TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/24 93/04/0203

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Veröffentlicht am 24.01.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §64 Abs1;
AVG §64 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs2;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der A sen. in Linz, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des BmwA vom 21. Juli 1993, Zl. 316.160/2-III/A/2a/93, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mP: Linzer Elektrizitäts-, Fernwärme- und Verkehrsbetriebe AG, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes I. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid vom 22. April 1992 erteilte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz der mitbeteiligten Partei für Sanierungsmaßnahmen in Form je einer Entstickungsanlage "für Kessel 1" und "für Kessel 2, 3, 9 und die beiden Dieselmotoren" die "gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung" unter Vorbehalt der Betriebsbewilligung und Anordnung eines zweijährigen Probebetriebes. Als Rechtsgrundlagen wurden unter anderem § 81 Gewerbeordnung 1973 idF der Gewerberechtsnovelle 1988 und § 12 Abs. 3 und 10 LRG-K genannt.

Die hiegegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wies der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 18. Jänner 1993 mit Spruchteil II - mit Spruchteil I wurde die Berufung einer weiteren Person gegen den erstinstanzlichen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen - als unbegründet ab.

Die Beschwerdeführerin und diese weitere Person erhoben Berufung.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten faßte daraufhin im angefochtenen Bescheid folgenden Spruch:

"Bescheid:

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten entscheidet über die Berufung der A sen. und der A jun., beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 18.1.1993, Zl. Ge-440057/3-1993/Sch/Th, gemäß § 66 Abs. 4 AVG wie folgt:

Spruch:

I.

Der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 18.1.1993, Zl. Ge-440058/3-1993/Sch/Th, wird, soweit er seine Grundlage in den Bestimmungen der Gewerbeordnung findet, gemäß § 81 Abs. 2 Zif. 8 GewO 1973 idgF. ersatzlos behoben.

Der Antrag der ESG-Linz um Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung für die beantragten Sanierungsmaßnahmen nach § 12 des Luftreinhaltegesetzes für Kesselanlagen (LRG-K) wird als unzulässig zurückgewiesen.

II.

Soweit der Bescheid auf der Grundlage des Luftreinhaltegesetzes für Kesselanlagen, BGBl. Nr. 380/1988, erlassen wurde, wird über die Berufung gemäß § 59 Abs. 1 AVG gesondert abgesprochen werden."

In der Begründung wurde nach Darstellung des maßgeblichen Verfahrensganges ausgeführt, daß die verfahrensgegenständlichen Sanierungsmaßnahmen nach § 12 LRG-K gemäß § 81 Abs. 2 Z. 8 GewO 1973 idgF. nicht der Genehmigungspflicht nach den Bestimmungen des gewerblichen Betriebsanlagenrechts unterlägen. Soweit diese Sanierungsmaßnahmen daher durch den angefochtenen sowie den diesem zugrundeliegenden erstinstanzlichen Bescheid gewerberechtlich genehmigt worden seien, sei diese Genehmigung als Rechtsgrundlage ersatzlos zu beheben und der entsprechende Antrag als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Die Genehmigung nach dem Luftreinhaltegesetz unterliege einem völlig eigenständigen rechtlichen Schicksal. Der Bundesminister habe daher gemäß § 59 Abs. 1 AVG vorerst über die angefochtene gewerberechtliche Genehmigung abgesprochen und werde hinsichtlich der Genehmigung nach dem Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen mit gesondertem Bescheid entscheiden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, und zwar erkennbar nur gegen dessen Spruchteil I.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstatte - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem "Recht auf Anwendung der nachbarrechtlichen Bestimmungen der GewO betreffend das gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigungsverfahren für die beantragte Genehmigung eines neuen Kessels ("K 9") für die Errichtung und Inbetriebnahme einer Entstickungsanlage" verletzt. In Ausführung dieses so umschriebenen Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin vor, der Kessel 9 sei weder vor dem Inkrafttreten des LRG-K in Betrieb genommen worden noch habe er zu diesem Zeitpunkt über eine Errichtungsbewilligung auf Grund bundesgesetzlicher Bestimmungen verfügt. Die Gewerbebehörden erster und zweiter Instanz hätten daher in bezug auf diesen Kessel zu Recht ein Verfahren auch nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung abgeführt. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten habe demgegenüber unrichtigerweise angenommen, daß auch für Kessel 9 § 12 LRG-K anzuwenden sei. Infolge dieser Annahme habe er den Antrag auf gewerberechtliche Genehmigung des Einbaus einer Entstickungsanlage zurückgewiesen. Richtigerweise hätte er den Antrag nur betreffend die Kessel 1, 2, 3 und die beiden Dieselmotoren zurückweisen dürfen. Betreffend den Kessel 9 hätte er jedoch materiell zu entscheiden gehabt.

Vorweg ist auf die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde einzugehen.

Die Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist die Möglichkeit der Verletzung eines gesetzlich normierten subjektiven Rechtes des Beschwerdeführers.

Dazu bringt die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift vor, es fehle der Beschwerdeführerin die Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechtes, weil sich durch den angefochtenen Bescheid die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin keineswegs verschlechtere und der Spruch des angefochtenen Bescheides, der allein für eine Rechtsverletzung im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG maßgeblich sei, dem von der Beschwerdeführerin gestellten Berufungsbegehren im Ergebnis Folge gebe.

Mit diesem Vorbringen ist die mitbeteiligte Partei nicht im Recht:

Wie oben dargestellt, wurde im Instanzenzug mit dem zweiten Absatz des Spruchteiles I des angefochtenen Bescheides der Antrag der mitbeteiligten Partei um Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung für die beantragten Sanierungsmaßnahmen nach § 12 LRG-K als unzulässig zurückgewiesen.

Demgegenüber heißt es im ersten Absatz des Spruchteiles I des angefochtenen Bescheides, daß "der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 18.1.1993 ..., soweit er seine Grundlage in den Bestimmungen der Gewerbeordnung findet, gemäß § 81 Abs. 2 Zif. 8 GewO 1973 idgF. ersatzlos behoben" werde.

Durch die hier in Rede stehende Wendung im Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides konnte die Beschwerdeführerin auch in ihren Rechten verletzt sein:

Eine ersatzlose Behebung des unterinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG - weder aus dem zitierten Spruchteil noch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides läßt sich ein Anhaltspunkt für einen Abspruch im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG finden - hat zur Folge, daß die Unterbehörde über den Gegenstand nicht mehr neuerlich entscheiden darf (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1986, Zl. 85/08/0044, nur Rechtssatz in Slg. N.F. Nr. 12.360/A, sowie vom 17. September 1991, Zl. 90/05/0222). In einem dreigliedrigen Instanzenzug hat eine derartige ersatzlose Behebung des unterinstanzlichen (zweitinstanzlichen) Bescheides aber auch weiters das Wiederaufleben des Bescheides der wiederum unteren Behörde (des erstinstanzlichen Bescheides) zur Konsequenz. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat nämlich eine Berufungsentscheidung die rechtliche Wirkung, daß der erstinstanzliche Bescheid in der Berufungsentscheidung aufgegangen ist und diese, sobald sie erlassen UND SO LANGE SIE AUFRECHT IST, der alleinige und ausschließliche Träger des Bescheidinhaltes ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 8. September 1977, Slg. N.F. Nr. 9.379/A). Durch diesen aufhebenden Abspruchsteil (erster Absatz des Spruchteiles I des angefochtenen Bescheides) wurde der erstinstanzliche Bescheid wieder existent und zwar, "soweit er seine Grundlage in der Gewerbeordnung findet".

Nach § 64 Abs. 1 AVG haben zwar rechtzeitig eingebrachte Berufungen aufschiebende Wirkung. Aus der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels folgt, daß der Eintritt der durch die Rechtsordnung an einen Bescheid geknüpften Rechtswirkungen hinausgeschoben wird (vgl. das hg. Erkenntnis VwSlg. N.F. Nr. 6.192/A und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 7.150/1973; vgl. auch Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I. Band, S. 605). Ungeachtet des Umstandes, daß einerseits mit der Berufung die Rechtswirkungen des erstinstanzlichen Bescheides hinausgeschoben sind und daß andererseits der Berufungsbehörde (zweiter Instanz) nach dem oben Gesagten eine neuerliche Entscheidung verwehrt ist - und zwar im Hinblick auf seinen gewerbebehördlichen materiellen Inhalt -, ist im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes in Ansehung des Abs. 1 des Spruchpunktes I des angefochtenen Bescheides eine Rechtsverletzungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin dennoch gegeben:

Die oben dargestellte Rechtswirkung der Berufung kann nämlich (auch) mit gesondertem Bescheid im Grunde des § 64 Abs. 2 AVG - ob rechtens ist hier nicht zu prüfen - durch Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wieder beseitigt werden (vgl. dazu auch Ringhofer a.a.O. Anm. 9 zu § 64 AVG). Derart ist aber auch eine Rechtsverletzungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG durch den hier in Frage stehenden Spruchteil zu bejahen.

Die somit zulässige Beschwerde ist schon aus folgenden Erwägungen auch begründet:

Auf dem Boden des oben Dargestellten ist nämlich der Spruchtpunkt I. des angefochtenen Bescheides in sich widersprüchlich. Wird doch einerseits nur der zweitinstanzliche Bescheid ("..., soweit er seine Grundlage in den Bestimmungen der Gewerbeordnung findet, ...") ersatzlos behoben und damit der erstinstanzliche Bescheid in diesem Umfang (als gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung) wieder existent, andererseits aber der Antrag - als solcher um Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung - als unzulässig zurückgewiesen.

Nach § 59 Abs. 1 erster Satz AVG hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmung, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

Der - allein maßgebliche - Spruch muß somit den Prozeßgegenstand und seine Erledigung eindeutig erkennen lassen. Nur dann, wenn der Spruch des Bescheides, für sich allein beurteilt, Zweifel an seinem Inhalt offenläßt, kann die beigegebene Begründung als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Daß Spruch und Begründung als eine Einheit anzusehen sind, hat nur zur Folge, daß die Begründung eines Bescheides zur Auslegung eines unklaren Spruches heranzuziehen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. März 1983, Zl. 82/04/0059); nicht aber zur Ergänzung eines, für sich beurteilt, widersprüchlichen Spruches.

Da derart der hier in Frage stehende Spruchpunkt - ungeachtet der Begründungsdarlegung, daß "soweit diese Sanierungsmaßnahmen daher durch den angefochtenen sowie den diesem zugrundeliegenden erstinstanzlichen Bescheid" gewerberechtlich genehmigt worden seien, diese Genehmigung als Rechtsgrundlage ersatzlos zu beheben sei - einen diesbezüglich eindeutigen normativ verbindlichen Abspruch nicht erkennen läßt, ist dieser mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang seines Spruchpunktes I. gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß sich das Erfordernis einer Erörterung des weiteren, hier nicht behandelten Beschwerdevorbringens ergab.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Eintritt und Umfang der Rechtswirkungen von Entscheidungen nach AVG §68InstanzenzugSpruch und BegründungBegriff der aufschiebenden WirkungAnwendungsbereich des AVG §66 Abs4Rechtsnatur und Rechtswirkung der Berufungsentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993040203.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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