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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §3 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M, in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Juli 1994, Zl. 100.617/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 29. Juli 1994 wurde der (am 10. Jänner 1994 im Wege der Österreichischen Botschaft in Budapest gestellte) Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 2 Abs. 1 iVm § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes - AufG, BGBl. Nr. 466/1992, abgewiesen.
Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß die mit der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, für das Bundesland Wien festgesetzte Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen nunmehr erreicht sei, sodaß gemäß § 9 Abs. 3 AufG keine weiteren Bewilligungen mehr erteilt werden dürften.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach § 9 Abs. 3 AufG dürfen, sobald die gemäß § 2 Abs. 1 festgelegte Anzahl (von Bewilligungen) erreicht ist, keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß § 3 ist auf das folgende Jahr zu verschieben; andere anhängige Anträge sind abzuweisen.
Nach § 2 Abs. 1 AufG hat die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates für jeweils ein Jahr mit Verordnung die Anzahl der Bewilligungen festzulegen, die höchstens erteilt werden dürfen.
Zufolge des § 2 Abs. 5 leg. cit. ist die Verordnung gemäß Abs. 1 jeweils so rechtzeitig zu erlassen, daß sie mit Beginn des folgenden Jahres in Kraft treten kann. Wird diese Verordnung nicht rechtzeitig erlassen, so ist die bisher geltende Verordnung bis zur Erlassung einer neuen Verordnung weiter anzuwenden.
Gemäß § 1 Abs. 2 der auf § 2 AufG beruhenden Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für das Jahr 1994 (BGBl. Nr.72/1994) dürfen im Land Wien in diesem Jahr höchstens 4300 Bewilligungen erteilt werden.
2.1. Die Beschwerde zieht nicht in Zweifel, daß die in der Begründung des bekämpften Bescheides getroffene Feststellung, daß nunmehr, also im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde, die Höchstzahl von 4.300 erreicht sei, zutreffend ist. Der Beschwerdeführer vertritt allerdings die Ansicht, daß die Verordnung BGBl. Nr. 72/1994 im vorliegenden Fall überhaupt nicht hätte zur Anwendung gelangen dürfen. Vielmehr wäre die im Zeitpunkt der Antragstellung gültige Verordnung BGBl. Nr. 402/1993 anzuwenden gewesen mit der Folge, daß die belangte Behörde hätte feststellen müssen, ob am 10. Jänner 1994 die nach dieser Verordnung maßgebliche Höchstzahl von 4.700 ausgeschöpft gewesen sei oder nicht. Darüber hinaus habe die belangte Behörde mißachtet, "daß grundsätzlich das Rückwirkungsverbot, speziell aber das Verschlechterungsverbot für Gesetze und Verordnungen gilt, sodaß die Verordnung BGBl. Nr. 72/1994 auch frühestens am 25. Jänner 1994 in Kraft treten konnte". Betrachte man § 2 Abs. 5 AufG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 72/1994, "so zeigt sich auch hieraus, daß diese Verordnung selbst als gesetzwidrig anzusehen ist, weil sie de facto rückwirkend erlassen wurde, nachdem sie für das Gesamtjahr Geltung haben soll, obwohl das Bundesgesetzblatt selbst erst am 25. Jänner 1994 ausgegeben worden ist".
2.2. Was die behauptete Gesetzwidrigkeit der Verordnung BGBl. Nr. 72/1994 wegen deren angeblicher rückwirkender Kraft anlangt, so genügt es, die Beschwerde zur Widerlegung ihrer Ansicht auf den klaren Wortlaut des § 2 Abs. 5 AufG zu verweisen, aus dem auch für die besagte Verordnung folgt, daß ihre verbindende Kraft erst mit ihrer Erlassung begann. Inwiefern die belangte Behörde diesen Umstand bei ihrer Entscheidung "mißachtet" haben soll, ist nicht nachvollziehbar.
Dazu aber, daß die belangte Behörde die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung maßgebliche Rechtslage, also die Verordnung BGBl. Nr. 72/1994, und nicht die im Zeitpunkt der Antragstellung am 10. Jänner 1994 in Kraft gestandene Verordnung BGBl. Nr. 402/1993 anzuwenden hatte, wird auf das hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1994, Zl. 94/18/0639, verwiesen (§ 43 Abs. 2 VwGG).
3.1. Eine weitere Rechtswidrigkeit erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behörde die Bestimmung des § 3 Abs. 3 AufG nicht beachtet habe. Hätte sie dies getan, so hätte sie im Hinblick darauf, daß die Gattin des Beschwerdeführers seit ihrer Geburt österreichische Staatsbürgerin sei, sie ebenso wie der Beschwerdeführer über ein geregeltes und ausreichendes Einkommen und über einen ordentlichen Wohnsitz verfügten, dem Antrag des Beschwerdeführers Folge geben müssen.
3.2.1. Wenngleich es im Grunde des § 9 Abs. 3 AufG ("... anhängige Anträge gemäß § 3 ...") nicht allein darauf ankommt, ob ein Rechtsanspruch nach § 3 Abs. 1 und 2 AufG besteht, vielmehr die Wendung "Anträge gemäß § 3" die Bedachtnahme auch auf die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 3 leg. cit. miteinschließt, somit die Behörde - bei entsprechendem Vorbringen des Fremden im Verfahren - auch diese Bestimmung in ihre Erwägungen einzubeziehen hat, ist damit im vorliegenden Fall für den Beschwerdeführer nichts gewonnen.
3.2.2. Gemäß § 3 Abs. 3 erster Satz kann die (hier allein relevante) Frist des Abs. 2 - wonach die Erteilung einer Bewilligung nach Abs. 1 für Ehegatten voraussetzt, daß die Ehe zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mindestens ein Jahr besteht - verkürzt werden, wenn die Ehegatten im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und auf Dauer ihr Lebensunterhalt und ihre Unterkünfte ausreichend gesichert sind. Diese dem Gedanken der Familienzusammenführung Rechnung tragende Ausnahmeregelung kann indes in Ansehung des Zusammenlebens der Ehegatten in einem gemeinsamen Haushalt, sofern dies in Österreich der Fall war, von vornherein nur dann zum Tragen kommen, wenn diesem Zusammenleben auf seiten des Ehegatten, der einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt hat, ein rechtmäßiger Aufenthalt zugrunde lag, ist es doch dem Gesetzgeber nicht zusinnbar, daß er die besagte, den Antragsteller begünstigende Ausnahmeregelung auch dann angewendet wissen wollte, wenn dessen Aufenthalt im Bundesgebiet in der Zeit des Zusammenlebens mit seinem Ehepartner ein unerlaubter war. Auch die hier in Rede stehende Förderung der Familienzusammenführung bzw. der Schutz des Familienlebens steht unter dem Vorbehalt rechtmäßigen Verhaltens des betreffenden Fremden. Ein auf rechtswidriger Vorgangsweise gründendes Herbeiführen des hier erörterten Ausnahmetatbestandes verwehrt es dem antragstellenden Fremden, sich mit Erfolg auf diesen zu berufen.
3.2.3. Bezogen auf den Beschwerdefall führen die vorstehenden Erwägungen zu dem Ergebnis, daß eine erfolgreiche Berufung des Beschwerdeführers auf das Zusammenleben mit seiner Ehegattin in einem gemeinsamen Haushalt in Wien seit 9. August 1993 deshalb nicht in Betracht kam, weil auch aus dem Vorbringen in der Beschwerde (Sachverhaltsdarstellung) nicht hervorgeht, daß er sich in dieser Zeit rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Die belangte Behörde vermochte demnach ihre abweisliche Entscheidung im Ergebnis zu Recht auf § 9 Abs. 3 AufG zu stützen.
4. Daran ändert auch die Behauptung des Beschwerdeführers nichts, es habe sich bei seinem Antrag vom 10. Jänner 1994 um keinen Erstantrag, sondern um einen, wenn auch verspätet eingebrachten, Verlängerungsantrag gehandelt, "sodaß die Frage der Kontingentierung grundsätzlich als irrelevant hätte abgetan werden müssen". Eine Berufung des Beschwerdeführers auf § 4 Abs. 1 zweiter Satz AufG, wonach auf die "Verlängerung von Bewilligungen" die gemäß § 2 erlassenen Verordnungen keine Anwendung finden, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die besagte Verlängerung die rechtzeitige Stellung des diesbezüglichen Antrages voraussetzt - was vorliegend nach dem Beschwerdevorbringen nicht der Fall war.
5. Den Verfahrensrügen dahingehend, daß die belangte Behörde den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt habe und nicht auf das Berufungsvorbringen eingegangen sei, ermangelt die Relevanz. Den Beschwerdeausführungen ist nicht zu entnehmen, inwiefern die belangte Behörde, hätte sie Parteiengehör gewährt, und sich mit dem Berufungsvorbringen befaßt, zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigeren) Ergebnis hätte kommen können.
6. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994180598.X00Im RIS seit
02.05.2001