 und 17 Waffengesetz im Jahr 1979 von sechs der ins Treffen geführten Vorstrafen hätte Kenntnis haben müssen. Hinzu kommt im Zusammenhang mit den Verurteilungen vor dem 13. Juli 1979, daß im Zeitpunkt der Ausstellung des Waffenpasses im Jahr 1979 die Strafregisterauskunft für waffengesetzliche Verfahren gemäß § 6 Tilgungsgesetz 1972 beschränkt war. Die Verurteilungen aus den Jahren 1969 und 1972 schienen daher bei der im Zeitpunkt der Ausstellung des Waffenpasses im Jahr 1979 vorliegenden Strafregisterauskunft nicht auf. Seit der mit 1. JÄNNER 1990 in Kraft getretenen Änderung des Tilgungsgesetzes durch Art. VIII Strafrechtsänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 605, ist die sogenannte "Vollauskunft" für die Sicherheitsbehörden zum Zwecke der Überprüfung u.a. der aufgrund waffenrechtlicher Vorschriften geforderten Verläßlichkeit zulässig. Bei den sich aus der "Vollauskunft" ergebenden Verurteilungen vor dem Jahr 1979 handelt es sich um neue Tatsachen, die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, das zur Ausstellung des Waffenpasses geführt hat, nicht hervorgekommen sind. Derartige Tatsachen konnten von der belangten Behörde nur im Rahmen der Wiederaufnahmeregelung des § 69 AVG aufgegriffen werden. Nach dieser kommt eine Wiederaufnahme (sei es von Amts wegen oder auf Antrag) gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit Abs. 3 AVG nur innerhalb von drei Jahren nach Zustellung des Bescheides in Betracht. Im Jahr 1992 war diese dreijährige Frist längst verstrichen, ein Abstellen auf diese Verurteilungen, die vor der Ausstellung des Waffenpasses 1979 erfolgten, war daher nicht zulässig. Die in den Jahren 1985 bis 1989 ausgesprochenen Verurteilungen wegen jeweils zweier strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben und gegen fremdes Vermögen konnte die belangte Behörde aber zulässigerweise zur Überprüfung des weiteren Vorliegens der Verläßlichkeit im Sinne des Waffengesetzes 1986 heranziehen.
Der belangten Behörde lag ab November 1990 eine Strafregisterauskunft vor, die sämtliche im angefochtenen Bescheid angeführten Strafen enthält. Das Verfahren zur Entziehung des Waffenpasses wurde allerdings erst am 1. Dezember 1992 eingeleitet. Aus dem Umstand, daß die Behörde auf die bereits im November 1990 vorgelegene Strafregisterauskunft nicht rascher reagiert hat, ergibt sich keinerlei Rechtswidrigkeit des in der Folge im Dezember 1992 eingeleiteten Entziehungsverfahrens und des in diesem Verfahren ergangenen Bescheides. Daraus kann insbesondere nicht abgeleitet werden, daß die Behörde die aus der Strafregisterauskunft sich ergebenden, nach dem Jahr 1979 erfolgten, Verurteilungen nicht mehr zur Beurteilung der Verläßlichkeit des Beschwerdeführers hätte heranziehen dürfen.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers darf die Waffenbehörde im Rahmen des Generaltatbestandes des § 6 Abs. 1 Waffengesetz auch getilgte Verurteilungen für die Beurteilung der Verläßlichkeit einer Person im Sinne des Waffengesetzes heranziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1984, Zl. 83/01/0320). Dies ist dem Beschwerdeführer auch entgegenzuhalten, wenn er sich darauf beruft, daß er sich seit seiner letzten Verurteilung im Jahr 1989 wohlverhalten habe. Auch allein die strafrechtlichen Verurteilungen aus den Jahren 1985 bis 1988 rechtfertigen aber die Schlußfolgerung der belangten Behörde, daß aufgrund der sich in den vorliegenden vier strafbaren Handlungen manifestierenden Neigung zu Rechtsbrüchen der angeführten Art das Vorliegen der Verläßlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des Waffengesetzes 1986 nicht mehr anzunehmen ist. Es kann der belangten Behörde daher kein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorgeworfen werden.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993010906.X00Im RIS seit
25.04.2001Zuletzt aktualisiert am
07.07.2011