TE Vfgh Erkenntnis 1992/10/2 WI-7/91

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Veröffentlicht am 02.10.1992
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Oö GdWO 1991 §20 Abs5
Oö GdWO 1991 §20 Abs7
Oö GdWO 1991 §21 Abs2
Oö GdWO 1991 §48
VfGG §68 Abs1

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung einer Gemeinderatswahl; rechtswirksame Zurückziehung dreier Unterstützungserklärungen infolge Irrtums über die Person des Spitzenkandidaten; Wahlvorschlag mangels erforderlicher Anzahl von Unterstützungserklärungen zu Recht als nicht eingebracht gewertet

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Oberösterreichische Landesregierung schrieb am 11. Juli 1991 im Landesgesetzblatt Nr. 82/1991 für den 6. Oktober 1991 Wahlen zum Gemeinderat der Gemeinden des Bundeslandes Oberösterreich, so auch der Gemeinde Schwertberg (politischer Bezirk Perg) mit ihren 3363 Wahlberechtigten, aus.

1.2.1. Die "UNABHÄNGIGE LISTE m.o.s.t." reichte am 26. August 1991 beim Gemeindeamt der Gemeinde Schwertberg als eine von mehreren wahlwerbenden Gruppen einen Wahlvorschlag (Spitzenkandidat: A W) ein, der ua. zwanzig "Unterstützungserklärungen" enthielt.

1.2.1.1. Mit Eingabe vom 2. September 1991 zogen vier Personen, und zwar M W (eine Kandidatin der anfechtenden Wählergruppe), I H, A B und G M ihre Unterstützungserklärungen für die "UNABHÄNGIGE LISTE m.o.s.t." mit der Begründung zurück, sie seien durch falsche Informationen der Wahlwerber irregeführt worden; so sei "eine Offenlegung der Reihung der Kandidaten und die Auflistung der unterstützenden Mitglieder" unterblieben.

1.2.1.2. In gleichlautenden, am 4. September 1991 bei der Gemeindewahlbehörde abgefaßten Niederschriften hielten I H, A B und G M die Zurückziehung ihrer Unterstützungserklärungen aufrecht und brachten dazu vor:

"Bei der Gründung der 'UNABHÄNGIGEN BÜRGERLISTE m.o.s.t.' und vor Abgabe meiner Unterstützungserklärung für diese Bürgerliste ging ich von anderen inhaltlichen und personellen Voraussetzungen aus. Der nunmehrige Listenerste, Herr A W, wurde mir lediglich als Berater in formaljuristischen Angelegenheiten bekanntgegeben und niemals als erster Vertreter dieser Bürgerliste. Die ursprüngliche Initiativgruppe wurde sowohl was die Erstellung der Liste, als auch das Formulieren des Programmes betrifft, nie mehr befragt und glatt übergangen. Aus diesem Grund fühle ich mich arglistig getäuscht und erkläre nochmals die Zurückziehung meiner Unterstützungserklärung."

M W hingegen widerrief am 5. September 1991 die Zurückziehung ihrer Unterstützung vom 2. September 1991 und gab hiezu - im eigenen Namen sowie namens der Anfechterin - folgende, an die Gemeindewahlbehörde gerichtete Erklärung ab:

"Bezüglich der Zusatzerklärung zum Widerruf von Frau H, M und B (gemeint offenbar: in den Niederschriften vom 4. September 1991) möchten wir folgendes feststellen: Den obengenannten Damen wurden von mir bei Unterzeichnung der Unterstützungserklärungen für die 'UNABHÄNGIGE LISTE m.o.s.t.' alle Kandidaten als solche genannt. Bezüglich des Vorwurfes, wir hätten die ursprüngliche Initiativgruppe übergangen, stellen wir fest, daß unsere Liste von den im Wahlvorschlag genannten Kandidaten initiiert wurde. Auch das Programm der 'UNABHÄNGIGEN LISTE m.o.s.t.' wurde maßgeblich von diesen Personen bestimmt. Daher stellen wir fest, daß keiner der in §20 Abs7 GWO 1991 angeführten Gründe zur Kenntnisnahme der Zurückziehung einzelner Unterstützungserklärungen vorliegt.

Nach reiflicher Überlegung ersuche ich die Gemeindewahlbehörde, meinen Widerruf vom 2. September 1991 nicht zur Kenntnis zu nehmen."

1.2.2.1. Bereits am 2. September 1991 war die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Schwertberg zur Überprüfung der für die Gemeinderatswahl eingereichten Wahlvorschläge gemäß §21 Oberösterreichische Gemeindewahlordnung 1991 (GWO 1991), LGBl. 94/1991, zusammengetreten.

Über den Verlauf dieser Sitzung geht aus der Niederschrift dazu ua. hervor:

"Der Gemeindewahlleiter berichtet, daß drei Wahlvorschläge rechtzeitig beim Gemeindeamt Schwertberg eingebracht wurden, und zwar von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ), von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und von der 'UNABHÄNGIGEN LISTE m. o.s.t.'. Bei allen drei Wahlvorschlägen waren Zustimmungserklärungen und Unterstützungserklärungen vorhanden. Von den zwanzig eingebrachten Unterstützungserklärungen für die 'UNABHÄNGIGE LISTE m.o.s.t.' wurden am heutigen Tag vier Unterstützungserklärungen widerrufen (H I, A B, M G, W M). Dadurch verringerten sich die Unterstützungserklärungen auf sechzehn, und gilt daher dieser Wahlvorschlag der 'UNABHÄNGIGEN LISTE m.o.s.t.'

als nicht eingebracht. Die beiden Wahlvorschläge von SPÖ und ÖVP wurden überprüft und sind in Ordnung."

1.2.2.2. In einer weiteren Sitzung der Gemeindewahlbehörde am 5. September 1991 wurde eine "nochmalige Entscheidung über (den) eingebrachten Wahlvorschlag der "UNABHÄNGIGEN LISTE m.o.s.t."

getroffen.

Die aufgenommene Niederschrift hält hierüber fest:

"Der Bürgermeister berichtet, daß der Wahlvorschlag der 'UNABHÄNGIGEN LISTE m.o.s.t.' am 26. August 1991 mit zwanzig Unterstützungserklärungen abgegeben wurde. Am 2. September 1991 wurden vier Unterstützungserklärungen zurückgezogen. Am Dienstag (3. September 1991) informierte sich die Bezirkswahlbehörde, wie diese Widerrufe abgefaßt seien, ob eine ausreichende Begründung vorliege. Weiters erschienen Herr W und Frau R und machten ihm den Vorwurf, daß diese Rückziehung der Unterstützungserklärungen unter Druck von ihm erfolgte. Darauf wurde vom Bürgermeister ein Gespräch mit den vier Damen geführt und erklärten drei dieser Damen, die Unterstützungserklärung nur unterschrieben zu haben, weil ihnen Frau W als Sprecherin und Listenführerin bekanntgegeben wurde. Herr W war nur als formaljuristischer Berater im Gespräch. Der Bürgermeister verlas die drei Niederschriften und erklärte, daß Mag. I von der Landesregierung am heutigen Tage den Wahlakt zur Einsichtnahme anforderte. Der Bürgermeister verlas das Schreiben des Herrn Wahl vom 5. September 1991 und die Erklärung von Frau W. Dipl.Ing. K ersucht den Bürgermeister, die drei Damen einzuladen, damit sie an Ort und Stelle ihre Erläuterungen zum Rückzug ihrer Unterstützungserklärungen abgeben können. Um 19 Uhr 10 erschienen Frau M und Frau B (Frau H konnte nicht erreicht werden) und erläuterten nochmals, unter welchen Voraussetzungen bzw. Täuschungen sie die Unterstützungserklärungen unterfertigten. Frau W besuchte Frau M und erklärte ihr, es bestehe eine Gruppe von fünf Personen und daß Frau W als Sprecherin kandidieren will. Formaljuristische Angelegenheiten werden von Herrn W geregelt. Diese Gruppe beschäftigt sich mit Umweltproblemen. Liste lag zu diesem Zeitpunkt keine vor. Wenn Frau M gewußt hätte, daß Herr W an erster Stelle steht, hätte sie keine Unterstützungserklärung unterschrieben. Der Bürgermeister berichtet kurz, daß Frau W beim Widerruf vom 2. September 1991 ebenfalls behauptete, keine Ahnung von der Reihung von Herrn W gehabt zu haben. Frau B führt aus, daß dies stimme, da Frau W auch sie telefonisch verständigte und ihr berichtete, daß sie ihre Unterstützungserklärung zurückgezogen hat. Frau M und Frau B führten nochmals aus, wenn sie den Inhalt des Wahlvorschlages gekannt hätten, hätten sie niemals eine Unterstützungserklärung unterschrieben. Sie waren der festen Überzeugung, diese Unterstützungserklärung für Frau W als Listenführerin zu geben. Auf die Frage von Dipl.Ing. K, wenn die beiden Damen gewußt hätten, daß Herr W an erster Stelle des Wahlvorschlages aufscheint, ob sie dann die Unterstützungserklärungen unterschrieben hätten, wird dies von beiden verneint. Beide Damen führen nochmals aus, daß sie nur unter (der) Voraussetzung, daß Frau W Listenführerin ist, die Unterstützungserklärungen unterschrieben haben. Beide Damen führen weiters aus, daß Frau W selbst behauptete, die Liste nicht gekannt zu haben, weiters wissen sie von Frau H, daß für sie dieselben Tatsachen zur Zurückziehung der Unterstützungserklärung geführt haben. Frau M berichtet, weil alles so schnell erledigt sein mußte (Unterschrift auf der Unterstützungserklärung), wurde sie stutzig und erkundigte sich, wer überhaupt auf der 'UNABHÄNGIGEN LISTE m. o.s.t.' aufscheint. Beide Damen erklären nochmals, daß ihre Angaben in der Niederschrift vom 4. September 1991 den Tatsachen entsprechen und sie sich arglistig getäuscht fühlen. Beide Damen verlassen um 19 Uhr 30 die Sitzung. Dipl.Ing. K stellt den Antrag, den Wahlvorschlag der 'UNABHÄNGIGEN LISTE m.o.s.t.' wie bereits am Montag als nicht eingebracht zu behandeln, da drei Unterstützungserklärungen durch einen wesentlichen Irrtum und arglistige Täuschung zustande kamen. Gemäß §20 Abs7 GWO 1991 sind zu wenig gültige Unterstützungserklärungen für den Wahlvorschlag 'UNABHÄNGIGE LISTE m.o.s.t.' eingegangen. Der Antrag von Dipl.Ing. K wird einstimmig angenommen."

1.3. Der Wahlvorschlag der "UNABHÄNGIGEN LISTE m.o.s.t." wurde in der Folge von der Gemeindewahlbehörde nicht veröffentlicht (§23 GWO 1991); er lag somit auch nicht der Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Schwertberg vom 6. Oktober 1991 zugrunde, die laut Niederschrift vom selben Tag nachstehendes Ergebnis erbrachte:

    Abgegebene (gültige und ungültige) Stimmen     2960

               davon ungültig                       237

                     gültig                        2723

    Von den gültigen Stimmen entfielen auf die

    ÖVP       877 Stimmen  (10 Mandate),

    SPÖ     1.846 Stimmen  (21 Mandate).

    1.4.1. Mit ihrer am 31. Oktober 1991 beim Verfassungsgerichtshof

überreichten und auf Art141 Abs1 B-VG gestützten

Wahlanfechtungsschrift begehrte die "UNABHÄNGIGE LISTE m.o.s.t.",

"der Verfassungsgerichtshof wolle . . . das Wahlverfahren der

Gemeinderatswahl 1991 in der Gemeinde Schwertberg für nichtig

erklären; hilfsweise . . . jenen Teil des Wahlverfahrens vom 40. Tag

vor dem Wahltag bis zur Beendigung des Wahlverfahrens . . .".

    Begründend wird in der Anfechtungsschrift ua. ausgeführt:

    ". . . Die drei Unterstützer (H, B und M) sind weder durch

einen wesentlichen Irrtum noch durch arglistige Täuschung zur

Unterstützung des Wahlvorschlags bestimmt worden . . . Irrtümer

sind falsche Vorstellungen von der Wirklichkeit und spielen sich im psychischen Bereich ab. Um einen Irrtum glaubhaft zu machen, muß man der Behörde gegenüber eine persönliche Erklärung abgeben. Eine schriftliche Zurückziehung kann nicht genügen. Es genügt auch nicht, den Bürgermeister und den Gemeindesekretär vom wesentlichen Irrtum zu überzeugen und deren Niederschrift zu unterfertigen. Richtigerweise muß die Gemeindewahlbehörde überzeugt werden. Gerade in politisch so sensiblen Bereichen, die das Wahlergebnis stark beeinflussen, kann vom Unmittelbarkeitsgrundsatz, der sowohl in der ZPO als auch in der StPO normiert ist, nicht abgegangen werden. .

."

1.4.2. Die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Schwertberg legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie für die Abweisung der Wahlanfechtung eintrat und ua. ausführte:

". . . Die Gemeindewahlbehörde der Marktgemeinde Schwertberg hatte bereits am 2. September 1991 die Zurückziehung der Unterstützungserklärungen gemäß §20 Abs7 GWO 1991 deshalb zur Kenntnis zu nehmen, da die Unterstützer die Wahlbehörde überzeugen konnten, daß diese in Kenntnis des wahren Sachverhaltes niemals ihre Zustimmung gegeben hätten und sie sich somit vorsätzlich und arglistig getäuscht fühlten. . ."

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, somit auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980, 10610/1985, 12288/1990). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

Kraft §67 Abs2 VerfGG 1953 sind zur Anfechtung der Wahl eines allgemeinen Vertretungskörpers grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge vorlegten. Dazu nimmt der Verfassungsgerichtshof seit dem Erkenntnis VfSlg. 4992/1965 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, daß die Anfechtungslegitimation, jedenfalls soweit die Frage der Gültigkeit des eingereichten Wahlvorschlags das Ergebnis der Wahlanfechtung - wie hier - mitbestimmen kann, nicht zusätzlich davon abhängt, ob dieser Vorschlag rechtswirksam eingereicht wurde (so zB VfSlg. 7387/1974, 10217/1984, 11256/1987, 12287/1990).

2.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheids eingebracht werden.

Nun sieht zwar §48 Abs1 GWO 1991 administrative Einsprüche - iS eines Instanzenzugs nach §68 Abs1 VerfGG 1953 - vor, doch nur gegen ziffernmäßige Ermittlungen einer Gemeindewahlbehörde.

Zur Geltendmachung aller anderen (ds. alle nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffenden) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht - weil insoweit ein zunächst zu durchlaufender Instanzenzug iS des §68 Abs1 VerfGG 1953 nicht eingerichtet ist - die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VerfGG 1953) offen (vgl. zB VfSlg. 10610/1985, 11732/1988, 12288/1990).

2.1.3. Im vorliegenden Fall strebt die "UNABHÄNGIGE LISTE m. o.s.t." in ihrer Anfechtungsschrift nicht die - nach dem Gesagten dem Einspruchsverfahren nach §48 GWO 1991 vorbehaltene - Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr die - in den Bereich sonstiger Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens fallende - Nichtberücksichtigung ihres Wahlvorschlags aus formalen Gründen, wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt ist.

Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufs der vierwöchigen Frist zur Anfechtung ist in diesem Fall die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 10610/1985, 12288/1990), d. i. bei Gemeinderatswahlen nach der GWO 1991 die der jeweiligen Gemeindewahlbehörde obliegende Kundmachung des Wahlergebnisses "einschließlich der Namen der gewählten Mitglieder des Gemeinderates und der Ersatzmitglieder" in ortsüblicher Weise.

Diese Verlautbarung fand hier am 7. Oktober 1991 statt.

Die am 31. Oktober 1991 unmittelbar überreichte Wahlanfechtungsschrift (s. Punkt 1.4.1.) wurde darum rechtzeitig eingebracht.

2.1.4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2.2.1. Abs7 des mit "Wahlvorschläge und Parteilisten" betitelten §20 GWO 1991 hat folgenden Wortlaut:

"(7) Die Zurückziehung einzelner Unterstützungserklärungen ist von der Gemeindewahlbehörde nur dann zur Kenntnis zu nehmen, wenn

1.

der Unterstützer glaubhaft macht, daß er durch einen wesentlichen Irrtum oder durch arglistige Täuschung oder durch Drohung zur Unterstützung des Wahlvorschlages bestimmt worden ist, und

2.

die Zurückziehung spätestens am 34. Tag vor dem Wahltag während der Amtsstunden erfolgt ist."

2.2.2. Abs2 des mit "Wahlvorschläge und Parteilisten; formelle Erfordernisse" überschriebenen §21 GWO 1991 bestimmt:

"(2) Weist ein Wahlvorschlag nicht die erforderliche Anzahl gültiger Unterstützungserklärungen (§20 Abs5) auf, so gilt er als nicht eingebracht. Das gleiche gilt, wenn die Zahl der gültigen Unterstützungserklärungen nachträglich wegen Zurückziehung oder auf Grund einer Entscheidung gemäß §17 und §18 unter das erforderliche Maß sinkt. . ."

2.2.3. §20 Abs5 Z5 GWO 1991 lautet:

"Jeder Wahlvorschlag muß in Gemeinden mit 3.001 bis 5.000 Wahlberechtigten von wenigstens 0,5 % der in dieser Gemeinde Wahlberechtigten, mindestens aber von 18 Wahlberechtigten dieser Gemeinde, unterstützt sein, wobei sich die Zahl der Wahlberechtigten nach dem Tag der Auflegung des Wählerverzeichnisses bestimmt".

2.3.1. Die im verfassungsgerichtlichen Verfahren vernommenen Zeuginnen I H, A B und G M, auf die sich die anfechtende Wählergruppe ua. berufen hatte, sagten im wesentlichen übereinstimmend und im Einklang mit ihren bisherigen Angaben im Wahlverfahren aus, M W habe ihnen anläßlich der Werbung um Unterstützungserklärungen für die "UNABHÄNGIGE LISTE m.o.s.t."

bedeutet, daß sie selbst als Listenführerin auftreten werde und daß A W zwar als eine Art Rechtsberater, aber nicht als Mandatar dieser Gruppierung in Betracht komme. Die gleichfalls zeugenschaftlich einvernommene M W bestritt die Richtigkeit dieser Aussagen; sie gab zunächst an, nie behauptet zu haben, daß sie (überhaupt) in den Gemeinderat strebe, räumte jedoch im weiteren Verlauf der Einvernahme ein, sie habe (nur) nicht an erster Stelle gewählt werden wollen.

In Prüfung und Wägung der gesamten Beweisergebnisse gelangte der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung, daß I H, A B und G M der Gemeindewahlbehörde ungeachtet der Schilderung der M W (zeitgerecht) glaubhaft machen konnten, sie seien durch einen Irrtum über die Person des Spitzenkandidaten zur Unterstützung des in Rede stehenden (in den unterschriebenen Unterstützungserklärungen selbst bloß allgemein ohne Kandidatennennung bezeichneten) Wahlvorschlages der "UNABHÄNGIGEN LISTE m.o.s.t." bestimmt worden, denn dieser Behörde erschienen die damaligen Depositionen der I H, der A B und der G M angesichts der gegebenen Umstände offenbar durchaus glaubwürdig.

Davon ausgehend, daß ein zu unterstützender Wahlvorschlag eine "Parteiliste" (Verzeichnis der Bewerber in einer ziffernmäßigen Reihenfolge) enthalten und damit auch den an erster Stelle kandidierenden Wahlwerber ausweisen muß, ist dieser Irrtum als "wesentlich" in der Bedeutung des §20 Abs7 Z1 GWO 1991 anzusehen, zumal mit der Möglichkeit, daß außer dem "Spitzenkandidaten" noch andere Bewerber der Liste m.o.s.t. zum Zug kommen könnten, damals offenkundig gar nicht gerechnet wurde (vgl. Aussage G M).

2.3.2. I H, A B und G M zogen daher ihre Unterstützungserklärungen rechtswirksam zurück, weil alle Voraussetzungen des §20 Abs7 Z1 (1. Fall) GWO 1991, nämlich die Glaubhaftmachung der Unterstützung des Wahlvorschlags (nur) infolge eines wesentlichen Irrtums vor der Gemeindewahlbehörde, zutrafen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob hier ein die Bedingungen des §20 Abs3 GWO 1991 erfüllender (tauglicher) Wahlvorschlag der "UNABHÄNGIGEN LISTE m.o.s.t.", in den jedenfalls eine "Parteiliste" aufzunehmen war, überhaupt jemals vorlag.

Läßt man aber diese zurückgezogenen Unterstützungserklärungen außer Betracht, wurde der - wie sonst immer zu beurteilende - Wahlvorschlag der anfechtenden Wählergruppe nicht mehr von der erforderlichen Zahl von Wahlberechtigten (d.s. hier mit Rücksicht auf die Gesamtzahl der Wahlberechtigten der Gemeinde Schwertberg

18) unterstützt (§20 Abs5 Z5 GWO 1991), weshalb ihn die Gemeindewahlbehörde (allein schon deshalb) zu Recht als nicht eingebracht wertete.

2.3.3. Da folglich die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens - rechtswidrige Nichtberücksichtigung des Wahlvorschlags der Anfechterin - nicht gegeben ist und der Verfassungsgerichtshof ein Wahlverfahren nur innerhalb der durch die Anfechtungserklärung gezogenen Grenzen zu überprüfen hat (VfSlg. 8700/1979, 9011/1981, 11732/1988, 12289/1990), mußte der unbegründeten Wahlanfechtung ein Erfolg versagt bleiben.

2.4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Wahlen, Wahlvorschlag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:WI7.1991

Dokumentnummer

JFT_10078998_91W00I07_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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