TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/19 94/09/0236

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Veröffentlicht am 19.01.1995
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §20;
VStG §21 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers

Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. April 1994, Zl. UVS-07/03/00498/92, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung, also in seinem Straf- und Kostenausspruch, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war unbestritten im Zeitpunkt der ihm im Beschwerdefall vorgeworfenen Verstöße gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit nach außen vertretungsberechtigtes Organ der XY-Gesellschaft m.b.H. (in der Folge kurz: Ges.m.b.H.).

Mit Bescheid des Magistrates (Mag.) der Stadt Wien vom 10. September 1992 wurde der Beschwerdeführer nach den Bestimmungen des AuslBG zu neun Geldstrafen a S 40.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je zwei Wochen) verurteilt, weil er als gemäß § 9 VStG Verantwortlicher der Ges.m.b.H. mit dem Sitz in Wien zu verantworten habe, daß diese neun Ausländer beschäftigt habe, obwohl ihr für die Ausländer keine Beschäftigungsbewilligungen ausgestellt worden waren und die Ausländer auch nicht über gültige Arbeitserlaubnisse oder Befreiungsscheine verfügten, und zwar 1.) A am 25. November 1991 und am 3. Dezember 1991, 2.) B vom 18. bis 21. November 1991 und am 25. November 1991, 3.) C vom 3. bis zum 6. Dezember 1991 und vom 9. bis zum 12. Dezember 1991,

4.) D am 6. und 7. November 1991, 5.) E vom 4. bis zum 7. November 1991, 6.) F vom 4. bis zum 7. November 1991,

7.) G vom 5. bis zum 7. November 1991, vom 11. bis zum 15. November 1991 und vom 25. bis zum 27. November 1991,

8.) H vom 19. bis zum 21. November 1991 und vom 25. bis zum 29. November 1991, sowie 9.) I vom 4. bis zum 7. November 1991 und vom 11. bis zum 15. November 1991.

Der Begründung dieses Bescheides ist zu entnehmen, daß es sich bei den neun Ausländern um Leiharbeitskräfte handelte, welche der Ges.m.b.H. durch eine Firma Z-Ges.m.b.H. überlassen worden sind. Der Beschwerdeführer habe sein fehlendes Verschulden an ihrer den Bestimmungen des AuslBG widersprechenden Beschäftigung durch die Ges.m.b.H. nicht glaubhaft machen können, er habe vielmehr durch Unterlassung der Überprüfung des Vorliegens der entsprechenden Genehmigungen für die Ausländer fahrlässig gehandelt. Zur Strafbemessung führte der Mag. aus, das Verschulden des Beschwerdeführers sei "durchschnittlich"; erschwerend sei kein Umstand, mildernd sei die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers zu werten. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers seien "ungünstig". Unter Berücksichtigung aller dargelegter Strafzumessungsgründe erscheine die verhängte Strafe als "nicht zu hoch bemessen".

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, er habe alles unternommen, um nicht gegen das AuslBG zu verstoßen. Zwischenzeitlich sei er von der Ges.m.b.H. gekündigt worden und lebe von der Arbeitslosenunterstützung und von Krediten. In einem Nachtrag zu seiner Berufung verwies der Beschwerdeführer darauf, daß seitens der Z-Ges.m.b.H. das Vorliegen der erforderlichen Papiere für die Ausländer bestätigt worden sei. Der Beschwerdeführer habe sich daher im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht als Geschäftsführer vom Vorliegen der Genehmigungen überzeugt. Ferner bekämpfte der Beschwerdeführer die Höhe der über ihn verhängten Strafen sowie des Kostenausspruches.

Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren eine Stellungnahme des Landesarbeitsamtes (LAA) ein, zu der sich der Beschwerdeführer schriftlich äußerte. In der mündlichen Verhandlung am 27. April 1994, zu welcher der Beschwerdeführer nicht erschienen ist, wurde auf die Einvernahme von Zeugen verzichtet und der angefochtene Bescheid verkündet.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. April 1994 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers insoweit Folge, als die verhängten Geldstrafen auf jeweils S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils eine Woche) herabgesetzt und der Kostenbeitrag entsprechend gekürzt wurde. Der vom Mag. festgestellte Sachverhalt sei auf Grund des durchgeführten Verfahrens erwiesen und werde vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten. Der Beschwerdeführer habe auch nicht im Sinne des § 5 VStG glaubhaft gemacht, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden nicht möglich gewesen wäre. Bei Beachtung der erforderlichen und auch zumutbaren Sorgfalt wäre der Beschwerdeführer gehalten gewesen, sich selbst vom Vorliegen der erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen zu überzeugen und sich dazu nicht auf die Auskunft der Verleihfirma zu verlassen. Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde, ausgehend von § 19 VStG, aus, grundsätzlich schädige jede Verletzung des AuslBG in erheblichem Maße staatliche und privatwirtschaftliche Interessen. Der illegalen Beschäftigung einzelner ausländischer Arbeitnehmer stehe ferner das Gesamtinteresse der ausländischen Arbeitskräfte entgegen, da wesentliche Schutzbestimmungen des Arbeits- und Sozialrechtes bei der verbotenen Beschäftigung keine Anwendung fänden. Der Beschwerdeführer habe fahrlässig gehandelt, "das Verschulden konnte daher nicht als geringfügig erachtet werden". Die vom Mag. verhängten Strafen seien jedoch in Ansehung der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und der "sehr ungünstigen" Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu hoch bemessen und seien spruchgemäß herabzusetzen gewesen. Eine weitere Herabsetzung der Strafen sei im Hinblick darauf, daß die Beschäftigung jeweils mehr als einen Tag betragen habe, und auf den Umstand, daß sich der Beschwerdeführer uneinsichtig gezeigt habe, nicht in Betracht gekommen, da zu befürchten sei, daß die Verhängung geringerer Strafen nicht geeignet wäre, den Beschwerdeführer und andere wirksam von der Begehung gleichartiger Straftaten abzuhalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht "auf nachvollziehbare Darlegung und Abwägung der Milderungs- und Erschwerungsgründe" und auf Verhängung einer angemessenen Strafe verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und hat auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erklärt ausdrücklich die getroffenen Feststellungen als "objektiv richtig" und bringt in seiner Beschwerde gegen die Tatsache seiner Verurteilung nichts vor. Die belangte Behörde sei jedoch bei der Behandlung der Strafzumessungsgründe von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen und habe dadurch eine Kontrolle ihrer diesbezüglichen Ermessensentscheidung nicht ermöglicht.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht (siehe dazu grundsätzlich die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Jänner 1979, Slg. 9755 A, und vom 18. November 1993, Zl. 93/09/0256).

Grundlage der Bemessung der Strafe ist gemäß § 19 Abs. 1 VStG das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann gemäß § 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.

Gemäß § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlungen bildet, begeht gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde, ...

bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafen von S 5.000,-- bis zu S 60.000,--, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 10.000,-- bis zu S 120.000,--, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 10.000,-- bis zu S 120.000,--, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 20.000,-- bis zu S 240.000,--.

Im Beschwerdefall hatte die belangte Behörde mit Rücksicht auf die insgesamt neun beschäftigten Ausländer sowie darauf, daß kein Wiederholungsfall vorliegt, den dritten Strafsatz gemäß der zuletzt angeführten Bestimmung (S 10.000,-- bis S 120.000,--) anzuwenden. Sie hat letztlich die Strafen mit je S 20.000,--, also mit dem Doppelten der Mindeststrafe, bemessen.

Dem Beschwerdeführer ist darin Recht zu geben, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ihre die Strafhöhe betreffende Ermessensentscheidung nicht zulänglich begründet hat. Der Umstand allein, daß der Beschwerdeführer fahrlässig gehandelt hat, vermag die von der belangten Behörde daraus gezogene Konsequenz, "das Verschulden konnte daher nicht als geringfügig angesehen werden", tatsächlich nicht zu tragen. Auf das nach dem zweiten Satz des § 19 Abs. 2 VStG besonders zu berücksichtigende Ausmaß des Verschuldens des Beschwerdeführers ist die belangte Behörde im übrigen nicht weiter eingegangen, obwohl der Beschwerdeführer dazu in seiner Berufung taugliches Vorbringen erstattet hat. Zutreffend hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung gerügt, daß die Behörde zwar die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers als "sehr ungünstig" bezeichnet hat, ohne diesbezüglich kontrollierbare Feststellungen zu treffen; auch in seiner Beschwerde weist der Beschwerdeführer auf die "existenzgefährdende Gesamthöhe" der ihm auferlegten Beträge hin. Die Familienverhältnisse des Beschwerdeführers blieben im angefochtenen Bescheid überhaupt unerwähnt.

Die belangte Behörde hat es dadurch auch unterlassen, die Frage näher zu prüfen, ob nicht die Voraussetzungen für die außerordentliche Milderung der Strafe nach § 20 VStG im Beschwerdefall gegeben sind. Selbst wenn man davon ausgeht, daß § 21 VStG hier wohl schon mit Rücksicht auf die Folgen der Übertretung nicht anwendbar erscheint, machten die näheren Begleitumstände der dem Beschwerdeführer angelasteten Taten eine Prüfung im Sinne des § 20 VStG nicht von vornherein entbehrlich (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1993, Zl. 92/09/0031, und vom 23. Februar 1994, Zl. 93/09/0383).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des aufgezeigten Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war deshalb im Umfang der Anfechtung, also in der Straf- (und notwendigerweise damit in der Kosten-)Frage, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründung von Ermessensentscheidungen Ermessen Erschwerende und mildernde Umstände Schuldform

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994090236.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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