Index
50 GewerberechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit einer Verordnung betreffend die Untersagung der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten im Umkreis von 200 m eines Kindergartens; Kinder in gleicher Weise wie unmündige Minderjährige geschütztSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird daher abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit der auf §52 Abs4 der Gewerbeordung 1973 (im folgenden: GewO 1973) gestützten Verordnung des Bürgermeisters der Marktgemeinde St. Michael im Lungau vom 27. September 1989, Z B/1.901/1989, wurde die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels "Zuckerl-, Süßwaren-, Kaugummi-, Spielzeug- und sonstiger Automaten" u.a. im Umkreis von 200 m von den Kindergärten in Oberweißburg und St. Michael untersagt.
2. Der Beschwerdeführer betreibt in St. Michael im Lungau, Marktstraße 53, in einem Abstand von weniger als 200 m vom Kindergarten St. Michael und demnach innerhalb eines in der Verordnung festgelegten Verbotsbereiches einen Warenautomaten zum Vertrieb von Kaugummi und Spielzeug.
3.1. Zufolge dieser gewerblichen Betätigung wurde über den Beschwerdeführer (nach Erhebung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung vom 13. August 1990) mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom 9. April 1991 wegen einer Verwaltungsübertretung nach §367 Z15 iVm §52 Abs4 GewO 1973 und der Verordnung des Bürgermeisters der Marktgemeinde St. Michael im Lungau vom 27. September 1989, Z B/1.901/1989, eine Geldstrafe von S 3.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt.
3.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde vom Landeshauptmann von Salzburg mit Bescheid vom 17. April 1992, Z 5/01-12.292/2-1992, abgewiesen.
4.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet werden und die Aufhebung des Bescheides beantragt wird.
4.2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
5. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
5.1.1. Die Beschwerde behauptet zunächst, §52 Abs4 GewO 1973 verstoße gegen das Gleichheitsgebot, weil nicht einsichtig sei, warum zum einem der Verkauf von Süßigkeiten mittels Warenautomaten gefährlicher sein solle als ein Verkauf der gleichen Produkte durch einen Gewerbetreibenden in dessen Verkaufslokal und warum zum anderen Automaten für andere Branchen ungehindert aufgestellt werden dürften. Die in Rede stehende Gesetzesstelle greife auch unzulässigerweise in Rechte Dritter ein, da diesen damit die Nutzung ihrer Hausfassaden durch Vermietung an Gewerbetreibende für Automaten der "inkriminierten Art" untersagt werde.
5.1.2. Zu diesen Vorwürfen genügt es, auf die Vorjudikatur des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, in der alle maßgeblichen Fragen eingehend beantwortet wurden (vgl. insbesondere VfSlg. 10050/1984, 10594/1985 und 11391/1987).
5.2.1. Die Beschwerde behauptet weiters die Gesetzwidrigkeit der angewendeten Verordnung, weil ein Verbotsbereich im Umkreis von 200 m auch von Kindergärten festgelegt werde, obwohl Kindergärten ausschließlich von Kindern besucht würden, die das sechste Lebensjahr noch nicht erreicht haben. §52 Abs4 GewO 1973 ermächtige demgegenüber die Gemeinden nur zur Erlassung von Verordnungen zum Schutze von unmündigen Minderjährigen, also solchen Minderjährigen, die das siebente, aber noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet haben.
5.2.2. Die Verordnung des Bürgermeisters der Marktgemeinde St. Michael im Lungau vom 27. September 1989, Z B/1.901/1989, auf die sich der angefochtene Bescheid stützt, lautet:
"VERORDNUNG
Zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben wird die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Zuckerl-, Süßwaren-, Kaugummi-, Spielzeug- und sonstiger Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchenahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind, an folgenden Orten untersagt:
1.) Im Umkreis von 200 m von folgenden Schulen: Volksschule St. Michael, Hauptschule St. Michael, Volksschule Oberweißburg und den Kindergärten in Oberweißburg und St. Michael.
Die Entfernung im Umkreis von 200 m wird von den angeführten Objekten jeweils von den Eingängen gemessen.
Diese Verordnung tritt am 12. Oktober 1989 in Kraft.
Übertretungen dieser Verordnung werden gemäß §367 Z15 GewO 1973 idF Gewerbeordnungsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, mit Geldstrafen bis zu 30.000,-- Schilling bestraft."
Die Verordnung stützt sich auf §52 Abs4 GewO 1973 idF der Gewerbeordnungs-Novelle 1981, BGBl. Nr. 619/1981, der lautet:
"(4) Soweit dies zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben erforderlich ist, kann die Gemeinde durch Verordnung die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind,
1. im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden,
2. bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Wege zur oder von der Schule benützt werden,
3. bei Schulbushaltestellen, die von unmündigen Minderjährigen benützt werden,
4. auf Plätzen oder in Räumen, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden, oder
5. im näheren Umkreis der in Z4 angeführten Plätze und Räume
untersagen."
5.2.3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann das Gesetz nur so verstanden werden, daß es auch zur Festlegung von Verbotszonen zum Schutz von Kindern ermächtigt, da deren Schutzwürdigkeit in gleicher Weise wie jene unmündiger Minderjähriger gegeben ist. Es wäre widersinnig anzunehmen, daß der Gesetzgeber bei Erlassung der Verordnungsermächtigung nach §52 Abs4 GewO 1973 Kinder, die das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben, vom Schutzumfang dieser Norm ausnehmen wollte. Wenn der Gesetzgeber es für zweckmäßig und notwendig befunden hat, unmündige Minderjährige vor unüberlegten Geldausgaben dadurch zu schützen, daß er die Gemeinden ermächtigt, "durch Verordnung die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind", zu untersagen, dann muß diese Regelung im systematischen Kontext - verfassungskonform - dahin verstanden werden, daß sie auch zum Schutz von Kindern, die das siebente Lebensjahr noch nicht erreicht haben, angewendet werden kann. Ein solches Verständnis des §52 Abs4 leg.cit. legt jedenfalls ein Größenschluß der dargelegten Art nahe (vgl. aber auch §§21 Abs2 und 153 Abs3 ABGB) und ist schon deshalb geboten, weil die Sachlichkeit des §52 Abs4 GewO 1973 und damit dessen Verfassungsmäßigkeit in Frage stünde, wenn er auf Kinder nicht anwendbar wäre, obwohl deren Schutz mindestens im gleichen Maße geboten ist wie der Schutz von Sieben- bis Vierzehnjährigen.
Der Verordnung der Marktgemeinde St. Michael im Lungau kann wegen der Festlegung eines Verbotsbereiches im Umkreis von 200 m des Kindergartens St. Michael also eine Gesetzwidrigkeit nicht angelastet werden (vgl. auch VfSlg. 11005/1986).
5.3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Soweit der angefochtene Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen unrichtiger Rechtsanwendung bekämpft wird, ist darauf hinzuweisen, daß der Verfassungsgerichtshof im Verfahren über eine Beschwerde nach Art144 Abs1 B-VG ausschließlich die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen wahrzunehmen hat, nicht aber dazu berufen ist, einen Bescheid auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen.
Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Gewerberecht, Automaten, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B731.1992Dokumentnummer
JFT_10078998_92B00731_00