Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 10. August 1994, Zl. Ge-441354/1-1994/Bi/H, (mitbeteiligte Partei: H in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L), betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. Juli 1994 erteilte der Bürgermeister der Stadt Steyr der mitbeteiligten Partei über deren Antrag die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Gastlokales in Form einer Imbißstube im Standort S, P-Gasse 3 auf Baufläche 58 KG 49233 S nach Maßgabe der näher angeführten Anlagenbeschreibung, der bezeichneten technischen Unterlagen sowie unter Auflagen. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden - wie der Begründung dieses Bescheides entnommen werden kann - abgewiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 10. August 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers "als unzulässig zurückgewiesen". Hiezu führte der Landeshauptmann von Oberösterreich aus, auf Grund des Ansuchens der mitbeteiligten Partei sei für den 28. Februar 1994 eine mündliche Augenscheinsverhandlung unter Beiziehung sämtlicher Nachbarn anberaumt und an diesem Tage durchgeführt worden. Im Zuge dieser mündlichen Augenscheinsverhandlung habe der Beschwerdeführer folgende Stellungnahme abgegeben:
"Mein Mandant spricht sich strikt gegen die Bewilligung aus, da auf Grund der gutachtlichen Stellungnahme des Dr. N damit zu rechnen ist, daß durch den gegenständlichen Betrieb zusätzliche Immissionen auftreten, die durch das nahegelegene Fenster in den Warteraum dringen, wodurch es zu einer Reizung und Belastung bereits erkrankter Augen der Patienten kommen kann. Dies würde dazu führen, daß ein erheblicher Anteil der Patienten durch diese drohende Gefahr ausbleiben würde. Dies würde in letzter Konsequenz zu einer Existenzbedrohung führen.
Es wird daher beantragt, Meßberichte, insbesondere die Einholung einer Umweltverträglichkeitsanalyse, einzuholen, wie dies auch vom Amtssachverständigen gefordert wird.
Herr Dr. N hat in seiner Stellungnahme ausdrücklich darauf hingewiesen, daß seine Ausführungen auf Schätzungen beruhen und daß zu einer exakten Beurteilung - wie bereits erwähnt - entsprechende weitere Unterlagen notwendig sind.
Erst nach Vorliegen dieser Unterlagen ist es möglich, die zu erwartenden Belastungen auf ihre Zumutbarkeit hin zu überprüfen."
In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer weiters ausgeführt, daß zur Frage der Zumutbarkeit von Beeinträchtigungen und Emissionen, die von der gegenständlichen Betriebsanlage ausgingen, keine Meßberichte vorlägen. Die von ihm in der mündlichen Augenscheinsverhandlung vorgebrachten Einwendungen bezögen sich nicht nur auf seine Kunden bzw. Patienten, sondern auch auf ihn selbst und seine Mitarbeiter. Nach Darstellung der maßgeblichen Gesetzeslage führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht hiezu aus, der Beschwerdeführer habe lediglich Einwendungen wegen Lärm- und Geruchsbelästigung hinsichtlich jener Personen vorgebracht, die seine Ordination, die an die Betriebsanlage anschließe, als Patienten aufsuchten. Einwendungen, die die Person des Beschwerdeführers beträfen, seien nur insofern vorgebracht worden, als eine Existenzgefährdung befürchtet werde. Der Nachbarschutz greife nicht für Personen, die den Einwirkungen der Betriebsanlage nur vorübergehend ausgesetzt seien. Als solche Personen seien unter anderem Patienten einer der Betriebsanlage benachbarten Arztpraxis zu qualifizieren. Der Beschwerdeführer könne auch nicht als Inhaber bestimmter Einrichtungen im Sinne des § 75 Abs. 2 dritter Satz GewO 1973 für die Patienten Einwendungen erheben, da es sich bei einer Arztpraxis nicht um Einrichtungen im Sinne dieser Gesetzesstelle handle. Für seine Person seien vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung keine Verletzungen eines subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne der im § 74 Abs. 2 GewO 1994 aufgezählten Alternativtatbestände vorgebracht worden. Der Beschwerdeführer habe somit keine Parteistellung erlangt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in dem ihm nach § 356 Abs. 3 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973 zustehenden Recht auf Zuerkennung der Parteistellung verletzt". In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer vor, richtig sei zwar, daß der Beschwerdeführer eine Gefährdung seiner Person durch Lärm und Geruch nicht ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung behauptet habe. Aus seinem Vorbringen, seine Patienten könnten gefährdet werden, ergebe sich wohl auch schlüssig bzw. aus dem Zusammenhang eine Gefährdung des Beschwerdeführers selbst. Unter Anwendung der gesetzlichen Interpretationsregeln könne daher die Einwendung des Beschwerdeführers nur so verstanden werden, daß sich die Gefährdung durch Geruchs- und Lärmbelästigung nicht nur auf die Patienten, sondern naturgemäß auch auf den Beschwerdeführer beziehe.
Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1.
das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; ...
2.
die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
...
Gemäß § 75 Abs. 1 leg. cit. ist unter Gefährdung des Eigentums im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht zu verstehen.
Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen sind Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Absatzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.
Gemäß § 356 Abs. 3 leg. cit. sind in einem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, unbeschadet der Regelung des hier nicht in Betracht kommenden zweiten Satzes dieses Absatzes, nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.
Eine Einwendung muß, um auf Grund des § 356 Abs. 3 leg. cit. zu bewirken, daß ein Nachbar Parteistellung erlangt, somit auf einen oder mehrere der Tatbestände des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 leg. cit. im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 auf einen oder mehrere der dort vorgesehenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Nur wer eine solche Einwendung rechtzeitig erhebt, erlangt im Rahmen dieser Einwendung als Nachbar Parteistellung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1992, Zl. 91/04/0213 und die dort zitierte Vorjudikatur).
Ausgehend von der vordargestellten Rechtslage kommt den in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargestellten, bei der mündlichen Augenscheinsverhandlung am 28. Februar 1994 erhobenen Einwendungen eine derartige Qualifikation in bezug auf den Beschwerdeführer selbst nicht zu, da sich aus ihnen im Sinne der dargestellten gesetzlichen Tatbestandserfordernisse, insbesondere in Ansehung der hiefür erforderlichen sachverhaltsmäßigen Bezugspunkte als Voraussetzung, eine Gefährdung der Gesundheit des Beschwerdeführers und seines Eigentums, nicht erkennen läßt, beschränkte sich sein Vorbringen doch ausschließlich darauf, die durch den gegenständlichen Betrieb zusätzlich auftretenden Immissionen würden durch das nahegelegene Fenster in den Warteraum eindringen, "wodurch es zu einer Reizung und Belastung bereits erkrankter Augen der Patienten kommen" könne. Insoweit der Beschwerdeführer in diesen Einwendungen auf eine Existenzbedrohung infolge Ausbleibens eines erheblichen Anteiles seiner Patienten verweist, stützt er sich damit nicht auf einen der Tatbestände des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994. Da Parteistellung nur im Rahmen einer rechtzeitig erhobenen Einwendung erlangt werden kann, eine solche in bezug auf den Beschwerdeführer selbst bzw. seiner Mitarbeiter im Sinne der obigen Ausführungen nicht vorliegt, konnte durch die ergänzenden Ausführungen in der Berufung diesbezüglich auch keine Parteistellung mehr erlangt werden.
Rechte die bloß "schlüssig bzw. aus dem Zusammenhang" mit rechtzeitig vorgebrachten Einwendungen abgeleitet würden, können im weiteren Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 93/04/0008).
Insoweit vom Beschwerdepunkt auch die Parteistellung des Beschwerdeführers gemäß § 75 Abs. 2 dritter Satz GewO 1994 umfaßt sein sollte, vermag der Verwaltungsgerichthof eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in der Annahme der belangten Behörde, eine Arztpraxis sei keine Einrichtung im Sinne der vorgenannten Gesetzesbestimmung, aus nachstehenden Gründen nicht zu erblicken.
Gemäß § 75 Abs. 2 dritter Satz GewO 1994 gelten als Nachbarn auch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten. Wie sich der beispielsweisen Aufzählung "Beherbergungsbetriebe, Krankenanstalten, Heime" entnehmen läßt, sind unter "Einrichtungen" im Sinne des § 75 Abs. 2 dritter Satz GewO 1994 nur solche zu verstehen, in denen der vorübergehende Aufenthalt von Personen durch eine für derartige "Einrichtungen" typische Art der Inanspruchnahme der betreffenden Betriebsanlage als solche gekennzeichnet ist, anders als dies bei einem Arztbesuch in der Ordination eines Augenarztes in Betracht zu ziehen ist.
Da der Beschwerdeführer nach den oben stehenden Darlegungen - mangels Erhebung geeigneter qualifizierter Einwendungen - keine Parteienrechte erwarb, würde er auch in der Zurückweisung seiner Berufung mangels Parteistellung in dem gegenständlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren durch den angefochtenen Bescheid nicht in dem vom Beschwerdepunkt umfaßten Recht verletzt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Zuspruch der Kosten an die mitbeteiligte Partei erfolgte hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes im begehrten Umfang. Die Abweisung des Mehrbegehrens der mitbeteiligten Partei betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand für die dritte Ausfertigung der Gegenschrift.
Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994040196.X00Im RIS seit
20.11.2000