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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §20 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des N in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 4. November 1994, Zl. III 281/94, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 4. November 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsbürger der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 1 und §§ 19, 20, 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer mit - in Rechtskraft erwachsenem - Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Februar 1994 wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2, 130 zweiter Satz erster Fall und § 15 StGB sowie wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten bedingt, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, sowie zu einer (unbedingten) Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je S 30,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 180 Tage) verurteilt worden sei, weil er teilweise in professionellem Vorgehen und bei den Einbruchsdiebstählen eine führende Rolle spielend gemeinsam mit anderen Staatsbürgern der ehemaligen SFRJ in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen bzw. wegzunehmen versucht habe, und zwar
"1. zusammen mit dem abgesondert verfolgten D und einem nicht identifizierten "M" Ende Mai/Anfang Juni 1993 in S einem Verfügungsberechtigten des österreichischen Bundesheeres zwei Schraubenzieher, ein Antennenverbindungskabel und 20 Paar Arbeitshandschuhe unerhobenen Wertes durch Einbruch in ein Gebäude (Faktum 1);
2. a) im September 1993 in S dem A einen goldenen Ring mit Saphir im Wert von ca. S 5.000,-- sowie einen Bargeldbetrag von
S 5.000,-- nach Eindringen in dessen Garage bzw. Wohnhaus mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel (Faktum 4);
b) am 26.10.1993 in S einem Verfügungsberechtigten der ÖBB zu erbeutende Wertsachen und Bargeld unerhobenen Wertes durch Einbruch in ein Gebäude und Aufbrechen von Möbelstücken (Versuch, Faktum 10);
3. a) Anfang Oktober 1993 in S der G Schmuckstücke im Wert von ca. S 45.000,-- durch Einsteigen in ein Gebäude (Faktum 5);
b) am 17.10.1993 in S dem H neun Stangen Zigaretten im Wert von S 3.150,-- sowie Münz- und Wechselgeld im Wert von ca. S 2.500,-- durch Einbruch in eine Tankstelle (Faktum 7);
c) am 1.11.1993 in S einem Verfügungsberechtigten der ÖPT zu erbeutendes Bargeld unerhobener Höhe durch Aufbrechen eines Automaten (Versuch, Faktum 14);
4. am 24./25.10.1993 in T der Zimmervermittlung ARGE-X einen Gasspray erhobenen Wertes nach Einbruch in einen Kiosk (Faktum 8);
5. a) am 25.10.1993 in S dem Gasthof-Y zwei Kellnergeldtaschen und einen Handtresor mit Bargeld von zusammen ca. S 8.000,-- durch Einbruch in ein Gebäude (Faktum 9);
b) am 27.10.1993 in S der E 10 Dosen "Red Bull" und zwei Dymo-Drucker im Wert von zusammen ca. S 1.000,-- nach Einbruch in einen Kiosk (Faktum 11);
c) am 27.10.1993 in S dem Gasthof-Y Bargeld im Wert von ca. S 3.120,-- und 100 Packungen Zigaretten im Wert von ca. S 4.100,-- durch Einbruch in ein Gebäude und Aufbrechen von Automaten (Faktum 12);
d) am 31.10.1993 in S der A zwei Schraubenzieher, eine Springschnur und Saunamittel im Wert von ca. S 200,-- durch Einbruch in ein Gebäude und Aufbrechen von Behältnissen (Automaten) (Faktum 13), wobei der Berufungswerber und seine Mittäter die Diebstähle durch Einbruch mit Ausnahme des Punktes 1 in der Absicht begangen haben, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sowie weil der Berufungswerber am 2.11.1993 in O den Z dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt hat, daß er ihn vor Beamten des Gendarmeriepostens O der Teilnahme an mehreren der oben angeführten Einbruchsdiebstähle falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch ist, und die fälschlich angelastete Handlung mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist."
Die rechtskräftige Verurteilung vom 4. Februar 1994 erfülle den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG. Das bzw. das dieser Verurteilung zugrunde liegende Gesamtfehlverhalten sei eine "bestimmte Tatsache" i.S. des § 18 Abs. 1 Z. 1 leg.cit., welche die Annahme rechtfertige, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Sicherheit gefährde.
Das Aufenthaltsverbot stelle einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar. Dieser sei aber aufgrund der Neigung des Beschwerdeführers zu Straftaten (gegen fremdes Vermögen) sowie im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse daran, daß andere nicht in ihren Rechten beeinträchtigt würden, zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele der Verhinderung von (weiteren einschlägigen) Straftaten und des Schutzes der Rechte anderer dringend geboten. Die dem gegenüber stehenden Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme.
Der Beschwerdeführer und seine Mutter seien seit 1992 in Österreich; dieser Aufenthalt habe noch keinen hohen Grad an Integration bewirkt; dem entsprächen die "sonstigen Bindungen an das Bundesgebiet". Der Beschwerdeführer habe nach seinen eigenen Angaben vor seiner Festnahme am 2. November 1993 nicht gearbeitet; er sei nunmehr auf Arbeitssuche, wobei "lediglich die mangelnde Aufenthaltsbewilligung sein Engagement bremst". Die anderen Mitglieder der Familie des Beschwerdeführers seien früher als er und seine Mutter nach Österreich gekommen und lebten "seit geraumer Zeit" hier. Die gesamte Familie des Beschwerdeführers habe in S ein Mehrfamilienhaus gemietet, das sie gemeinsam mit der Familie des Onkels des Beschwerdeführers bewohne. Eine intensive familiäre Bindung habe der Beschwerdeführer naturgemäß zu seinen Verwandten in S, insbesondere zu den Eltern und Geschwistern. Die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Beeinträchtigung dieser Bindungen - wie überhaupt des Lebens des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen - träten in den Hintergrund, wenn man sich einerseits die vom Beschwerdeführer ausgehende große Gefahr für die öffentliche Sicherheit, anderseits die relative Kürze seines Aufenthaltes im Bundesgebiet sowie den Umstand, daß er volljährig und ledig sei, vor Augen halte.
Von einem einmaligen, mit jugendlichem Leichtsinn zu entschuldigenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers könne angesichts der Straftaten, die der Verurteilung vom 4. Februar 1994 zugrunde lägen, keine Rede sein. Die seit den schweren Straftaten des Beschwerdeführers im Jahr 1993 verstrichene Zeit sei viel zu kurz, um ihm eine dauerhafte Änderung seiner Einstellung hin zu einem rechtstreuen Menschen attestieren zu können; das Risiko seiner "Dabelassung" auf Kosten anderer sei - trotz Betreuung durch einen Bewährungshelfer und trotz Arbeitssuche und Erlernen der deutschen Sprache - viel zu groß.
Aus der bedingten Strafnachsicht durch das Gericht sei für den Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren nichts zu gewinnen, weil die Fremdenbehörde an eine daraus ableitbare günstige Zukunftsprognose bei ihrer Entscheidung nicht gebunden sei. Das Vorbringen in der Berufung betreffend die Kriegswirren in Bosnien-Herzegowina gehe im Hinblick auf die Systematik des Fremdengesetzes (§§ 54, 37) und die taxative Aufzählung der bei der Interessenabwägung maßgebenden Kriterien (§ 20 Abs. 1 FrG) ins Leere.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleiben die als maßgeblicher Sachverhalt festgestellte rechtskräftige gerichtliche Verurteilung vom 4. Februar 1994 (oben I. 1.) sowie der daraus gezogene rechtliche Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG und in der Folge jenes des § 18 Abs. 1 Z. 1 leg.cit. unbekämpft. Des weiteren zieht die Beschwerde die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die Verhängung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten und demnach im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, nicht in Zweifel. Auch der Gerichtshof hegt gegen die besagten rechtlichen Beurteilungen keine Bedenken.
2.1. Der Beschwerdeführer vertritt die Meinung, daß die belangte Behörde die Interessenabwägung zu Unrecht zu seinen Ungunsten vorgenommen habe.
Die gesamte Familie des Beschwerdeführers lebe seit Jahren in Österreich, und zwar gemeinsam in einem Haus. Sie habe aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen sämtliche Kontakte zur Heimat abgebrochen. Die Familienmitglieder beabsichtigten, die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen; einige seien bereits in Österreich geboren, die jüngeren lernten ausschließlich Deutsch und besuchten österreichische Pflichtschulen. Da der Beschwerdeführer bis heute weder allein gelebt noch für sich allein gesorgt habe, sei das Zerreißen des Bandes zu seiner Familie unverhältnismäßig. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer nahezu nur mehr Deutsch spreche und die österreichischen Lebensgewohnheiten angenommen habe, sei davon auszugehen, daß er nicht in der Lage sein werde, in Bosnien-Herzegowina eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen und einer Arbeit nachzugehen. Darüber hinaus sei aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen sogar das Leben des Beschwerdeführers bedroht.
Demgegenüber sei die Abstandnahme von einem Aufenthaltsverbot kein unangemessenes Sicherheitsrisiko. Unabhängig davon, daß das Gericht den Vollzug der Freiheitsstrafe nicht für notwendig befunden habe, seien die Taten des Beschwerdeführers einmalige Fehlverhalten, die ihre Ursache in der schwierigen Situation des jugendlichen Straftäters gehabt hätten. Der Beschwerdeführer versuche, eine Arbeitsstelle zu finden; er sei seit den Vorfällen im Jahr 1993 nicht wieder straffällig geworden.
2.2. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde den langjährigen Aufenthalt und die dem entsprechende Integration vieler Familienmitglieder sowie die intensive Bindung des Beschwerdeführers zu ihnen (§ 20 Abs. 1 Z. 1 und 2 FrG) zu seinen Gunsten berücksichtigte. Allerdings hielt die belangte Behörde auch fest, daß der Beschwerdeführer selbst (wie auch seine Mutter) sich erst seit 1992 in Österreich aufhalte, vor seiner Festnahme wegen der seiner Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten am 2. November 1993 nicht gearbeitet habe und (laut seiner Stellungnahme vom 14. Juli 1994) auf Arbeitssuche sei. Der daraus im angefochtenen Bescheid gezogene Schluß, daß der Beschwerdeführer keinen hohen Grad an Integration aufzuweisen habe, ist nicht unzutreffend; dies nicht nur wegen der Kürze des Aufenthaltes, sondern vor allem auch angesichts der wegen der Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten und seiner Beschäftigungslosigkeit gegebenen beachtlichen Minderung der für eine Integration wesentlichen sozialen Komponente (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0338, und vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0816). Den mithin nicht sehr stark ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers stellte die belangte Behörde die von ihr zu Recht als gewichtig angesehenen öffentlichen Interessen an einer Beendigung seines Aufenthaltes in Österreich gegenüber. Wie die belangte Behörde ist auch der Gerichtshof der Auffassung, daß die Schwere, die Vielzahl und die rasche Aufeinanderfolge der der gerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden, in mehrfacher Weise qualifizierten Straftaten - von einem "einmaligen Fehlverhalten" kann angesichts dessen keine Rede sein -, die von einer krassen Mißachtung fremden Eigentums zeugen, nicht nur die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend gebieten, sondern auch eine Wertung dahin gerechtfertigt erscheinen lassen, daß die durch dieses grobe Fehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtigten maßgeblichen öffentlichen Interessen und damit die Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie (§ 20 Abs. 1 FrG). Daß sich der Beschwerdeführer seit Ende des Jahres 1993 nichts mehr habe zuschulden kommen lassen, ist in Anbetracht der Kürze dieses Zeitraumes und der damit fehlenden Möglichkeit, eine verläßliche Aussage hinsichtlich des künftigen Verhaltens des Beschwerdeführers zu machen, nicht geeignet, das große Gewicht der besagten öffentlichen Interessen zu verringern.
3. Da somit die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahrens als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994181126.X00Im RIS seit
20.11.2000