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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AuslBG §15 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. Oktober 1994, Zl. SD 753/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. Oktober 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer habe am 10. Dezember 1990 in der Türkei eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, sei am 1. Februar 1991 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 30. April 1991 einen Sichtvermerksantrag gestellt. Aufgrund seiner Ehe mit einer Österreicherin und des von ihm vorgelegten Befreiungsscheines sei dem Beschwerdeführer ein Sichtvermerk mit Gültigkeitsdauer bis 8. Jänner 1994 erteilt worden. Die Ehe des Beschwerdeführers sei mit - in Rechtskraft erwachsenem - Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 11. Februar 1994 für nichtig erklärt worden. Aus der Urteilsbegründung ergebe sich u. a., daß die Ehe nur deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer eine Arbeits- und eine Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen. Die Eingehung einer Ehe zur Beschaffung der genannten Berechtigungen stelle einen evidenten Rechtsmißbrauch und solcherart ein Verhalten dar, das die Annahme rechtfertige, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung, näherhin das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Es sei daher die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.
Im Hinblick auf die rechtsmißbräuchliche Eingehung der Ehe sei es dem Beschwerdeführer verwehrt, sich aufgrund seines dreieinhalbjährigen Aufenthaltes in Österreich auf einen hohen Grad an Integration zu berufen. Darüber hinaus lägen auch keinerlei familiäre Bindungen des Beschwerdeführers zu Österreich vor. Doch selbst unter der Annahme eines relevanten Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers - er sei seit längerem im Bundesgebiet beschäftigt -, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes mit Rücksicht auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier: zum Schutz der öffentlichen Ordnung) dringend geboten und insoweit im Grunde des § 19 FrG zulässig. Angesichts des gegebenen Sachverhaltes sei den öffentlichen Interessen, die an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestünden, das weitaus maßgeblichere Gewicht beizumessen als den damit verbundenen - aber als gering zu bezeichnenden - Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, der die Dauer seines Aufenthaltes in Österreich nur seinem rechtsmißbräuchlichen Verhalten zu verdanken habe. Das Aufenthaltsverbot sei somit auch nach § 20 Abs. 1 FrG zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, die belangte Behörde habe nicht näher ausgeführt, aufgrund welcher bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt sei, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde. Jedenfalls lasse sich der von der Behörde festgestellte relevante Sachverhalt nicht unter die Tatbestände des § 18 Abs. 2 Z. 1 bis 8 FrG subsumieren. Es handle sich daher um einen von der belangten Behörde "neu geschaffenen Tatbestand" und habe sie die Verhängung des Aufenthaltsverbotes "im freien Ermessen" vorgenommen.
2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 und § 20 leg. cit.) gestützt werden, wenn zwar - wie im Beschwerdefall - keiner der (demonstrativ aufgezählten) Tatbestände des § 18 Abs. 2 FrG verwirklicht ist, wohl aber das Gesamt(fehl)verhalten des betreffenden Fremden die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0582, mwN).
2.2. Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall das im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG relevante Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin - daß diese vom Gericht rechtskräftig für nichtig erklärt wurde, bleibt in der Beschwerde unbestritten - zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Beschäftigungsbewilligung, Aufenthaltsberechtigung) erblickt. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handelt es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein die öffentliche Ordnung - nicht die öffentliche Ruhe oder Sicherheit (was von der belangten Behörde auch nicht ins Treffen geführt wurde) - erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzusetzendes Fehlverhalten, das eine bestimmte Tatsache i. S. des § 18 Abs. 1 leg. cit. darstellt, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertigt (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis, Zl. 93/18/0582).
3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, daß mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in sein Privatleben verbunden wäre. Hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse sei ein "inhaltlicher Feststellungsmangel" gegeben.
3.2. Dieser Beschwerdeeinwand ist nicht zielführend. Zunächst ist festzuhalten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers ebenso wie seine Beschäftigung hinsichtlich deren jeweiliger Berechtigung letztlich auf der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen basieren. Selbst wenn man unbeschadet dessen dennoch einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers annehmen wollte, so wäre damit für den Standpunkt der Beschwerde nichts gewonnen. Denn diesfalls wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - von der belangten Behörde zutreffend beurteilt - aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach der genannten Bestimmung zulässig. Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgeht, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstößt gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen lassen - eine Beurteilung, die umsomehr zutrifft, als sich der Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen im bekämpften Bescheid im Zeitpunkt von dessen Erlassung bereits etliche Monate unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und insoweit das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen zusätzlich beeinträchtigt hat.
4. Bei Annahme eines Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei - auch erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG, wäre die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen. Da weder familiäre noch sonstige Bindungen des Beschwerdeführers (§ 20 Abs. 1 Z. 2 FrG) festgestellt wurden und auch das Ausmaß seiner Integration im Hinblick darauf, daß Aufenthalt und Beschäftigung auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen sind, nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen ist, würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
5. Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist nicht erkennbar und wird in der Beschwerde auch nicht dargetan, inwiefern die behauptete Nichtgewährung des Parteiengehörs von Relevanz gewesen sein könnte. Was den angeblichen Verstoß gegen das Recht auf Akteneinsicht anlangt, so geht dieser Vorwurf schon deshalb ins Leere, weil in der Beschwerde nicht behauptet wird, es sei Akteneinsicht verweigert worden.
6. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994181053.X00Im RIS seit
11.07.2001