Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers
Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des J in R, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 17. September 1994, Zl. VwSen-250280/2/Kon/Fb, betreffend Wiederaufnahme eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis (in der Folge kurz: BH) vom 16. Juli 1993 wurde der Beschwerdeführer als der gemäß § 9 VStG für die X-Ges.m.b.H. nach außen Verantwortliche schuldig erkannt, er habe es zu verantworten, daß die X-Ges.m.b.H. in der Zeit vom 25. März 1993 bis zum 5. April 1993 den Ausländer M.T. als Hilfsarbeiter beschäftigt habe, ohne daß für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden ist und ohne daß der Ausländer im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines war. Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nach der Novelle BGBl. Nr. 19/1993 verstoßen. Dafür wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) verhängt. Zur Feststellung des Sachverhaltes berief sich die BH in der Begründung ihres Bescheides auf die Anzeige und auf das "Tatsachengeständnis" des Beschwerdeführers. Tatsächlich hatte der Beschwerdeführer in seiner Rechtfertigung am 11. Juni 1993 zugestanden, er habe die Einstellung des M.T. auf Grund einer Mitteilung der Bauleitung veranlaßt, ohne sich selbst davon zu überzeugen, ob die erforderliche Beschäftigungsbewilligung vorlag.
Der Bescheid der BH wurde dem Beschwerdeführer am 21. Juli 1993 zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.
Mit Eingabe vom 22. September 1993 (bei der BH eingelangt am 27. September 1993) stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens. Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers habe in einem Gespräch mit einem Abteilungsleiter des Arbeitsamtes Ried im Innkreis am 17. September 1993 erfahren, daß das Arbeitsamt in einem (nie abgesandten) Briefentwurf an die BH vorgeschlagen habe, gemäß § 21 Abs. 2 VStG von einer Bestrafung des Beschwerdeführers abzusehen. Nachforschungen hätten ergeben, daß M.T. zwar über keine für den Arbeitsplatz bei der X-Ges.m.b.H. gültige, aber immerhin über eine Beschäftigungsbewilligung für seinen Dienstgeber namens A verfügt habe. Gleich nach Klarstellung dieses Umstandes habe die X-Ges.m.b.H. das Beschäftigungsverhältnis mit M.T. beendet. M.T. sei der X-Ges.m.b.H. von einer Firma I-Gesellschaft namhaft gemacht worden, doch sei eben übersehen worden, daß seine Beschäftigungsbewilligung auf A und nicht auf die X-Ges.m.b.H. gelautet habe. Es sei erst jetzt hervorgekommen, daß sich die X-Ges.m.b.H. (der Beschwerdeführer) bei Einstellung des M.T. in einem entschuldbaren Irrtum befunden habe. Das Übersehen des Dienstgebers A in dem unübersichtlichen Computerbescheid betreffend die Beschäftigungsbewilligung des M.T. gehe auch nicht auf vorwerfbare Fahrlässigkeit zurück; jedenfalls rechtfertige dieses Versehen ein Absehen von einer Strafe gemäß § 21 Abs. 1 VStG. Der Beschwerdeführer habe sich ohne sein Verschulden bisher nicht auf die Beweismittel 1) Aktenvermerk des Rechtsanwaltes über sein Telefonat mit Herrn S vom Arbeitsamt, 2) Zeuge G, 3) Zeuge Mag. R von der I, und
4) Beschäftigungsbewilligungsbescheid des Arbeitsamtes Linz vom 19. August 1992 des M.T. für A berufen können; alle diese Beweismittel seien erst nach dem 17. September 1993 hervorgekommen.
Die BH vernahm G als Zeugen und gab dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen, wovon der Beschwerdeführer auch mit Eingabe vom 15. Oktober 1993 Gebrauch machte.
Mit Bescheid der BH vom 7. Dezember 1993 wurde der Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG in Verbindung mit § 24 VStG abgewiesen. In der Begründung bejahte die BH die Rechtzeitigkeit des Antrages. Der Beschwerdeführer mache aber keine neuen Tatsachen geltend, weil er schon im Verwaltungsstrafverfahren angegeben habe, daß das Beschäftigungsverhältnis mit M.T. unmittelbar nach Bekanntwerden des Fehlens einer tauglichen Beschäftigungsbewilligung beendet worden sei. Der Behauptung, der Beschwerdeführer habe erst nachträglich von der Existenz einer Beschäftigungsbewilligung des M.T. für A erfahren, folgte die BH nicht. Auch vom Schreiben des Arbeitsamtes habe der Beschwerdeführer bereits im laufenden Verwaltungsstrafverfahren Kenntnis erlangt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme seien daher nicht erfüllt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Diese Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. September 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Das Gesetz verlange für den Erfolg einer Wiederaufnahme kumulativ a) das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel und b) die Eignung dieser neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel, voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeizuführen. Im Hinblick darauf, daß der Arbeitgeber um die Beschäftigungsbewilligung anzusuchen habe und sich der Geltungsbereich der Beschäftigungsbewilligung nur auf dessen Betrieb erstrecke, sei nicht einsichtig, warum der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bescheid über die dem A erteilte Beschäftigungsbewilligung voraussichtlich einen im Hauptinhalt anderslautenden Spruch in der wiederaufzunehmenden Verwaltungsstrafsache herbeiführen hätte können. Die Tatsache, daß einem anderen Arbeitgeber als dem Beschwerdeführer für M.T. eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei, lasse die dem Beschwerdeführer angelastete Verwaltungsübertretung nach dem AuslBG objektiv und subjektiv unberührt. Das gelte auch für den vom Beschwerdeführer als neues Beweismittel angeführten Aktenvermerk seines Rechtsanwaltes vom 17. September 1993. Der in diesem Vermerk festgehaltenen Ansicht des Arbeitsamtes, es hätte gemäß § 21 VStG von einer Bestrafung abgesehen werden können, wäre im übrigen nicht zu folgen gewesen, das Verschulden des Beschwerdeführers sei nämlich keinesfalls als geringfügig anzusehen. Die vom Beschwerdeführer herangezogenen neuen Beweismittel hätten sohin weder eine Änderung des Schuldspruches noch des Strafausspruches im Bescheid der BH vom 16. Juli 1993 - auch nur voraussichtlich - bewirken können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzungen von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 24 VStG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
1) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2) neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3) der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 69 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündigung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht gemäß § 69 Abs. 4 AVG der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem.
Der Beschwerdeführer hat ausschließlich den Wiederaufnahmsgrund nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG geltend gemacht. Die von ihm rechtzeitig vorgelegten, neu hervorgekommenen Beweismittel habe die belangte Behörde nicht in Zweifel gezogen; sie habe allerdings die Auffassung vertreten, daß auch unter Zugrundelegung der dadurch erwiesenen Tatsachen kein im Spruch anders lautender Verwaltungsstrafbescheid hätte ergehen können.
Tatsächlich haben die im Wiederaufnahmeverfahren eingeschrittenen Verwaltungsbehörden nicht bezweifelt, daß für M.T. nur eine auf den Dienstgeber A bezogene Beschäftigungsbewilligung vorgelegen ist und daß die X-Ges.m.b.H. dies bei Erkennen des Irrtums umgehend zum Anlaß einer Beendigung der Beschäftigung des M.T. bei ihr genommen hat. Auch ist unbestritten geblieben, daß beim Arbeitsamt ein Briefentwurf mit dem vom Beschwerdeführer behaupteten Inhalt auflag. Mit diesen im Verfahren über seinen Wiederaufnahmsantrag erbrachten Nachweisen hat der Beschwerdeführer jedoch, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, keine im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG tauglichen Wiederaufnahmsgründe geltend gemacht.
Auch in der Beschwerde gesteht der Beschwerdeführer zu, es sei bei der X-Ges.m.b.H. übersehen worden, daß für M.T. nur eine auf einen anderen Dienstgeber lautende Beschäftigungsbewilligung vorhanden gewesen sei. Dieses "Übersehen" aber hat der Beschwerdeführer bereits in seiner Rechtfertigung vom 11. Juni 1993 für seine Person damit erklärt, daß er die Einstellung des M.T. auf Grund einer Mitteilung der Bauleitung veranlaßt habe, ohne sich selbst davon zu überzeugen, ob die erforderliche Beschäftigungsbewilligung vorgelegen sei. Schon wegen dieser vom Beschwerdeführer selbst im Verwaltungsstrafverfahren zugestandenen Verhaltensweise ist die BH zu Recht von einem den nach dem AuslBG verpönten Erfolg verursachenden fahrlässigen Verhalten des Beschwerdeführers ausgegangen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob dem Beschwerdeführer, hätte er die Beschäftigungsbewilligung überprüft, tatsächlich nicht aufgefallen wäre, daß diese für einen anderen Dienstgeber ausgestellt worden war. Es trifft jedenfalls nicht zu, daß der Hinweis auf den Dienstgeber A nur ganz klein an unauffälliger Stelle des Beschäftigungsbewilligungsbescheides angebracht ist, dieser Hinweis findet sich vielmehr auf der ersten Seite rechts oben gleich unter der Nennung des Arbeitnehmers und in gleich großer Schrift wie der übrige Bescheidinhalt.
Was die Strafbemessung im Bescheid der BH vom 16. Juli 1993 betrifft, ist noch einmal anzuführen, daß die BH nach dem ihr vorgelegenen Sachverhalt durchaus zu Recht von einem fahrlässigen Verhalten des Beschwerdeführers ausgegangen ist. Neue Tatsachen oder Beweismittel, die den ohnehin unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes nach § 20 VStG ergangenen Strafausspruch maßgeblich verändern hätten können, hat der Beschwerdeführer in seinem Wiederaufnahmeantrag nicht vorgebracht und hat auch das Verfahren über diesen Antrag nicht ergeben.
Auf das behördenintern gebliebene Schreiben des Arbeitsamtes an die BH, in welchem vorgeschlagen wurde, von einer Bestrafung des Beschwerdeführers gemäß § 21 Abs. 2 VStG abzusehen, kommt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht mehr zurück. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlaß, dieses nie abgefertigte und inhaltlich in jedem Falle unverbindliche Schreiben anders als die eingeschrittenen Verwaltungsbehörden zu beurteilen. Auch diesem Schreiben fehlte somit die Eignung, einen im Hauptinhalt anderen Bescheidspruch herbeizuführen.
Es ist daher der belangten Behörde darin zu folgen, daß der Beschwerdeführer in seinem Wiederaufnahmeantrag keine neuen Tatsachen und Beweismittel geltend gemacht hat, die (auch nur voraussichtlich) allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Damit erweist sich die von der belangten Behörde bestätigte Abweisung des Wiederaufnahmeantrages als mit dem Gesetz im Einklang, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994090310.X00Im RIS seit
20.11.2000