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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1151;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers
Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 8. Oktober 1993, Zl. UVS-07/06/00883/93, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 5. Juli 1993 wurde der Beschwerdeführer zu vier Geldstrafen a S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je fünf Tage) verurteilt, weil er es als gemäß § 9 VStG Beauftragter der "XY-Aktiengesellschaft" zu verantworten habe, daß dieses Unternehmen mit Sitz in Wien vier namentlich genannte Ausländer als Arbeitgeber beschäftigt und mit Putzabschlagen und Schuttwegräumen betraut habe, obwohl für diese Ausländer weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt, noch ein Befreiungsschein oder eine Arbeitserlaubnis ausgestellt worden sei. In der Begründung seines Bescheides führte der Magistrat im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe die Beschäftigung der vier Ausländer laut Anzeige nicht bestritten, habe aber auf vier für diese bestehende Beschäftigungsbewilligungen hingewiesen, die allerdings alle auf den Arbeitgeber Z-Ges.m.b.H. ausgestellt gewesen seien. Auch die Verwendung überlassener Arbeitskräfte im Sinne des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) sei nach dem AuslBG mit Strafe bedroht. Der Beschwerdeführer habe nicht nachgewiesen, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der ihm obliegenden Sorgfalt nicht möglich gewesen sei, weshalb die Verschuldensfrage nach § 5 VStG zu bejahen gewesen sei. Die weitere Begründung ist der Strafbemessung gewidmet.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, von einer illegalen Schwarzbeschäftigung könne mit Rücksicht auf die vorgelegten Beschäftigungsbewilligungen keine Rede sein. Die vier Ausländer seien nicht Dienstnehmer der XY-AG, gewesen, sondern der Z-Ges.m.b.H., die an der Baustelle als Subunternehmer im Werkvertrag für die XY-AG gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer führte auch näher aus, mit welchen Arbeiten der Subunternehmer im einzelnen betraut gewesen sei. Die Abrechnung der Werkleistungen sei in branchenüblicher Weise auf Stundenbasis vereinbart worden. Gegen die Auffassung des Magistrats, es habe sich um Arbeitskräfteüberlassung und nicht um einen Werkvertrag gehandelt, werde auch eingewendet, daß seitens der XY-AG kein Material und Werkzeug beigestellt worden sei. Der eigene Bautrupp aus den Leuten der Z-Ges.m.b.H. sei auch nicht den Anweisungen des Beschwerdeführers und damit der XY-AG unterlegen. Die Z-Ges.m.b.H. habe auch für die von ihr übernommene Werkleistung gehaftet. Der Beschwerdeführer bestritt ferner jedes Verschulden an den ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen, weil er sich auf die vorliegenden Beschäftigungsbewilligungen verlassen habe. Als juristischer Laie habe er die Notwendigkeit nicht erkennen können, daß allenfalls weitere Beschäftigungsbewilligungen für die XY-AG erforderlich gewesen wären. Schließlich berief sich der Beschwerdeführer noch auf § 6 Abs. 2 AuslBG und bekämpfte auch die über ihn verhängten Strafen als unangemessen hoch. Der Beschwerdeführer stellte keinen ausdrücklichen Antrag auf Abhaltung einer Berufungsverhandlung, er gab aber diesbezüglich auch keinen Verzicht ab.
Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren eine Stellungnahme des Landesarbeitsamtes ein, sah aber von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung ab.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. Oktober 1993 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge. Begründend gab die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid, die Berufung und die Stellungnahme des Landesarbeitsamtes wieder. Die Ermittlungen der belangten Behörde hätten für das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren keine relevanten neuen Fakten ergeben. In Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Landesarbeitsamtes führte die belangte Behörde rechtlich aus, es sei nicht von einem Werkvertrag, sondern von einer Arbeitskräfteüberlassung der Z-Ges.m.b.H. an die XY-AG auszugehen. Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) ergänzte die belangte Behörde, § 4 AÜG habe den Zweck, die Aufdeckung von durch unzutreffende Bezeichnungen getarnten Arbeitskräfteüberlassungen zu ermöglichen. Hiedurch werde die grundsätzlich bestehende Vertrags- und Gestaltungsfreiheit keineswegs eingeschränkt, verpönt sei nur der Mißbrauch. Klargestellt sei damit auch, daß die im Rahmen von Werkverträgen übliche Verwendung von Erfüllungsgehilfen grundsätzlich keine Überlassung von Arbeitskräften darstelle. Im Falle eines Widerspruches zwischen dem Vereinbarten und den Tatsachen komme es auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung des Vereinbarten an. Mit der vom Gesetz vorgegebenen (wirtschaftlichen) Betrachtungsweise sollten jene Sachverhaltsmerkmale leichter erforscht und berücksichtigt werden können, die das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung indizierten oder ausschlössen. In die Betrachtung seien daher alle Tatsachen und nicht nur jene einzubeziehen, die vielleicht dem vorgegebenen Ziel eher entsprächen. In der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde im einzelnen dar, worin bei Behauptung eines Werkvertrages entsprechende Umgehungshinweise zu erblicken seien und welche Indizien dafür das bisherige Verfahren erbracht habe. Zu beurteilen sei der wahre wirtschaftliche Gehalt und das faktisch Geschehene. Auf Grund einer Gesamtabwägung der maßgeblichen Kriterien überwögen eindeutig die Elemente der Arbeitskräfteüberlassung. Die vorgelegte Faktura der Z-Ges.m.b.H. fuße nicht auf einer abgrenzbaren Teilleistung, sondern auf einem "Scheinwerkvertrag", womit die Belegschaft der XY-AG durch Überlassung von Arbeitskräften erweitert worden sei. Die belangte Behörde gehe somit nach sorgsamer Abwägung von einer Arbeitskräfteüberlassung aus.
Dies habe in rechtlicher Hinsicht gemäß den §§ 2 Abs. 2, lit. e, 2 Abs. 3 lit. c, 3 Abs. 1 und 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG sowie nach den einschlägigen Bestimmungen des AÜG zur Folge, daß die XY-AG für die vier überlassenen Ausländer eigene Beschäftigungsbewilligungen benötigt hätte.
Die belangte Behörde begründete schließlich auch noch näher ihre Strafbemessung.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 51e Abs. 2 VStG abgesehen werden können, weil die Berufung keine neuen Sachverhaltselemente offengelegt, sondern nur unrichtige rechtliche Beurteilungen behauptet habe, und die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt worden sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit Beschluß vom 13. Juni 1994, B 2235/93-4, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In seiner Verwaltungsgerichtshofbeschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er erachtet sich in seinem Recht, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen bestraft zu werden, verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und hat auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid deshalb, weil die belangte Behörde zu Unrecht von der Annahme des vom Beschwerdeführer behaupteten Werkvertrages abgegangen ist. Dabei werden weitgehend die bereits in der Berufung gebrauchten Argumente wiederholt. Zusammenfassend hätte die belangte Behörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung zum Ergebnis gelangen müssen, daß im Beschwerdefall ein Werkvertragsverhältnis vorliege und keine Arbeitskräfteüberlassung erfolgt sei, sodaß auch keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des Beschwerdeführers bestehe. Auf die Gestaltung dieses Werkvertrages habe der Beschwerdeführer ungeachtet seiner Bestellung zum verantwortlich Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG keinen Einfluß gehabt. Als rechtlich absurd bezeichnete es der Beschwerdeführer, auch vom Beschäftiger nach AÜG zu verlangen, daß er Beschäftigungsbewilligungen für überlassene Ausländer einzuholen habe. Im übrigen hätten die vier Ausländer auch Arbeitserlaubnisse gehabt, wodurch der Beschwerdeführer erst recht in seiner Annahme bestärkt worden sei, daß ihre Beschäftigung legal sei. Die Ausländer seien ferner nur einen Tag lang an der Baustelle beschäftigt gewesen, sodaß § 6 Abs. 2 AuslBG anzuwenden sei. Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht von der im Gesetz vorgesehenen mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen. Der Beschwerdeführer habe darauf weder verzichtet noch habe er in seiner Berufung nur unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. In dieser Verhandlung hätte dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben werden müssen, sein Tatsachenvorbringen zum behaupteten Werkvertrag, zum Umfang seiner Verantwortlichkeit nach § 9 Abs. 2 VStG, zur Frage seiner Kenntnis von Detailvorschriften des AuslBG und damit zur Frage seines Verschuldens als Beschuldigter darzulegen. Auch die Aussage des Zeugen S hätte letztlich zu einem anderen Bescheid geführt.
Der Beschwerde kommt schon wegen der behaupteten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Berechtigung zu.
Kernstück der Neuregelung der Verwaltungsverfahrensvorschriften durch Einführung der UVS war deren Verpflichtung zur Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung. Gerade durch diese Regelung sollte der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 EMRK entsprochen werden, daß über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage in einem öffentlichen Verfahren entschieden werden muß. Diese Anforderung sollte durch § 51e VStG erfüllt werden (vgl. dazu Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, S. 285). Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
"(1) Wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dann ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.
(2) Wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, dann ist eine Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde.
(3) Von der Verhandlung kann abgesehen werden, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erfolgen.
(4) Die Parteien sind so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden, daß ihnen von der Zustellung der Ladung an mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen."
Es trifft nicht zu, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung im Sinne des § 51e Abs. 2 VStG "ausdrücklich" nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet hätte; er hat vielmehr in der Berufung auch in umfangreicher Weise auf die der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden Fakten verwiesen. Dieses Vorbringen war für die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes von rechtserheblicher Bedeutung, zumal die Abgrenzung Werkvertrag einerseits und Arbeitskräfteüberlassung andererseits nur durch eine Gesamtbeurteilung aller dafür oder dagegen sprechenden tatsächlichen Umstände möglich ist. Es handelte sich auch nicht etwa nur um eine Strafberufung; eben so wenig lag ein Verzicht des Beschwerdeführers im Sinne des § 51e Abs. 3 VStG vor.
Die belangte Behörde hat durch die Abstandnahme von der Verhandlung das Gesetz verletzt, weil es einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem UVS immer dann bedarf, wenn das Gesetz nicht ausnahmsweise etwas anderes vorsieht. Dieser Verfahrensmangel ist auch relevant, denn das Vorbringen des Beschwerdeführers ist durchaus geeignet, seine mangelnde strafrechtliche Verantwortlichkeit glaubhaft zu machen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0138, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Die belangte Behörde hat daher eine wesentliche Verfahrensvorschrift verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994090209.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
14.02.2010